Das Uber-Urteil des Europäischen Gerichtshofes sichert den Gestaltungsspielraum der Gesetzgeber. Wie dieser Spielraum genutzt werden wird, hängt jetzt an politischer Aufklärungsarbeit. Es muss deshalb als letzte Chance für eine Erneuerung des Taxi- und Mietwagengewerbes begriffen werden. Und mit dem Dämpfer für Geschäftsmodelle wie UberPOP hat es auch eine wichtige gesellschaftliche Dimension.
Der Vermittler von gewerblich betriebener Personenbeförderung ist ein Verkehrsdienstleister und muss sich den Regeln gewerblicher Verkehre unterwerfen. Ein anderes Urteil wäre unsinnig gewesen – so versteht es jeder Angehöriger des Taxigewerbes sofort. Die Grundidee von UberPOP ist in der EU damit erst mal auf Eis gelegt – bis zur Änderung der nationalen Gesetze. Und Uber selber ist damit auch nicht tot. Noch sind es seine Nachahmer oder Konkurrenten, die gleichzeitig an Anzahl und Macht zunehmen, allen voran Daimler oder Didi Chuxing. Und alle andere Probleme des Gewerbes existieren außerdem weiter.
„Dieses Urteil wird nichts ändern“
Wäre das Urteil anders ausgefallen, könnte der professionellen Personentransport ohne Weiteres gegen einen Dienst eingetauscht werden, der von Menschen ohne Ortskenntnis, die zum letzten mal vielleicht vor 40 Jahren einen Augenarzt oder Verkehrsmediziner getroffen haben, die über wenig Fahrpraxis oder Übung im Umgang mit Kunden verfügen, die vielleicht kriminell oder gewalttätig sind, in schlecht gewarteten, unter- oder gar nicht versicherten Privatwagen durchgeführt würde, in Autos und von Fahrern, dessen tatsächliche Identität im Falle des Falles gar nicht zurückverfolgt werden kann (oder Ermittlungen dank eines verantwortungslosen Handelns des Vermittlers, wie in Großbritannien geschehen, erschwert wird) . Jeder Taxler, der mehr als zwei Schichten absolviert hat, versteht sofort, warum das keine gute Idee ist.
Das versteht jedoch bedauerlicherweise noch längst nicht jeder Kunde, geschweige denn Politiker, denn wenn der Preis sinkt, freut sich der Mensch. Oder etwa nicht?
Uber:
„Dieses Urteil wird in den meisten EU-Ländern, in denen wir bereits unter den Beförderungsgesetzen operieren, nichts ändern.“
Hoppla! Habe ich da etwas nicht mitbekommen? Es gibt also Länder, in denen Uber die Gesetze einhält? Man möge sie mir bitte zeigen.
In Deutschland, und in allen anderen Ländern, sind es Mietwagenkonzessionen, mit denen Uber noch operieren kann, auf die hier angespielt wird. Für sie gelten in den meisten Ländern aber ähnliche Regeln wie in Deutschland. Und eben diese Regeln werden nach-wie-vor gebrochen, wie zum Beispiel die Rückkehrpflicht für Mietwagen.
Nun können Taxi-Unternehmer natürlich mit diesem höchstrichterlichen Urteil optimistisch auf die noch anhängigen Klagen schauen. Mit der Rückkehrpflicht wird das Geschäft unwirtschaftlicher – es ist nicht anzunehmen, dass die Konzerne sich damit kampflos abfinden werden. Nehmen wir diesmal Uber beim Wort: Es wird sich nichts ändern. Sie werden weiterhin versuchen, die rechtliche Verantwortung dafür auf ihre Fahrer oder angeschlossenen Unternehmen abzuwälzen und ihre App weiterlaufen lassen – „integraler Bestandteil“, wie das Urteil die Plattform einstuft, hin oder her. Das wird also der Stand der Dinge in Sachen Uber sein.
Erneuerungen wichtiger denn je
Kunden und Politiker dürften aber wohl nicht verstehen, warum Taxis hier ein Privileg haben, und warum zwischen Mietwagen und Taxi unterschieden wird, so dass Ubers Schüsse gegen das Personenbeförderungsgesetz oder seine Entsprechungen anderer Länder auf einen dünnen Panzer treffen werden. Und nicht nur Uber möchte den Markt deregulieren. Eine Liberalisierung würde auch Daimler, DiDi Chuxing oder anderen globalen Giganten nutzen. Mit konzerninternen Quersubventionen finanzieren ihre Betreiber vergünstigte Angebote, wie zum Beispiel Flotten von Kleinbussen als Sammeltaxis, und könnten einen Bedarf erzeugen, der Gesetzesänderungen erzwingt.
Hier wird weitere Aufklärungsarbeit notwendig sein, denn Uber wird seine Lobbyarbeit auch weiterhin unverändert weiter und eine Änderung der Gesetze zu ihren Gunsten herbeiführen wollen. Das heißt auch, dass das Taxigewerbe unverändert an Reformen der Gesetze mitarbeiten muss. Ganz konkrete Hinweise dafür gab der Jurist Prof. Dr. Matthias Knauff den Delegierten des BZP. Man kann nur hoffen, dass sie bereits an einer Umsetzung arbeiten. Er steht damit nicht alleine. Aus der Deregulierung des europäischen Frachtverkehrs solle das Taxi- und Mietwagengewerbe Lehren ziehen, meint Unternehmensberater und Logistikexperte Siegfried W. Kerler: Die Speditionen hätten sich zu lange Reformen verweigert. Das Ergebnis war die radikale Liberalisierung.
Aber auch die technische Entwicklung des Taxigewerbes muss beschleunigt werden. Flotten, die von großen Gesellschaften geleitet werden, können wirtschaftlicher operieren, weil sie die Auslastung steuern können. Moovel und Sammeltaxi-Anbieter schießen wie Pilze aus dem Boden, und sie kommen sogar mit Elektrofahrzeugen. Uber EATS hat vierstellige Wachstumsraten. Urteil hin- oder her, diese Dienste sind legal.
Das Taxigewerbe als Spezialist des Gelegenheitsverkehrs muss diese Geschäftsfelder zurückerobern, sich technologisch erneuern und Strategien für eine höhere Auslastung entwickeln, denn sonst droht es, mit oder ohne Urteil, abgehängt zu werden. Denn im Ist-Zustand muss man der bitteren Wahrheit ins Auge sehen: Symptomatisch für den Zustand des Taxigewerbes ist beispielsweise der Streit um die Laderechte vom Flughafen Tegel oder Mietwagen, die ganz ungeniert auf Laufkundschaft warten, Streit um Taxi-Tarife, derer wir einen unübersichtlichen Flickenteppich haben, oder eine Vielzahl kleiner bis kleinster Taxi-Apps, am besten noch ohne Payment-Funktionen oder Unternehmer, die keine Kreditkarten annehmen. Von der wirtschaftlichen Situation, steuerlichen Ehrlichkeit, von der Außenwirkung und von der Preissicherheit für den Kunden mal ganz zu schweigen. So macht man sich zum leichten Ziel.
Der arbeitsrechtliche Aspekt
Aufklärungsarbeit sei es auch in der Schweiz gewesen, was UberPOP seine Machenschaften madig machte, sagte Christoph Wieland, Fachgruppen Präsident von TaxiSuisse. Aber Uber wird UberPOP erst ab nächsten Sommer nicht mehr anbieten, obwohl die Fahrer sich jetzt schon strafbar machen. Das ist in etwa so, als würde ein betrunkener Fahrer zum Polizisten bei der Vekehrskontrolle sagen: „Ich weiß, dass ich besoffen nicht fahren darf, deswegen fahre ich immer direkt nach hause, wenn ich zu viel getrunken habe.“
Gleichzeitig wird dennoch in der Politik eifrig mit den Taxigesetzen herum gespielt. Und das gilt leider auch für Deutschland oder Österreich. Immer wieder gibt es Vorstöße und Fürsprachen für das Heilsversprechen eines omnipotenten, deregulierten Marktes, in dem sich wie von Gottes unsichtbarer Hand gesteuert alles zum Guten wenden wird.
Das Beispiel Schweiz zeigt aber noch etwas ganz anderes. Die Schweizerische Unfallversicherung SUVA ficht unablässig einen Kampf für die Sozialsysteme. Taxizentralen müsste ihrer Meinung nach für ihre Fahrer Sozialversicherungsbeiträge abführen. Uber müsse das auch, denn in Wahrheit seien die Fahrer abhängig Beschäftigte und keine Selbstständigen. Die Bewertung Ubers (und ähnlicher Plattformen) als „integraler Bestandteil einer Gesamtdienstleistung, die hauptsächlich aus einer Verkehrsdienstleistung besteht“ könnte arbeits- und sozialrechtlich zu einer Klärung dieser Grundsatzfrage der Gig-Economy beitragen. Uber wird mit dem Urteil und der Einschätzung der SUVA vom Makler zum Arbeitgeber.
Arbeitsrechtliche Klagen sind zum Beispiel in Großbritannien anhängig, wo Fahrer erfolgreich feststellen ließen, dass Uber seine Fahrer wie Angestellte behandeln muss, und ihnen bezahlten Urlaub und Sozialversicherung gewähren muss. In den USA ist Uber schon längst für ein Synonym für die „Gig-Economy“ geworden, eine Art neue Daseinsform für Arbeitslose oder „Unterbeschäftigte“, bei der sich Menschen von Auftrag zu Auftrag hangeln in der Hoffnung, am Ende genug Geld zum Überleben verdient zu haben und ohne einen Anspruch auf einen Mindestlohne, weil sie ja „Selbstständige“ sind („gig“ heißt zu Deutsch „[Bühnen-] Auftritt“).
Gesellschaftliche Grundsatzentscheidung
Weil Uber besonders viele Menschen in diese prekären Verhaltnisse zog, kamen andere Anbieter hinterher – denn das Einkommen, das die Menschen mit dem Laien-Taxi verdienen, reicht hinten und vorne nicht. So sind sie gezwungen, weitere „Gigs“ anzunehmen, denn geregelte Arbeitszeiten sind mit Uber schlecht vereinbar. Um die Arbeitszeiten eines Auftraggebers müssen die des anderen herumgruppiert werden. Auch Amazon zum Beispiel gliedert seine Paketzustellung auf die Gig-Economy aus. Uber-Fahrer können sich per App um Paketrouten bewerben. Ähnliche Plattformen gibt es für Handwerker, Putzkräfte oder Hilfskräfte. Mit unrealistischen Verdienstversprechen, für die Uber bereits verklagt wurde, wird ein Heer allzeit verfügbarer Niedriglöhner ohne arbeitsrechtliche Ansprüche aufgebaut.
Dieses amerikanische Szenario ist vorerst für Europa dank dieses Urteils, das den Vorreiter Uber beschränkt, ein wenig weiter weg gerückt. Solche schwerwiegende Entscheidungen sollten Gerichtshöfe auch nicht treffen können. Konsequent hat der EuGH die Verantwortung direkt an die Akteure vor Ort zurückgegeben, indem er den Gestaltungsspielraum nationaler oder lokaler Gesetzgeber gegenüber Uber als Vorreiter der Gig-Economy sicherte. Wie dieser Spielraum ausgestaltet wird, hängt jetzt auch von der Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit der Interessenverbände ab. prh
Mit diesem Wochenkommentar verabschieden wir uns in die Weihnachtstage. Das Taxi Times Team wünscht allen Leserinnen und Lesern frohe Weihnachten. Ab 27.12. geht es hier mit weiteren aktuellen Nachrichten weiter.
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Gut gesprochen, und auf punkt gebracht. gig economy : effektive Sklaverei“ dank app’s von uber und co. ….