Im Namen der Uber-Fahrer in Großbritannien und ganz Europa hat Worker Info Exchange International (WIE International) Uber ein rechtliches Letter Before Action zugestellt. Darin wird das Unternehmen aufgefordert, den Einsatz seiner KI-gesteuerten, dynamischen Vergütungssysteme einzustellen, die seit 2020 zu erheblichen Einkommenseinbußen für die Fahrer geführt haben.
Als Uber am 4. November die Ergebnisse des dritten Quartals vorlegte, wurde deutlich, dass das Unternehmen die Erwartungen beim operativen Gewinn verfehlt hatte und eine verhaltene Prognose für das wichtige Weihnachtsquartal abgeben musste. Die starken Zuwächse bei Fahrten und Essenslieferungen wurden davon überschattet. Uber machte nicht näher benannte „rechtliche und regulatorische Angelegenheiten“ für den schwachen Gewinn verantwortlich. Diese rechtlichen Kosten beliefen sich auf 479 Millionen US-Dollar (414,2 Millionen Euro). Die Aktie fiel am selben Tag um rund acht Prozent, nachdem sie im bisherigen Jahresverlauf bereits um mehr als 60 Prozent gestiegen war.
Nun droht dem Unternehmen ein weiteres Gerichtsverfahren – möglicherweise sogar eine europaweite grenzüberschreitende Sammelklage. Im Namen der Uber-Fahrer in Großbritannien, den Niederlanden und weiteren europäischen Ländern hat Worker Info Exchange International (WIE International) Uber ein rechtliches Letter Before Action zugestellt. Darin wird das Unternehmen aufgefordert, den Einsatz seiner KI-gesteuerten, dynamischen Vergütungssysteme einzustellen, die seit 2020 zu erheblichen Einkommenseinbußen für die Fahrer geführt haben.
Das Schreiben, das sowohl an Uber B.V. in Amsterdam – den europäischen Hauptsitz – als auch an Uber Technologies Inc. in den USA gesendet wurde, legt dar, dass das Unternehmen gegen Datenschutzgesetze verstoßen hat, insbesondere durch den Einsatz automatisierter Entscheidungsprozesse zur Festlegung der Vergütung in Echtzeit mittels des sogenannten Up-Front-Pricing-Systems. Es handelt sich um die erste kollektive Klage in Europa, die sich direkt gegen dynamisch festgelegte, personalisierte Vergütung richtet, die durch algorithmische Entscheidungsfindung bestimmt wird.
Bereits 2023 hatte sich Worker Info Exchange (WIE) gemeinsam mit der britischen App Drivers & Couriers Union (ADCU) im Zusammenhang mit Datenmissbrauch gegen Uber und Ola Cabs vor dem Amsterdamer Gericht engagiert. Dies führte zu einer Reihe wegweisender Urteile an den Amsterdamer Gerichtshöfen. Das Gericht stellte fest, dass Uber und Ola Cabs die Rechte ihrer Fahrer verletzt hatten. Zu den festgestellten Verstößen zählten unter anderem die automatische Entlassung von Fahrern, die Verweigerung des Zugangs zu personenbezogenen Daten sowie der Einsatz automatisierter Entscheidungsprozesse bei der Lohn- und Arbeitsverteilung.
Im Jahr 2020 führte Uber für seine rund 100.000 Fahrer im Vereinigten Königreich eine dynamische Vergütung ein, bei der undurchsichtige Algorithmen die Tarife und Provisionen in Echtzeit festlegen. Das System Up-Front Pricing ersetzte feste Sätze für Zeit, Entfernung und Provisionen durch variable Tarife, die von Ubers Algorithmen gesteuert werden. In der Folge stiegen Ubers Profitabilität und Aktienkurs deutlich, während die Fahrerentgelte drastisch sanken.
Eine in diesem Jahr veröffentlichte Studie*, durchgeführt von der Universität Oxford in Zusammenarbeit mit Worker Info Exchange, kam zu folgenden Ergebnissen:
82 Prozent der Uber-Fahrer im Vereinigten Königreich verdienen pro Stunde weniger, seit die dynamische Vergütung eingeführt wurde.
Die von den Fahrern an Uber gezahlte Provision übersteigt nun häufig 50 Prozent der Fahrpreise, verglichen mit dem früheren festen Satz von 25 Prozent, der vor der Einführung von Up-Front Pricing galt.
Die dynamischen Vergütungsalgorithmen haben die Kontrolle der Fahrer stark eingeschränkt – insbesondere darüber, wann, wo und wie lange sie arbeiten müssen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
WIE International schätzt, dass britische Fahrer im vergangenen Jahr zwischen 8 und 16 Prozent ihres Einkommens verloren haben. Für Fahrer in den Niederlanden dürfte die Lage ähnlich sein.
Diese Ergebnisse weisen auf ein algorithmisches Vergütungsmodell hin, das Tarife personalisiert und Transparenz untergräbt – mit der Folge, dass viele Vollzeitfahrer während ihrer Schichten nach Abzug der Kosten unter dem Mindestlohn verdienen.
Wenn Uber den Forderungen von WIE International, diese Praktiken einzustellen und die betroffenen Fahrer zu entschädigen, nicht nachkommt, beabsichtigt die Organisation, eine Sammelklage vor dem Bezirksgericht Amsterdam nach dem niederländischen Gesetz über kollektiven Rechtsschutz einzureichen. Durch den Beitritt zu dieser kollektiven Klage können sich Fahrer aus dem Vereinigten Königreich, den Niederlanden und weiteren europäischen Ländern zusammenschließen, um das rechtswidrige Verhalten von Uber anzufechten und Entschädigung für ihre Verluste zu verlangen. WIE International untersucht die Vergütungssysteme von Uber in ganz Europa und könnte die Klage künftig auf zusätzliche Länder ausweiten.
„Uber hat künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen genutzt, um zutiefst invasive und ausbeuterische Systeme zur Festlegung der Vergütung einzuführen, die die Lebensgrundlage Tausender Fahrer geschädigt haben“, sagte James Farrar, Direktor von Worker Info Exchange. „Mit dieser Sammelklage wollen wir eine gerechtere Lösung für die Fahrer erreichen und sicherstellen, dass Uber für den durch diese rechtswidrige Nutzung von KI verursachten Schaden finanziell zur Verantwortung gezogen wird. Dieser Fall betrifft nicht nur finanzielle Fairness, Entschädigung und Wiedergutmachung für die Beschäftigten von Uber – es geht darum, transparente, faire und sichere Arbeitsbedingungen für alle Plattformarbeiter zu gewährleisten.“
WIE International behauptet, dass Uber gegen die EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verstoßen hat
– durch die rechtswidrige Nutzung automatisierter Entscheidungsfindung, einschließlich Profiling, innerhalb von Ubers Up-Front-Pricing-Systemen, um Fahrerentgelte dynamisch per Algorithmus festzulegen und dadurch deren Einkommen zu reduzieren.
– durch die Verwendung personenbezogener Daten sowie das Profiling der Fahrer zur Schulung desselben Algorithmus, ohne deren Zustimmung.
– Durch die rechtswidrige Übermittlung von Fahrerdaten aus Europa in die Vereinigten Staaten zwischen August 2021 und November 2023, wodurch personenbezogene Daten dem Risiko unbefugten Zugriffs und staatlicher Überwachung in den USA ausgesetzt wurden.
Falls Uber den Forderungen im Letter Before Action nicht nachkommt, beabsichtigt WIE International, eine Sammelklage vor dem Bezirksgericht Amsterdam einzureichen, um Entschädigung für Einkommensverluste sowie immaterielle Schäden, die auf invasiver Überwachung beruhen, geltend zu machen. Zudem wird WIE International eine Anordnung beantragen, die Uber daran hindert, solche Technologien weiterhin einzusetzen.
WIE International arbeitet mit Fahrern und Gewerkschaften zusammen, um die Teilnahme zu organisieren und sicherzustellen, dass alle berechtigten Fahrer der kollektiven Klage beitreten können. Der Fall wird vollständig durch unabhängige Drittmittel zur Prozessfinanzierung unterstützt, bereitgestellt von Innsworth Capital Limited; teilnehmende Fahrer tragen keine Kosten, bis ihnen eine Entschädigung zugesprochen wird.
Die Stichting WIE International ist eine unabhängige, gemeinnützige Stiftung, die sich für Transparenz und Fairness beim Einsatz von Daten und künstlicher Intelligenz am Arbeitsplatz einsetzt. Sie vertritt Plattformarbeiter in ganz Europa in Fragen des Datenschutzes und der algorithmischen Verantwortlichkeit. wf
*Forschungsreferenz: „Not Even Nice Work If You Can Get It: A Longitudinal Study of Uber’s Algorithmic Pay and Pricing“ — Universität Oxford & Worker Info Exchange, 2025.
Beitragsfoto: Uber-Fahrer in Antwerpen. Foto: Wim Faber









klage hin oder her, die Politiker machen sowieso nichts. und außerdem gewinnt bestimmt Uber als Plattform mit ihren besten Rechtsanwälte der Welt. Aber naja Hoffnung stirbt zuletzt