Mehreren Studien und Experten zufolge könnten sich autonome Fahrzeuge erst wesentlich später durchsetzen, als von der Industrie – zum Beispiel von Tesla – propagiert. Die Rede ist von 2050, und die Gründe für die langsame Entwicklung sind nicht nur im „Gesetzesrahmen“ zu suchen, sondern auch in der Interaktion zwischen Mensch und Roboter.
Marktforscher erwarten einen deutlich geringeren Absatz, als die Werbung der Konzerne vermuten lässt: 2040 rechnet ‚IHS Markit‘ mit nur 5,5 Millionen verkauften autonomen Fahrzeugen in ganz Europa, schreibt die ‚Gründerszene‘. 2017 wurden dreimal mehr PKW in der EU verkauft. Für USA und China prognostizieren sie höhere Zahlen.
Automatisierte Kleinbusse surren hie und dort bereits vor sich hin, aber mehr als Touristenattraktion als Verkehrsmittel. Sie fahren schon heute sicher, und zwar mit geringen Geschwindigkeiten und in abgesicherten Umgebungen. Die praktische Erprobung der technischen Konzepte im Realbetrieb hat in den USA jedoch enorme Probleme offenbart, davon zeugt die Vielzahl der Unglücke, die trotz „Sicherheitsfahrer an Bord“ und trotz Idealbedingungen passierten.
Besonders tragisch war der Fall in Tempe, Arizona, wo eine Frau in einem leicht vermeidbaren Unfall von einem Roboter-Wagen getötet wurde. Dort in der Wüste mit stabilen Wetterverhältnissen fahren die Automaten in begrenzten Gebieten, in denen, ganz anders als in europäischen Dörfern und Städten, spielende Kinder, Fußgänger und Radfahrer quasi nicht existent sind. Eine schneebedeckte Straße erkennt das System nicht mehr zuverlässig und selbst eine einzelne Schneeflocken verwirrt es genau so wie umher wirbelndes Herbstlaub.
Genauso wenig können die Computerprogramme menschliches Verhalten antizipieren: Wird der Fußgänger eilig über die Straße zur Bushaltestelle laufen, der Fahrradfahrer noch schnell trotz Rotlicht über die Ampel huschen? In der Umsetzung im Straßenverkehr hapert es nämlich insbesondere an der Interaktion zwischen Menschen und den selbstfahrenden Maschinen, fand Prof. Dr. Lieselot Vanhaverbeke von der Universität Brüssel heraus. Nicht ohne Grund testete Mercedes-Benz seine teil-autonome S-Klasse zwei Monate lang in Südafrika, wo jährlich über 5.000 Fußgänger überfahren werden. Ergebnisse wurden nicht veröffentlicht. Und die Menschen vertrauen den Robotern als Verkehrsteilnehmer umgekehrt nicht, vor allem, weil diese nicht mit ihrer Umwelt kommunizieren können. Reihenweise Missverständnisse verflüssigen den Verkehr natürlich nicht, und deswegen hatte Uber das Notbremssystem in dem verunglückten Fahrroboter von Tempe auch deaktiviert. Mit tödlichem Ausgang. Vanhaverbeke schätzt, dass Fahrroboter (vollständig autonomes Fahren des Level 5) womöglich erst 2080 technisch ausgereift sind.
In Europa nicht vor 2050
Ferdinand Dudenhöffer, Professor für Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen, ist laut Gründerszene der Meinung, dass autonome Fahrzeuge sich als Verkehrsmittel in Europa wohl nicht vor 2050 durchsetzen werden. In China könnte das bereits 2030 der Fall sein. Er sieht vor allem die Infrastruktur als Problem: autonome Fahrzeuge benötigen flächendeckend eine mobile Datenübertragung nach dem 5G-Mobilfunk-Standard. Dudenhöffer: „Das werden wir nie schaffen.“
Die Unternehmensberatung KPMG befragte 907 „Auto-Manager“ und kommt zu dem Schluss, dass zwar ein funktionierender Gesetzesrahmen bis 2040 möglich sei, zitiert die Gründerszene ohne zu erwähnen, von welchen nationalen Gesetzgebungen hier die Rede ist. Sie sehen aber, ähnlich wie Professor Vanhaverbeke, Hindernisse im „Mischverkehr“ von Automaten und Menschen. Bosch entwickelt derzeit eine digitale Kommunikation zwischen Fahrzeugen, aber noch handelt es sich um begrenzte Versuche. Sinn machen solche Systeme erst, wenn die Mehrzahl der Fahrzeuge eine solche Möglichkeit hat und so Unfälle und sogar Staus vermieden werden können.
Aber nicht nur das: Ein automatisiertes Verkehrsgeschehen erfordert letztendlich auch Infrastruktur, sprich: hohe Investitionen des Staates. In Hamburg wird jetzt zum Beispiel getestet, wie Ampeln, gesteuert vom Verkehrsrechner, mit Autos kommunizieren können, um den Verkehr flüssiger und umweltschonender zu machen. Zur zeit scheint es mangels existierender Standards und letztlich auch angesichts der Kosten ausgeschlossen, dass solche Konzepte in absehbarer Zukunft zum Alltag gehören werden. prh
Symbolfoto: Luis Villa del Campo, Lizenz: CC BY 2.0
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