Im Berliner Abgeordnetenhauses debattierte Ende Januar der Verkehrsausschuss zum Thema Mindestfahrpreise für Mietwagen. Wir berichten in sechs Teilen.
Auftakt: Land Berlin geht nächsten Schritt zur Eindämmung der Mietwagen-Kriminalität
Teil 1: Die Debatte und der (abgelehnte) Antrag zur Änderung des (angenommenen) Antrags
Teil 2: Drei Juristen, zwei Meinungen
Teil 3: Antrag im Plenum durchgewinkt
Teil 4: In der IHK hat sich der Wind gedreht
Teil 5: Eine Behördenleiterin räumt auf
Teil 6: Behörden sind zusammen schlagkräftig
Im zweiten der sechs Teile geht es um die Meinungen von Juristen zur Möglichkeit der zeitnahen Einführung von Mindestfahrpreisen unter Berücksichtigung des EU-Rechts.
Die juristischen Aspekte waren der Knackpunkt bei den Redebeiträgen im Ausschuss für Mobilität und Verkehr des Berliner Abgeordnetenhauses am 29. Januar. Zur Debatte waren mehrere Experten geladen, darunter Herwig Kollar aus Frankfurt am Main, Präsident des Bundesverbandes Taxi und Mietwagen e. V. (BVTM) und einer der führenden deutschen Spezialisten für Personenbeförderungsrecht. Doch auch im Verkehrsausschuss des Abgeordnetenhauses sitzt ein Jurist: Der Berliner Rolf Wiedenhaupt saß von 1985 bis 1995 für die CDU im Abgeordnetenhaus. Heute vertritt er dort den Wahlkreis Berlin-Reinickendorf 2 als stellvertretender Fraktionsvorsitzender und verkehrspolitischer Sprecher der AfD.

Auf der Internetseite des Berliner Abgeordnetenhauses wird erklärt: „In den Ausschüssen wird eine inhaltliche Detaildiskussion geführt, d. h. die eigentliche parlamentarische Sacharbeit geleistet. Ein Ausschuss kann außerdem jederzeit verlangen, dass das zuständige Senatsmitglied […] vor dem Ausschuss erscheint und Auskunft erteilt.“ Das zuständige Senatsmitglied für den Ausschuss für Mobilität und Verkehr ist Ute Bonde (CDU), die Senatorin für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt, die zwar selbst kein Mitglied des Abgeordnetenhauses ist, zu der Debatte aber geladen und damit die dritte Person mit juristischem Hochschulabschluss war.
Grundlage der Anhörung war der „dringliche Antrag“ der Koalitionsfraktionen (CDU und SPD) auf Einführung von Mindestbeförderungsentgelten für Mietwagen, dessen erste Lesung Teil der Plenarsitzung am 19. Dezember gewesen war. Der Bundesverband Taxi und Mietwagen e. V. (BVTM) hatte die Initiative der SPD, die die CDU ins Boot geholt hatte, voll unterstützt.

Rolf Wiedenhaupt, der auf seiner Internetseite schreibt, ein zentraler Punkt seiner Agenda sei der Ausbau des ÖPNV ohne Vernachlässigung des Individualverkehrs und nur ein attraktiver Personennahverkehr werde Menschen freiwillig überzeugen, den Bus oder die Bahn zu benutzen, verwies eingangs darauf, dass seine Fraktion die Einführung der Festpreise unterstützt habe. Nun ziehe die Einführung des Mindesttarifs für Mietwagen sich viel zu lange hin. Als Jurist wisse er, dass es immer 20 Meinungen geben werde, egal, wie lange man noch prüfe. Er forderte, die Mindestpreise für Mietwagen schneller einzuführen.

In die gleiche Richtung gehen die Forderungen von Tino Schopf (SPD) und Kristian Ronneburg (Linke), die sich – mal in der Koalition, mal in der Opposition – seit Jahren für das Taxigewerbe einsetzen. Ronneburg kündigte die vorbehaltlose Zustimmung seiner Fraktion zum dringlichen SPD-CDU-Antrag mit Schopfs Handschrift an und forderte sogar, der Antrag müssee beim Punkt Mindestentgelte für Mietwagen weiter gehen als von den Koalitionsfraktionen formuliert. Mittlerweile habe der Senat viele Gerichtsurteile und Gutachten an der Hand, was die eingeladenen Experten sicherlich erläutern könnten.

Daher beantrage seine Fraktion, in der zur Abstimmung stehenden Aufforderung an den Senat solle die „Prüfung“ der Einführung eines Mindesttarifs mit dem Attribut „zeitnah“ ergänzt werden, außerdem solle die überfällige Einführung „dann ggf. auch präventiv beim hinreichenden Verdacht, dass ansonsten eine Gefährdung öffentlicher Verkehrsinteressen bestünde, umgesetzt werden.“ Dafür sprächen die Ausführungen des Leipziger Urteils. Um es vorweg zu nehmen: Während die Opposition, also AfD, Grüne und Linke, für diese Änderung stimmte, wurde sie mit der Koalitionsmehrheit von CDU und SPD abgelehnt.
Die aus Aachen stammende Ute Bonde, die als Betriebswirtschafts- und Schienenverkehrsexpertin vor ihrem Amtsantritt als Berliner Verkehrssenatorin wenig Berührungspunkte mit dem Taxigewerbe hatte, verwies darauf, dass beim Thema Taxi und Mietwagen zahlreiche Akteure miteinander arbeiten müssen, und sprach unter anderem der Direktorin des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO), also der Berliner Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde, Kirsten Dreher, und dem Leiter des Hauptzollamtes Berlin, Axel Osmenda, ihre Anerkennung aus.

Die Einführung von Festpreisen im Taxitarif sei trotz gewisser Probleme ein Erfolg, so Bonde. Hinsichtlich der Mindestpreise für Mietwagen sei ihre Verwaltung bei der Prüfung „nach wie vor engagiert dabei“. Zum Leipziger Urteil merkte die Juristin allerdings an, es habe sich nicht mit der Fragestellung der europäischen Niederlassungsfreiheit beschäftigt (die aber in Berlin vor der Einführung eines Mindesttarifs intensiv geprüft werden müsse), sondern nur mit Fragen des nationalen Rechts. Kein Berliner Gericht sei an das Leipziger Urteil rechtlich gebunden, doch sei es wegweisend, um Mindestpreise rechtssicher einführen zu können. Man müsse daher erst noch weiter prüfen.
Rechtsanwalt Herwig Kollar, der als einziger geladener Experte seinen Vortrag mit einer anschaulichen visuellen Präsentation unterlegte (siehe Abbildungen), gab zunächst einen historischen Kurzabriss über den Markteintritt und die Aktivitäten der Plattformvermittler in Deutschland. Dabei zitierte er eine Aussage, mit der das Bundesverfassungsgericht bereits 1989 vor einer Untergrabung der Wettbewerbsfähigkeit des Taxigewerbes durch Mietwagen im Fall von nicht tarifgebundenem taxigleichen Verkehr durch Mietwagen warnte (siehe Teil 1).
Beim Punkt EU-Recht äußerte Kollar eine andere Ansicht als Senatorin Bonde: „Die rechtlichen Zweifel, die geäußert wurden, sind durch das Verwaltungsgericht in Leipzig weitgehend widerlegt worden. Es gibt auch einen Hinweis auf EU-Recht, aber das war in der Tat nicht entscheidungserheblich für dieses Urteil. Die vom Verwaltungsgericht geforderten tatsächlichen Voraussetzungen für die Festsetzung von Mindestentgelten liegen in Berlin vor.“ Aus seiner Sicht gehe es in Berlin nicht mehr um das Ob, sondern um das Wie.
Nach den Ansprachen der Politiker und der Anhörung der Experten kam die Phase der Fragen (von Politikern) und Antworten (von Experten und Politikern).
Rolf Wiedenhaupt wandte sich an die Senatorin, er könne nicht nachvollziehen, warum die Einführung des Mindesttarifs so lange geprüft werden müsse, etwa das europäische Recht bezüglich Niederlassungsfreiheit. Schließlich liege das Urteil aus Barcelona vor. Er erinnerte an Osmendas Aussage, wenn die Mindestentgelte nicht bald kämen, würde das Taxigewerbe völlig vom Markt verdrängt werden. Somit liege eine Gefährdung der Beförderung vor. Man könne und müsse folglich jetzt handeln. An anderer Stelle in der Debatte hatte er betont, dass das Taxi keine „Ergänzung“ zum ÖPNV sei, sondern vielmehr ein Teil des ÖPNV, und wolle man sich für den ÖPNV einsetzen, so müsse man sich auch für das Taxi einsetzen. Bonde sei wie er Juristin und wisse, dass es zehn Meinungen gebe und irgendjemand immer klagen werde. Man müsse mal Mut zeigen und vorangehen.
Ute Bonde antwortete, sie treffe mutige Entscheidungen immer sehr gerne, möchte aber als Juristin „auf gesicherten rechtlichen Füßen stehen“, damit sie nicht „direkt bei der ersten Klage aus der Kurve fliege“. Insofern nehme man sich noch die Zeit, „um gerade die Frage der europäischen Niederlassungsfreiheit zu prüfen, und eben zu prüfen, wie wir Mindestpreise europarechtskonform einführen können“. Dass zum ÖPNV auch das Taxigewerbe zählt, wolle sie gar nicht in Zweifel stellen, „aber Paragraph 8, Absatz 2 des Personenbeförderungsgesetzes sagt, dass zum ÖPNV der Verkehr mit Taxen und Mietwagen zählt. Insofern gehören nicht nur Taxen zum ÖPNV, sondern auch Mietwagen.“
Tino Schopf fragte BVTM-Präsident Kollar, welche „tatsächlichen Voraussetzungen“ zur Einführung eines Mindestbeförderungsentgeltes denn in Berlin vorliegen, und welche EU-Vorschriften oder sonstigen Umstände ihr ggf. entgegenstehen würden.
Auch Kristian Ronneburg fragte in Richtung der „Geschätzten Anzuhörenden“, ob sie mit einer einfachen Ja-Nein-Antwort sagen könnten, ob aus der Sprache des Leipziger Urteils hervorgehe, dass der Senat „jetzt schon handeln kann“. Auch den Senat bat Ronneburg, die Frage mit „ja“ oder „nein“ zu beantworten.
Verkehrssenatorin Bonde hatte die Sitzung aus terminlichen Gründen bereits verlassen müssen, als Herwig Kollar ihrer juristischen Einschätzung ausführlich widersprach. Der Beförderungsrechtsexperte erklärte, die tatsächlichen Voraussetzungen, die das Verwaltungsgericht Leipzig gefordert hat, lägen in Berlin vor. Das Gericht habe sich damit „zufriedengegeben“, festzustellen, dass es einen signifikanten Rückgang von Taxi-Genehmigungen bei gleichzeitiger Zunahme von Mietwagen-Genehmigungen gibt. „Wenn man das irgendwo nachweisen kann, dann, glaube ich, in Berlin.“ Hier stünden enorme Einbrüche am Taximarkt einem enormen Anwachsen am Mietwagenmarkt gegenüber.
Kollar führte aus, die Formulierung des präventiven Handelns sei „keine Schnapsidee vom Verwaltungsgericht“. Vielmehr sei es aus dem PBefG abgeleitet. „Es gibt im Paragraphen 49, Absatz 4, eine Ermächtigungsgrundlage für Genehmigungsbehörden, einschränkendere Maßnahmen als Mindestentgelt für das Mietwagengewerbe vorzuschreiben, nämlich zeitliche und örtliche Beschränkungen bis hin zu einer Konzessionslimitierung. Die Voraussetzungen für diese stärkeren Einschränkungen sind nach dem Gesetz ein Anteil von App-basierten Mietwagenvermittlungen von 25 Prozent am Gelegenheitsverkehrsmarkt. Mehr wird da im Prinzip nicht gefordert. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich in der Begründung betont: Es geht darum, Entwicklungen im Gelegenheitsverkehrsmarkt, dazu gehört Taxi, zu verhindern, die nicht mehr umkehrbar sind – also in dem Sinne genau präventiv zu handeln. Und wenn dieses präventive Handeln schon für die einschneidenderen Maßnahmen zulässig ist nach dem Gesetz, dann dürfte auch kein Zweifel daran bestehen, dass es für das mildere Mittel, und das wäre in dem Fall Mindestentgelt für Mietwagen, auch zulässig ist. So jedenfalls hat das Verwaltungsgericht Leipzig das abgeleitet, und das ist im Prinzip vollkommen zutreffend.“
Betreffs EU-Recht ergänzte Kollar: „Wir haben eine Rechtsprechung vom Europäischen Gerichtshof [EuGH], die ganz klar sagt: Vermittlungsdienste wie Uber sind Verkehrsdienste. Damit fallen sie unter die nationalen Verkehrsvorschriften. Es gibt keine übergeordneten EU-Vorschriften für den Gelegenheitsverkehr, die zu beachten wären. Es gibt in der Tat eine Entscheidung aus dem Sommer 2023, in der Mietwagenunternehmer aus Barcelona geklagt hatten, und das ist dem EuGH vorgelegt worden, da ging es aber um wesentlich andere Maßnahmen auf dem Verkehrsmarkt als das, über was wir hier reden. Um es deutlich zu machen: In Barcelona gab es eine Kontingentierung von Mietwagen, die sagte, pro 30 Taxigenehmigungen darf ein Mietwagen zugelassen werden. Übertragen Sie das bitte mal auf Berlin: Bei 6.000 Taxigenehmigungen dürften hier nicht mehr als 200 Mietwagen fahren. Eine solche objektive Kontingentierung von Mietwagen hat der EuGH als Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit betrachtet. Das ist im Ansatz nicht vergleichbar mit dem, was hier diskutiert wird, Einführung eines Mindestentgelts zur Aufrechterhaltung der verkehrspolitischen und verkehrswirtschaftlichen Entfaltung und Struktur des lokalen Marktes.“ Deswegen glaube er, dass weder die EuGH-Entscheidung noch andere Gerichtsentscheidungen oder Vorschriften aus der EU „diese Einführung des Mindestbeförderungsentgelts verhindern.“
Bilanz des juristischen Meinungsaustauschs: 2:1 für die Befürworter einer zeitnahen Einführung von Mindestbeförderungsentgelten ohne weitere langwierige Prüfung.
Der „dringliche Antrag“, Grundlage der ganzen Debatte (Taxi Times berichtete), wurde am Ende – zwar ohne die von der Linken beantragte und von AfD und Grünen befürwortete Änderung, aber dennoch einstimmig – angenommen. Der Senat wird also aufgefordert, eine Reihe von Maßnahmen zu ergreifen, „um den Versorgungsauftrag des Berliner Taxigewerbes und seine Existenz und Funktionsfähigkeit als Teil der Daseinsfürsorge zu sichern“. ar
Ein Filmmitschnitt der gesamten Sitzung kann in Teil 1 nachgesehen werden.
Bilder: Screenshots aus der Live-Übertragung des Abgeordnetenhauses von Berlin (Beitragsbild: Collage Taxi Times); Bilder aus der Präsentation von Herwig Kollar
Fakt ist dass diese Gewerbe sich so wie es ist mit solchen Preisen legal nicht betreiben lässt und das ist der Fakt und da braucht man auch keine Studien die auf Grund von Uber gelieferten Daten die nicht mit Uber Partner zu tun haben kommen und sagen das es doch funktioniert. Alle Studien von Uber sind nicht verlässlich da die mit normale Uber Mietwagen Unternehmer Umsätzen nichts zu tun haben.