In kaum einem Bundesland ist das Taxigewerbe gegenüber den sparwütigen Krankenkassen so gut aufgestellt wie in Thüringen. Die Fachvereinigung Personenverkehr im LTV hat auch zu diesem Thema eine brillante Bilanz vorgewiesen. Jetzt wollen auch die Mietwagenplattformen mitmischen.
Bei der diesjährigen Mitgliederversammlung der Fachvereinigung Personenverkehr im Landesverband Thüringen des Verkehrsgewerbes e. V. (LTV) am 15. November hatten der Vorstandsvorsitzende Daniel Schwuchow und Hauptgeschäftsführer Martin Kammer einen Tätigkeitsbericht zu einer Vielzahl von Themen abgegeben, der die Teilnehmer begeisterte. Sogar Ex-BVTM-Präsident Herwig Kollar war nach Erfurt angereist und hatte die Bedeutung des Landesverbandes für den Bundesverband hervorgehoben.
Die Vergütungen für Krankenfahrten orientieren sich am jeweiligen Taxitarif. Was die Krankenkassen betrifft, so Martin Kammer, müsse man immer bis Ende August neue Entgeltforderungen für das Folgejahr einreichen. Die AOK stimmte einer Erhöhung um 15 Prozent zu, sofern die Tarife bis zum 1.1.2026 genehmigt seien. Anderenfalls seien Nachverhandlungen möglich. Bei vdek & Co., wo die Vereinbarung etwas kleinteiliger ist, wurden solche Nachverhandlungen für den Fall zu spät genehmigter Tarife aber abgelehnt. Ein solches Kooperationsgefälle hatte es schon in der Vergangenheit gegeben.

Aufgrund der Verzögerungen beim Inkraftsetzen der Taxitarifordnungen kommt es auch zu Problemen bei den Krankenfahrtenvergütungen. Hintergrund ist die zwischen LTV und den Kassen in den Rahmenverträgen vereinbarte Preisgleitklausel sowie der Stichtag 1.1.2026. Alle Taxitarifordnungen, die sich bis dahin verändert haben, werden bei den Kassenvergütungen berücksichtigt. Der LTV bemüht sich aktuell um eine Sonderregelungen mit den Kassen.
Der LTV arbeite politisch am Erhalt der Krankenfahrten, die auf dem Land 90 Prozent des Umsatzes für manchen Betrieb ausmachen. Die Kassen seien sehr aktiv in ihren Bemühungen, Kosten einzusparen. Kammer bekomme regelmäßig Beschwerden von Taxiunternehmen, dass die Entgelte für Krankenfahrten nicht ausreichen würden. Einige würden gar fordern, Rahmenverträge zu kündigen und auch für Krankenfahrten den Taxitarif anzuwenden. Solchen Forderungen erteilte Kammer eine Absage; man müsse schon realistisch bleiben. In Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen lägen die Entgelte für Einzel- und Serienfahrten um 10 bis 29 Prozent niedriger. Die vergleichsweise hohen, aber gerade so auskömmlichen Vergütungen in Thüringen seien ein Ergebnis der zähen Verhandlungsarbeit des Landesverbandes Thüringen. Dafür erhielt Kammer Beifall.

Uber und Bolt versuchen nun auch in größeren Städten Thüringens, Taxiunternehmer zur Kooperation zu gewinnen. Sie arbeiten mit der Mars Holding GmbH aus Nürnberg zusammen, die unter anderem für Amazon fährt. Neben Uber und Bolt ging Kammer auch explizit auf den Fahrdienst Free Now by Lyft ein, den er als Wolf im Schafspelz darstellte. Die Kooperation einiger Zentralen mit dem Vermittler sieht er skeptisch. Häufig sei es dann kein großer Schritt mehr zu einer Kooperation mit Uber oder Bolt. Er erläuterte den Dumping-Preiskampf aus anderen Großstädten, von dem die Thüringer Unternehmer bislang verschont geblieben sind.
Kammer erläuterte auch die Bedrohung durch die Krankenbeförderungssparte Uber Health und den Free-Now-Partner Qrago. Er nannte mehrere Krankenhäuser in Thüringen, in denen Qrago bereits Fahrten für 1,62 Euro Gebühr pro Auftrag vermittelt. Auch hierbei sei Zusammenhalt (in Form eines Qrago-Boykotts) ein einfaches aber wirksames Gegenmittel.
Zur Irritation sorgte im Verband, dass Unternehmer die Vermittlungsplattform QRaGo „als etwas Positives sehen“, obwohl „längst klar“ sei, dass diese Plattform auch an Free Now by Lyft und an Uber vermittelt. „Zunächst sind es geringe Vermittlungsgebühren und eine scheinbar bessere Auftragsvergabe. Am Ende sind Sie, liebe Mitglieder, abhängig von diesen Plattformen.“

In seinem Rechenschaftsbericht hatte Daniel Schwuchow ebenso erwähnt, dass in Erfurt und Jena Verbandsmitglieder dieses Jahr Kooperationsangebote von Uber erhalten hatten. In Erfurt habe nun die deutschlandweit agierende Mars Holding, die im Auftrag von Bolt befördert, sogar die ersten zehn Mietwagengenehmigungen beantragt.
Ein größerer Erfurter Unternehmer liebäugelt laut Kammer mit dem estnischen Fahrdienst Bolt, der in Großstädten ähnlich aktiv Mietwagen fahren lässt wie Uber. Kammer äußerte Verständnis für die Verlockung, mehr Fahrten zu erhalten, warnte aber erneut davor, dass die Lockangebote mit fünf Prozent Vermittlungsprovision nicht von Dauer seien, sondern bei hoher Marktdurchdringung bald auf bis zu 30 Prozent steigen würden. Dann sei man als Unternehmer von diesen Fahrdiensten abhängig. Er rechnete vor, dass Fahrten dann keinen Gewinn mehr abwerfen, wahrscheinlich sogar nicht einmal die Kosten decken würden.

Wie auch zu vielen anderen Themen beschworen Kammer und Schwuchow die Mitglieder auf eine einfache Formel, den Bedrohungen und falschen Verlockungen zu widerstehen: Einigkeit und Zusammenhalt. Schwuchow warnte, Uber, Bolt und der Krankenfahrtenvermittler Qrago würden „Eure Gewinne mittelfristig komplett einkassieren“. Verband und Mitglieder hätten „die Macht, das zu verhindern, wenn alle zusammenhalten. ar
Fotos: Taxi Times









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