Schluss mit dem falschen Uber-Narrativ: Wer meint, sich öffentlich in Debatten um Mindestfahrpreise für Mietwagen und zu teure Uber-Fahrten einmischen zu müssen, sollte sich vorher umfassend informieren. Das gilt auch für zwei Kommunalpolitiker der Solinger Grünen.
Ein Kommentar von Axel Rühle und Jürgen Hartmann
In politische Ämter darf man (je nach Amt und Region) erst mit 18 bis 23 Jahren gewählt werden. Das ist gut so, denn in diesem Alter darf man von erwachsenen Menschen durchaus erwarten, dass sie nicht mehr an Märchen glauben. Nicht so die beiden Kommunalpolitiker der Solinger Grünen. Sie verbreiten völlig ungeprüft die Geschichte, die Uber seit Jahren immer und wieder der Bevölkerung als Wahrheit eintrichtern will: Dass Uber-Fahrten billig sein müssen, weil sich sonst die meisten Bürger keine Individualbeförderung mehr leisten können und sie ansonsten wieder mit ihren eigenen Autos fahren müssten und so die Straßen verstopfen.
Doch das ist keine Wahrheit, das ist ein Märchen. Märchen werden erzählt, damit Kinder mit leuchtenden Augen gebannt zuhören und hinterher wissen, dass die Guten belohnt und die Bösen bestraft werden.
Als Kind glaubt man an diese Märchen, doch irgendwann wird man älter und lernt, sie als fiktiv einzuordnen. In Solingen gibt es nun die Grünen Politiker Finn Grimsehl-Schmitz und Niklas Geßner. Sie haben sich mit einem Post auf Facebook zum seit Monatsbeginn in ihrer Stadt gültigen Mindestbeförderungsentgelt für Mietwagen (MBE) geäußert. Wer jedoch eine differenzierte Betrachtung des Themas von den beiden erwartet, wird bitter enttäuscht. Grimsehl-Schmitz und Geßner wiederholen ungeprüft das Uber-Märchen von den billigen Uber-Fahrten, die eine böse Stadtverwaltung den Bürgern weggenommen hat.
„Über-Nacht-Entscheidung ohne Debatte? Nicht mit uns!“ So heißt es einleitend in jenem Post der beiden Solinger Grünen Grimsehl-Schmitz und Geßner, der unter anderem auf Facebook und Instagram veröffentlicht wurde. Ratsmitglied Finn Grimsehl-Schmitz vermisst „die Einbindung der politischen Gremien“ vor dem Erlass der MBE-Verfügung.
Allein diese Forderung geht schon an der rechtlichen Realität vorbei, denn Allgemeinverfügungen sind ein Verwaltungsakt, kein politischer Beschluss und müssen deshalb „grundsätzlich NICHT politisch abgestimmt werden“. Darüber werden die beiden Politiker denn auch prompt in einem Antwort-Post aufgeklärt. Antwort darauf auf Facebook: Keine!
Hätte der Stadtrat das Problem diskutiert, so wäre wahrscheinlich – mit unnötig größerer Verzögerung – die gleiche Entscheidung für die Einführung eines MBE gefallen, zumindest wenn die Mitglieder sich (anders als Finn Grimsehl-Schmitz und Niklas Geßner) vernünftig informiert hätten – so wie es kürzlich in Essen passiert ist – dort übrigens mit den Stimmen der Grünen.
Die beiden Solinger Grünen-Politiker setzen sich dagegen nur die rosarote Verbraucherbrille auf und lassen damit jegliche gesellschaftspolitische Verantwortung vermissen: Uber-Angebote hätten in den vergangenen Monaten insbesondere jungen Menschen vor allem in den Nachtstunden eine niedrigschwellige und sichere Alternative geboten, so ein Argument von Niklas Geßner, beratendes Vorstandsmitglied der Grünen Jugend Solingen.
Für die Solinger Grünen sei deshalb klar: „Faire Löhne und Bedingungen im Taxigewerbe sind wichtig. Aber wir brauchen Lösungen, die Mobilität sozial, sicher und klimafreundlich gestalten – statt künstlich zu verteuern.“
Und damit sind wir genau bei dem oben angesprochen Uber-Narrativ, dass der Plattformvermittler seit Jahren verbreitet – frei nach dem Motto: Erzähle so lange eine Lüge, bis sie zur Wahrheit wird. Grimsehl-Schmitz und Geßner sind dieser Taktik voll auf den Leim gegangen, sie mutierten mit ihrem Post zum Märchenerzähler.
Wer Politik macht, sollte sich im Thema auskennen, zumindest ein wenig. Grimsehl-Schmitz und Geßner hätten sich besser informieren sollen, etwa bei ihren Essener Parteikollegen oder gerne auch bei Taxi Times: Uber und Bolt mit ihren Dumpingpreisen sind nicht sozial, sie sind für Kunden nicht sicher und sie sind erst recht nicht klimafreundlich. Und ganz nebenbei sind sie auch nicht rechtsstaatlich. (sämtliche Beiträge, auf die in diesem Satz verlinkt wird, belegen genau das Gegenteil des Posts).
Anstelle von Mindestpreisen für Mietwagen, so der Grünen-Post weiter, brauche man „echte Verbesserungen im Wettbewerb“: Als Beispiele werden unter anderem Tarifkorridore für Taxis genannt, um verbindliche Festpreise vor Fahrtantritt zu ermöglichen sowie eine dynamische Preisgestaltung für Taxiunternehmen – wie sie bei Uber längst üblich sei.
Man kann über die politischen Aussagen der beiden Solinger Grünen nur den Kopf schütteln. Wer sich mit dieser Thematik seriös beschäftigt, kommt nicht um die Tatsachen herum: Die Dumpingpreise sind nur mit Rechtsbruch, Sozialversicherungsbetrug und prekären Arbeitsverhältnissen umsetzbar. Das ist längst bewiesen, unter anderem erst diese Woche in einem ARD-Fernsehbeitrag von „Report Mainz“. Der Beitrag deckt gravierende Missstände auf, die allerdings nahezu alle seit Jahren bekannt sind. Das Schlimme daran ist schon gar nicht mehr die Tatsache, dass es diese Missstände gibt. Der eigentliche Skandal ist, dass die Politik gegen diese Zustände nichts unternimmt.
Noch schlimmer allerdings wird es, wenn sich unwissende Politiker zu Märchenerzählern aufschwingen und damit das System Uber auch noch unterstützen.
Damit sind wir wieder bei den Herren Grimsehl-Schmitz und Geßner. Auch Politiker machen Fehler und gerade Jung-Politikern kann man solche Fehler auch zugestehen. Man kann, nein man muss von ihnen dann aber auch verlangen, dass sie ihren Fehler korrigieren. Im konkreten Fall bedeutet das, dass die beiden ihren Post diskret aus den Kanälen wieder löschen. Tun sie das nicht, machen sie sich zum Steigbügelhalter eines Systems, das auf Rechtsbruch und Sozialversicherungsbetrug ausgelegt ist. Und Politiker, die in einem Rechtsstaat so agieren, haben keinen Anspruch darauf, ein politisches Amt zu bekleiden.
Schluss mit dem falschen Uber-Narrativ. Das gilt für alle Politiker, selbst für diejenigen auf der kleinsten politischen Ebene. jh ar
Beitragsbild: Post von Bündnis 90/Die Grünen aus Solingen









Ja wohl !!! Genau dafür liebe ich Taxi Times
Den beiden möchte ich unsere Münchner Grünen zum Gespräch empfehlen. Hier, wo durch alle Fachleute und quer durch alle Behörden im Sommer das MBE vorbereitet wurde und beschlussfähig vorlag, aber ausgerechnet vom SPD-Oberbürgermeister torpediert wurde, sind die wesentlichen Befürworter die Grünen! Denen ist auf allen Ebenen Rechtsstaatlichkeit einfach wichtiger als scheinheilige ‚Geiz-ist-geil‘ Propaganda von der Lügenschleuder Uber.