Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hatte die AOK Hessen kürzlich zu mehr Transparenz bezüglich der Vergütung von Liegend- und Tragestuhlfahrten verurteilt. Damit die Vorteile dieser Transparenz zum Tragen kommen, hat der Fachverband Pkw-Verkehr Hessen seine Mitglieder zum proaktiven Handeln aufgerufen – mit durchschlagendem Erfolg.
Taxi ist wertvoll, unter anderem, weil manche Betriebe ihre Beförderungen auch für Liegendkranke anbieten. In einem flammenden Aufruf wendet sich der Geschäftsführer Mathias Hörning vom Fachverband Pkw-Verkehr Hessen e. V. (FPH) aktuell an all jene Taxi- und Mietwagenunternehmen in seinem Fachverband, die Liegend- und Tragestuhlbeförderungen durchführen. Sie werden seit rund drei Wochen aufgefordert, „jetzt gemeinsam für Fairness und Transparenz bei der AOK zu handeln.“ Er erklärt die eingeforderte Offenlegungspflicht der Vergütungen speziell durch die AOK wie folgt: „Nahezu alle gesetzlichen Krankenkassen – mit Ausnahme der AOK und der Knappschaft – vergüten Liegendkrankenfahrten und Tragestuhltransporte heute transparent und einheitlich über Rahmenverträge des Fachverbandes. Nun ist es Zeit, auch bei der AOK Hessen und der Knappschaft die gleichen Standards durchzusetzen und dafür brauchen wir jetzt Euch alle.“
Anlass für die aktuelle Forderung ist die Tatsache, dass ein langjähriger Partner des Fachverbands erfolgreich gegen die AOK geklagt hatte, denn das Verwaltungsgericht Wiesbaden (VG) hatte entschieden: Auch die AOK muss ihre Preise im Bereich Liegend-/Tragestuhlfahrten anonymisiert offenlegen (Taxi Times berichtete). Hörning dazu: „Das Urteil ist ein Wendepunkt, denn es entlarvt die seit Jahren praktizierte Intransparenz: die Vergütungen schwanken hier ohne nachvollziehbare Gründe teils um mehr als 50 Prozent.“
Hörning weiter: „Mit der Offenlegung dieser Preislisten können wir Preisdumping nachweisen, faire Vergütungen fordern und politischen wie öffentlichen Druck aufbauen.“
Vorher aber ist es wichtig, dass die Unternehmer proaktiv agieren, denn die AOK hat den Vergütungsvereinbarungen, die mit den Beförderern im Liegendtransport- und Tragestuhlsegment abgeschlossen wurden, stillschweigend eine Klausel beigefügt, welche die Verschwiegenheit der Vertragspartner über diese Vergütungsvereinbarungen festlegt. Um diese Verschwiegenheitsklausel möglichst für jeden einzelnen Vertrag aufzuheben, muss auch jedes einzelne FPH-Mitglied dieser Vereinbarung aktiv widersprechen. Hörning dazu: „Je mehr Unternehmen die anonymisierte Preisfreigabe erlauben, desto größer wird unsere Wirkung. Schon fast die Hälfte der Liegend-/Tragestuhlunternehmen im Verband haben mitgemacht, doch wir brauchen 100 Prozent.“
Die AOK hat nach FPH-Angaben 255 Vertragspartner in Hessen im Bereich Liegend-/Tragestuhl, darunter auch große Hilfsorganisationen. Der entscheidende Vorteil für den FPH als Initiator der Aktion ist dabei, dass über 1.000 Fahrzeuge in diesem Bereich zu Mitgliedsunternehmen des Fachverbands gehören, denn fast alle privaten Liegend- und Tragestuhlfirmen in Hessen sind im Fachverband organisiert. Mit diesem außergewöhnlichen Organisationsgrad sei man das Rückgrat der Versorgung: „Die AOK braucht uns!“ sagt Hörning.
Bisher versuche die AOK trotz der klaren Niederlage vor dem VG Wiesbaden noch weiterhin, mit Intransparenz und vertraglichen Verschwiegenheitsklauseln Niedrigstpreise durchzusetzen, berichtet Hörning, Diese Preise seien nicht auskömmlich und gefährdeten auf Dauer die Qualität der Beförderungen. Nur mit offengelegten Preisvereinbarungen seien hier echte Veränderung zu erreichen, denn erst wenn die AOK gezwungen sei, transparent zu verhandeln, werde sie ihre Vertragspartner wohl ernst nehmen und endlich fair vergüten.
Hörning hat seinem Aufruf auch gleich einen Entwurf für deren Widerspruch gegen die stillschweigend eingeführte Verschwiegenheitsklausel beigefügt, mit der seine Mitglieder dann im Ergebnis Auskunft über die aktuell geltenden Entgeltvereinbarungen im Bereich Liegendkrankenfahrten und Tragestuhltransporten einfordern können. Unter Angabe der IK-Nummer werden die FPH-Unternehmen gebeten, sich explizit mit der Offenlegung/Preisgabe einverstanden zu erklären: „Wir erteilen der AOK Hessen ausdrücklich unsere Zustimmung, Auskünfte über den Inhalt unserer derzeit gültigen AOK-Entgeltvereinbarung hinsichtlich der Leistung „Durchführung von Liegendkrankenfahrten und Tragestuhltransporten im Rahmen des Personenbeförderungsgesetzes in Hessen“ in anonymisierter Form zu erteilen. Bitte bestätigen Sie uns den Eingang unseres Schreibens zeitnah, spätestens jedoch bis zum 15.08.2025.“
Die FPH lässt sich die von den Mitgliedern unterschriebene Erklärung an die Verbandsgeschäftsstelle mailen und wird diese dann als Gesamtpaket an die AOK schicken. Nahezu täglich werden die Mitglieder von Hörning informiert, wie viele bereits von der Verschwiegenheitsklausel zurückgetreten sind.
Gleichzeitig lädt der FPH die Unternehmen zu seiner Mitgliederversammlung am 15. November 2025 in die Stadthalle Baunatal ein. Hier sei auch der Kläger im Verfahren vor dem VG Wiesbaden anwesend und werde dort über die Klage und den weiteren Weg berichten. Der Aufruf des FPH, der Taxi Times vorliegt, verweist dann zu guter Letzt noch auf die Entwicklung des Mindestlohns, der nach Vorschlag der Mindestlohnkommission Anfang 2027 auf 14,60 Euro steigen soll.
Hörning abschließend in seinem flammenden Appell: „Damit ihr Eure Mitarbeitenden fair bezahlen könnt, müssen Eure Vergütungen steigen. Ohne Transparenz gibt es keine Grundlage für faire Verhandlungen. Bis dahin kommt es jetzt auf Euch an! Lasst uns diese historische Chance nutzen und gemeinsam für gerechte AOK-Vergütungen und für die Zukunft unserer Branche einstehen!“
Dass der Verbandschef mit diesem Appell den Nerv seiner Mitglieder trifft, zeigt die Rücklaufquote: Zum Stand dieser Meldung (21.7.25) haben bereits 137 FPH-Mitgliedsunternehmen die AOK von der Verschwiegenheitsklausel entbunden. rw
Beitragsfoto: Remmer Witte








