Im Berliner Abgeordnetenhauses debattierte Ende Januar der Verkehrsausschuss zum Thema Mindestfahrpreise für Mietwagen. Wir berichten in sechs Teilen.
Auftakt: Land Berlin geht nächsten Schritt zur Eindämmung der Mietwagen-Kriminalität
Teil 1: Die Debatte und der (abgelehnte) Antrag zur Änderung des (angenommenen) Antrags
Teil 2: Drei Juristen, zwei Meinungen
Teil 3: Antrag im Plenum durchgewinkt
Teil 4: In der IHK hat sich der Wind gedreht
Teil 5: Eine Behördenleiterin räumt auf
Teil 6: Behörden sind zusammen schlagkräftig
Im vierten der sechs Teile geht es um die verkehrspolitischen Forderungen der IHK und die unterschiedlichen Haltungen zu den unseriösen Fahrdiensten – und wie es schließlich zu einer Mehrheit zu Gunsten der Mindestbeförderungsentgelte kam.
Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin hat sich schon oft für das Taxigewerbe eingesetzt. Schließlich hat die Branche mit Boto Töpfer und Michael Klewer selbst zwei gewählte Vertreter in der Wirtschaftsvertretung. Das Problem, um das es in diesem vierten Teil geht: Auch das plattformbasierten Mietwagengewerbe ist wirtschaftlich kein Niemand und hat dementsprechend Einfluss in der IHK.
Das kam bei der Debatte im Verkehrsausschuss im Berliner Abgeordnetenhaus am 29. Januar zum Tragen, bei der es um den „dringliche Antragn“ der Koalitionsfraktionen (CDU und SPD) auf Einführung von Mindestbeförderungsentgelten für Mietwagen ging, dessen erste Lesung Teil der Plenarsitzung am 19. Dezember gewesen war. Es waren mehrere externe Experten für eine Befragung geladen, darunter der Jurist und Präsident des Bundesverbandes Taxi und Mietwagen e. V. (BVTM), Herwig Kollar, die Direktorin des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO), Kirsten Dreher, der Fachgebietsleiter der Finanzkontrolle Schwarzarbeit beim Hauptzollamt Berlin, Axel Osmenda, und der Bereichsleiter Wirtschaft und Politik der IHK Berlin, Simon Margraf.
Margraf gab einen Einblick, wie das Thema ungleicher Wettbewerb im Gelegenheitsverkehr in der Berliner Wirtschaft beobachtet und bewertet wird. Er berichtete, es sei noch keine abschließende Position gefunden worden. Zwar habe das Taxi eine wichtige Bedeutung als Ergänzung des ÖPNV mit Aufgabe in der Daseinsvorsorge. Berlin und die Wirtschaft bräuchten das Taxi. Der Markteintritt der Plattformanbieter mit ihren Geschäftsmodellen hätten dazu geführt, dass sich am Markt Veränderungen ergeben hätten. Es seien ordnungspolitische Fragestellungen entstanden. Man sehe Hinweise auf Wettbewerbsverletzungen und habe die Aufgabe und den Wunsch des Interessenausgleichs und der Durchsetzung ordnungspolitischer Rahmenbedingungen. Man habe sich die Aufgabe gesetzt, zwischen Taxi und Mietwagen zu vermitteln, habe zum Tarifkorridor beigetragen, sei interessiert an einem fairen Wettbewerb und deshalb unter anderem aktiv in der AG Schwarzarbeit, um den Datenaustausch zwischen Plattformen und dem LABO sicherzustellen. Man wolle Genehmigungsverfahren und Monitoringprozesse verbessern und Wegstreckenzähler nicht nur mit Einbaupflicht, sondern auch mit Nutzungspflicht durchsetzen.
Die IHK unterstütze die Politik in ihrer Diskussion. Man habe Uber, Bolt und das Taxigewerbe in den eigenen Ausschüssen sitzen und führe die Diskussion, die im Abgeordnetenhaus geführt wird, ebenso innerhalb der IHK durch. Die Forderung nach dem Mindesttarif sei allerdings in der letzten Vollversammlung mehrheitlich abgelehnt worden, weshalb man hier „keine Beschlusslage“ habe. Das Thema solle nochmals kommuniziert und abgestimmt werden. Unabhängig davon bestehe die fachliche Einschätzung der IHK, dass konkreter Regulierungsbedarf gesehen wird, um einen Ausgleich hinzubekommen, das Taxigewerbe zu erhalten und gleichzeitig neue Beförderungsformen zu ermöglichen. Das Thema Mindestentgelte sei der Knackpunkt, den die IHK noch nicht abschließend geklärt habe, da es hierzu in der Unternehmerschaft entschiedene Zustimmung wie auch grundsätzliche Ablehnung gebe.
Offenbar irritiert von den Aussagen des IHK-Sprechers wies Tino Schopf, der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, darauf hin, dass durch Steuerhinterziehung und Schwarzarbeit im plattformbasierten Mietwagengewerbe nicht nur der Arbeitnehmer ausgebeutet werde, sondern auch der Steuerzahler, was nicht im Interesse der IHK sein könne. Schopf bezeichnete es zurückhaltend als „Novum“, dass eine Vorlage des IHK-Präsidiums nicht die Mehrheit der IHK-VV erhalten habe (zwischen den Zeilen war zu hören „das ist ja ganz was Neues“). Schopf lobte die Vorgängerin von Verkehrssenatorin Bonde, Manja Schreiner, die als jetzige Hauptgeschäftsführerin der IHK bei eben jener VV eine Rede dazu gehalten und sich für den Antrag ausgesprochen habe. Eine konkrete Frage an Margraf formulierte Schopf, der anscheinend über den großen Einfluss der Mietwagen-Plattformen innerhalb der IHK verärgert war, nicht.
Rolf Wiedenhaupt, der verkehrspolitische Sprecher der AfD-Fraktion hatte den Eindruck einer Unzufriedenheit Margrafs mit dem Meinungsbild in der IHK und wünsche sich auch von der IHK mehr Mut, das Thema anzufassen. Ihn würde die ungefähre Zielrichtung der Vorlage für die nächste VV interessieren. Wiedenhaupt kritisierte Simon Margraf für die Formulierung, das Taxi sei eine „Ergänzung“ zum ÖPNV. Vielmehr sei das Taxi ein Teil des ÖPNV, und wolle man sich für den ÖPNV einsetzen, so müsse man sich auch für das Taxi einsetzen.

Margraf, der andeutete, persönlich eine zustimmende Haltung zu den Mindestbeförderungsentgelten zu haben, musste – anscheinend unter leichtem Unbehagen – von einer knappen IHK-Mehrheit dagegen berichten. Er selbst war folglich nicht der eigentliche Adressat für Schopfs bittere Kritik und sagte diplomatisch, der IHK sei die Feststellung wichtig, dass Berlin das Taxi braucht und die Wirtschaft die Rahmenbedingungen schaffen wolle, dass das Taxi erhalten bleibe. Gleichzeitig wolle und brauche man in der Stadt, die Innovationshauptstadt und Startup-Hauptstadt sein wolle, aber auch „ein Angebot, um neue Geschäftsmodelle auszuprobieren“. Hier habe man somit einen klaren Konflikt. Man sehe den Regulierungsbedarf.
Wiedenhaupt gestand er entschuldigend zu, das Taxi als Teil des ÖPNV und nicht nur als dessen Ergänzung zu betrachten. Bezüglich der Meinungsfindung bei der IHK-Vollversammlung im Dezember verneinte Margraf, dass er unzufrieden sei. Er vertrete seit Jahren in der IHK das „Gesamtinteresse“, und ein solcher Diskurs sei nur zu begrüßen. Bedarf für mehr Austausch sei etwas Normales, und die Entscheidung zur Ablehnung des Beschlussvorschlags sei bei der IHK sehr knapp ausgefallen. Die IHK habe auch Mindermeinungen zu respektieren, und in diesem Falle werde sie von 40 Prozent der Abstimmenden vertreten, daher müsse man hier nochmals in die Diskussion gehen und den Prozess noch einmal an die Ausschüsse verweisen, bevor er erneut Thema bei der VV wird. Was die Zielrichtung der Vorlage betrifft, werde man sich an der Vorlage aus dem Abgeordnetenhaus orientieren. Da man einen Beschluss erreichen möchte, würde nach Margrafs Einschätzung ein zweistufiges Verfahren fällig, bei dem zum einen über Mindestentgelte abgestimmt werde, zum anderen über weitere Maßnahmen. Margraf wirkte zuversichtlich, dass auch innerhalb der IHK noch eine Zustimmung zum Anliegen des Taxigewerbes würde erzielt werden können.
Tatsächlich beschäftigte sich die IHK Berlin im Februar und März intensiv mit der Thematik, steht man doch in der Verantwortung, der Politik Empfehlungen geben zu müssen, die die Interessen der Wirtschaft abbilden. Bereits am 24.09.2024 waren von der Vollversammlung der IHK Positionen zur Berliner Verkehrspolitik beschlossen worden, die in einem Papier mit dem Titel „4×4 Prioritäten für eine zukunftsfähige Verkehrspolitik“ beschrieben sind. Das 46-seitige Papier besteht aus vier Hauptkapiteln.
Das erste heißt „ÖPNV: Zuverlässigkeit steigern und Angebot ausbauen“ und fordert unter anderem den Ausbau des Linienverkehrs auf der Schiene mit Sanierung der Infrastruktur und Verlängerung von Linien, die Verbesserung des Angebots beim Schienen- und Busverkehr sowie das Vorantreiben der Digitalisierung, unter anderem mit autonomen Fahrzeugen auf Schiene und Straße.
Das zweite Kapitel „Stadtverkehr besser organisieren“ geht auf die Notwendigkeit funktionierender Verkehrswege ein und fordert eine bessere Koordination und Planung.
Kapitel Nr. 3 „Straßennetz zukunftsfähig machen“ weist darauf hin, dass das anhaltende Bevölkerungswachstum der Hauptstadt mehr Verkehr und damit die Notwendigkeit mit sich bringt, bei allen Bemühungen der Verlagerung von Verkehr in den Fußgänger- und ÖPNV-Bereich auch für ein Funktionieren des Straßennetzes zu sorgen, das dann immer noch „den Rest zu tragen“ hat.
Das vierte Kapitel will die „überregionale Anbindung optimieren“, was sich auf Personn- und Güterverkehr bezieht und eine Ermöglichung von Wachstum im Luftverkehr, einen Ausbau der Schienenwege mit Ausweitung des Zugangebotes, eine Aufweitung von Engstellen auf Autobahnen sowie eine Optimierung von Häfen und Wasserstraßen beinhaltet.
Das Taxi kommt in dem Papier an drei Stellen vor: im Foto auf der Titelseite und an zwei Textstellen. Im zweiten Kapitel gibt es im langen Abschnitt „Verkehrsangebote digital und physisch verknüpfen“ einen Absatz namens „Genehmigung und Förderung von neuen Mobiloitätskonzepten“, der lautet: „Die neue mobile Datenwelt ermöglicht heute hocheffiziente Sammelbeförderung voneinander fremden Personen auf gemeinsamen Routen durch die Stadt. Um diese Möglichkeiten zu nutzen, muss jedoch der vorhandene Rechtsrahmen so verändert werden, dass die positiven Effekten zum Tragen kommen, ohne gleichzeitig die traditionellen Geschäftsmodelle im Taxi- und im Mietwagenverkehr zu zerstören. Dazu müssen zunächst umfangreiche Erprobungsmöglichkeiten geschaffen werden. Zudem gilt es, fairen Wettbewerb im Taxi- und Mietwagenmarkt zu sichern.“
Die zweite Stelle hat nichts mit dem Thema Mindestfahrpreise zu tun, spricht aber dem Taxigewebe noch mehr aus der Seele. Im vierten Kapitel heißt es im ersten Abschnitt „Im Luftverkehr Wachstum ermöglichen“ gleich im allgemeinen Teil, der von der Attraktivitätssteigerung des Flughafens BER handelt: „Darüber hinaus braucht es folgende Maßnahmen: Bereithalten von allen Berliner Taxis gewährleisten“.

Zurück zum fairen Wettbewerb: Welche Maßnahmen hierfür notwendig sind und ob es ein Mindestbeförderungsentgelt für Mietwagen braucht, wurde bei der IHK am Donnerstag, 20. Februar, im Ausschuss Mobile Stadt diskutiert. Nachdem in der Vollversammlung im Dezember keine Mehrheit für einen Antrag hatte erzielt werden können, der sich gegen ein Mindestbeföderungsentgelt ausgesprochen hatte, bestätigte sich im Ausschuss nun dieses Stimmungsbild. Das Zünglein an der Waage war vielleicht Free Now, vor wenigen Monaten noch fleißiger Anbieter illegalen taxigleichen Verkehrs durch Mietwagen in Berlin, heute Gegner des Geschäftsmodells von Uber, Bolt & Co. Nachdem die Ausschussmitglieder Michael Klewer, Boto Töpfer (beide Vertreter des Taxigewerbes) und Alexander Mönch (Free-Now-Funktionär) sich für die Notwendigkeit des Mindestbeföderungsentgeltes ausgesprochen hatten, folgten die Mitglieder diesem Plädoyer und stimmten Mehrheitlich dafür, dieses Instrument im Grundsatz zu fordern, wenn andere Maßnahmen keinen Erfolg erzielen. Diese Position muss am 19. März noch von der Vollversammlung verabschiedet werden.
Die Gegner von Mindestfahrpreisen haben somit ab sofort noch ein Argument weniger. ar
Beitragsbild: Simon Margraf (Screenshot: Abgeordnetenhaus von Berlin) und Manja Schreiner (Foto: Axel Rühle)
Ich vermisse einfache Nachfragen. Was ist denn überhaupt das „Neue Geschäftsmodell“ der taxiähnlichen Beförderer? Was soll da neu dran sein? – Die professionelle Verschleierung der Regelverstöße? Das Preisdumping? Die Überflutung des Marktes und der Straßen, so wie des Parkraumes? Die Dreistigkeit? Was GENAU ist neu an dem Modell?
Die Frage hab ich mir seit kurzem so beantwortet:
neoliberale diktatorische Raffkes vom Schlage Trump und Musk und Putin mit ihren vermeintlich fortschrittlichen Ideen bekommen sowohl offene als auch klammheimlich Unterstützung.
Sowohl durch naives: ist ja alles nicht so schlimm
Bis zu einem verblendeten: digital ist immer gut .
Und einfach aus Desinteresse ignorieren und nichts tun. Und die einfach machen lassen, die eben was machen, auch wenn’s falsch ist und kriminell und schädlich für uns alle.
Was soll das ganze Gewese, das nun schon seit Jahrenden verschleppt wird; der Punkt ist einfach, dass mit sogenannten Mietwagen kein Taxibetrieb erlaubt ist, dafür gibt es klare Kriterien im PBefG (auch lügensprachliche Tricks wie etwa „taxiähnlich“ schaffen da keinen anderen Sachverhalt), Kollar selbst hat ja darauf hingewiesen. Man müsste mithin den gesamten Bereich, der hier beständig am gesetzlichen Ordnungsrahmen für das Gewerbe vorbei agiert, stilllegen, vor allem jene, die behaupten, nur Vermittler zu sein (Abschalten der App). Langwierige und eigentlich nachgeordnete Verhandlungen über Mindestpreise werden nicht viel bringen, denn Uber wird sich sowieso nicht daran halten, sie haben sich ja noch nie an irgendetwas gehalten, der Gesetzesbruch war bekanntermaßen von Anfang an integraler Bestandteil ihres Geschäfts (Betrugs-) modells.
Der Kommentar muss wohl erstmal durch die Zensur
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Ich warte auf den Tag wo der Verkehr mit Mietwagen so dicht ist bis zum geht nicht mehr…und nach dem Zoll seine Meinung sagt müsste keine Gegenargumente geben.
Sogar die Umsätze bei den ÖPNV sind gesunken !!!
In der IHK hat sich der Wind gedreht.
Eine treffliche Formulierung für das Ergebnis jahrelanger intensiver Tätigkeit der Berliner Gwerbevertreter in der IHK! Wie es zu diesem Erfolg kam, beschreibt Rühle in gewohnt beispielhafter Genauigkeit, damit jeder diesen schwierigen Weg bis zur Abstimmung im Mobilitätsausschuss der IHK nachvollziehen kann. Guter Journalismus fördert hier also die richtige Entscheidung für das Abstimmungsverhalten zum Thema Mindesttarif in der Vollversammlung der IHK!
Und wann findet die Versammlung statt ? 2025 oder 2030 ?
Ist euch aber allen klar ne dass das Gutachten der IW Köln nicht der realen Zahlen entspricht sondern anhand von uber gelieferten gefälschten Daten geschrieben worden ist?