Seit dieser Woche fahren in der Gemeinde Ettlingen am Karlsruher Stadtrand sogenannte On-Demand-Shuttle. Zum Einsatz kommen dabei Fahrzeuge des dortigen Taxiunternehmens Holl AG.
Jeden Abend zwischen 18 und 1 Uhr und jeden Sonntag ganztägig können Kunden der Verkehrsgesellschaft KVV (Karlsruher Verkehrsverbund) über die gleichnamige Mobil-App einen elektrisch betriebenen Mini-Bus bestellen und bezahlen. Die als „MyShuttle“ definierten Fahrzeuge fahren nicht nach einem festen Fahrplan, sondern sie bedienen nach Bedarf (on demand) rund 250 virtuelle Start- und Zielpunkte innerhalb der Kernstadt Ettlingen. Bis Ende 2020 werde die zum Landkreis Karlsruhe zählende Ortschaft als Reallabor für den neuen Service dienen, verkündete das Unternehmen während einer Presseveranstaltung, an der neben dem KVV auch Politiker des Landkreises Karlsruhe, der Stadt Ettlingen, Vertreter der DB Südwestbus, der Taxiunternehmer Dirk Holl sowie die Daimler-Tochter Reach Now teilgenommen haben.
Die Letztgenannten sind aktuell noch als „Moovel“ unterwegs und bringen bei diesem Projekt die Software ein. Holl stellt die Fahrzeuge (drei London-Taxis) und das Personal. Eine Schnittstelle zur FMS-App (taxi.eu) ist nicht vorhanden, in den drei MyShuttles bekommen die Fahrer die Abholadressen über eine separate App übermittelt. Diese Vermittlung läuft automatisiert direkt über die App, über die der Kunde eine Fahrtanfrage von seinem jeweiligen aktuellen Standort zu seinem gewünschten Zielpunkt stellt. Die rund 250 hinterlegten virtuellen Haltestellen beinhalten sämtliche Bushaltestellen in der Kernstadt Ettlingen und viele weitere fest definierte Punkte.
Sofern aktuell – das bedeutet innerhalb der nächsten 20 Minuten – ein Fahrzeug verfügbar ist, bekommt der Kunde „MyShuttle“ angeboten. Angezeigt werden dann die Fußwegroute zur nächsten virtuellen Haltestelle, die Abholzeit und das Fahrzeugkennzeichen des „MyShuttle“. Liegt der Zielort nicht unmittelbar an einer virtuellen Haltestelle, werden auch die letzten Meter bis dorthin auf einem Plan angezeigt. Sobald der Kunde die Fahrt für sich alleine oder für mehrere Fahrgäste bucht, erhält der Fahrer eines „MyShuttles“ einen Auftrag, ebenfalls per App. „Unsere Applikation ist so intelligent, dass sie Fahrtanfragen mit ähnlichen Fahrwegen verknüpft und aus der Kombination die einfachste und schnellste Route erstellt“, erklärt Ulrich Edelmann das System. Er ist Chief Strategy Officer bei moovel.
Der KVV betrachtet das Zusatzangebot, das bis Ende Juli sogar kostenlos angeboten werden soll und ab dann zum Preis eines Einzelverbundtickets abgerufen wird, als „weiteren entscheidenden Schritt vom Verkehrs- hin zum Mobilitätsverbund.“ Freudige Worte kommen auch aus der Politik: „On-Demand-Verkehre eröffnen eine neue Dimension beim öffentlichen Personennahverkehr und sorgen für noch mehr und noch attraktivere Mobilität“, sagte Landrat Dr. Schnaudigel.
„On-Demand-Angebote sind für mich ein wichtiger Bestandteil auf dem Weg zur Smart-City und die richtige Antwort auf die Probleme des Klimawandels. Es ist toll, dass das erste Angebot dieser Art im KVV-Gebiet in Ettlingen getestet wird. ,MyShuttle‘ ist die perfekte Ergänzung und Erweiterung unseres guten ÖPNV-Angebots“, blickt auch Ettlingens Oberbürgermeister Johannes Arnold positiv in die Zukunft. jh
Anmerkung der Redaktion: Mit kostenlosen Angeboten bzw. später zum Preis eines Einzeltickets dürfte sich der KVV selbst kannibalisieren. Vielleicht hofft die Gemeinde auch, damit unrentable Linienbusse einzusparen. Noch fahren beide Verkehrsarten parallel. Die Holl AG, die mit ihrer Umfirmierung vor einigen Monaten zur Aktiengesellschaft auch den Namen Taxi aus der Firmierung und dem Logo entfernt hat, konnte bei seinem Preisangebot keine Mischkalkulation zugrunde legen, weil das vorgeschriebene Branding der Fahrzeuge einen Einsatz als Taxi außerhalb der Betriebszeiten nicht ermöglicht.
Genau darin liegt allerdings das Einsparpotenzial für die Kommunen – ebenso wie beim Einsatz der Technik. Recherchen von Taxi Times haben ergeben, dass allein für die „Implementierung“ (womit wahrscheinlich die Software gemeint ist) rund eine halbe Million Euro bezahlt wird. Das fatale an der Ettlinger Konstellation ist: Eine Software, die mehrere Anrufer bedarfsgerecht zusammenführt und sammelt, hat auch FMS entwickelt, jenes System, das beim Unternehmen Holl sowieso eingesetzt wird. Warum wird hier also für eine horrende Summe ein dritter Anbieter eingekauft?
Das Taxi kann als Problemlöser bei On-Demand-Angeboten Ansprechpartner Nummer eins sein und hat preislich gegenüber den neuen Mobilitätsanbietern einen großen Vorsprung. Zum einen, weil sowohl auf eine vorhandene Hardware (Fahrzeuge) wie auch auf eine vorhandene Software zurückgegriffen werden kann. Wenn Kommunen allerdings wie in diesem Fall auf ein eigenes Branding nicht verzichten wollen und keine Software-Preise vergleichen, wird ein solches Pilotprojekt viel teurer, als es eigentlich notwendig wäre. Das wäre eigentlich ein Fall für den Landesrechnungshof. jh
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