Im Berliner Abgeordnetenhauses debattierte Ende Januar der Verkehrsausschuss zum Thema Mindestfahrpreise für Mietwagen. Wir berichten in sechs Teilen.
Auftakt: Land Berlin geht nächsten Schritt zur Eindämmung der Mietwagen-Kriminalität
Teil 1: Die Debatte und der (abgelehnte) Antrag zur Änderung des (angenommenen) Antrags
Teil 2: Drei Juristen, zwei Meinungen
Teil 3: Antrag im Plenum durchgewinkt
Teil 4: In der IHK hat sich der Wind gedreht
Teil 5: Eine Behördenleiterin räumt auf
Teil 6: Behörden sind zusammen schlagkräftig
In den Redebeiträgen der Politiker zu den geforderten Mindestfahrpreisen für Mietwagen im Ausschuss für Mobilität und Verkehr des Berliner Abgeordnetenhauses sowie in den Fragen an die geladenen Experten, darunter Herwig Kollar und Kirsten Dreher, und deren Antworten ging es immer wieder um die Zusammenarbeit der Behörden untereinander.
Thema der Debatte war der „dringliche Antrag“ der Koalitionsfraktionen (CDU und SPD) auf Einführung von Mindestbeförderungsentgelten für Mietwagen, dessen erste Lesung Teil der Plenarsitzung am 19. Dezember gewesen war.

Tino Schopf (SPD), einer der engagiertesten Kritiker des unfairen Dumpingwettbewerbs beim Gelegenheitsverkehr, beschrieb eine Form der institutionellen Behördenkooperation: Nachdem das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO) als Ergebnis von Kontrollen im letzten Jahr mehr als 1.600 Mietwagen von der Vermittlung gesperrt hatte, sei die „AG Schwarzarbeit und Schattenwirtschaft im Mietwagengewerbe“ gegründet worden. Er dankte Verkehrssenatorin Ute Bonde dafür, dass sie das Problem der aus Berlin ins Umland flüchtenden Mietwagenunternehmer auch nach Brandenburg getragen habe, und legte ihr nahe, diesen Austausch mit der neuen brandenburgischen Landesregierung fortzusetzen. Zudem dankte er ihr dafür, das Thema „zur Chefinsache“ gemacht zu haben und „jeden Stein im LABO“ umzudrehen. Alles stehe und falle mit der Qualität der Antragsbearbeitung.

Ute Bonde (CDU) dankte den Experten für Ihre Teilnahme und den Politikern und den involvierten Behördenmitarbeitern für ihr Engagement, durch das die Maßnahmen Wirkung zeigten. Das von der anwesenden Kirsten Dreher geleitete LABO habe 2024 beachtliche Erfolge erzielen können, etwa dass man zwei Drittel der illegalen Mietwagen vom Markt genommen habe. Die Maßnahmen und ihr Vollzug zeigten Wirkung, wofür Dreher großer Dank gebühre.
Bonde bezeichnete die AG Schwarzarbeit als wichtige Institution in ihrem Hause, die gute Ergebnisse erziele, wofür sie ebenso dem anwesenden Leiter des Hauptzollamtes Berlin, Axel Osmenda, dankte. Ihre Verwaltung stehe im ständigen Kontakt mit dem Taxigewerbe.
Ein geladener Experte von bundesbehördlicher Seite war Axel Osmenda, Fachgebietsleiter der Finanzkontrolle Schwarzarbeit beim Hauptzollamt Berlin, der im Taxigewerbe seit einem Fernsehinterview im ARD-Politmagazin „Kontraste“ im August 2023 gewisse Bekanntheit genießt. Dort hatte er im Zusammenhang mit dem illegalen taxigleichen Verkehr durch plattformvermittelte Mietwagen von „organisierter Schwarzarbeit“ gesprochen.

Osmenda sprach von einer klaren Schieflage zwischen Taxi- und Mietwagengewerbe. Er berichtete, seine Behörde führe regelmäßig Verbundeinsätze und Schwerpunktkontrollen mit Polizei und LABO sowohl in Form von Straßenkontrollen als auch durch Besuche an den Betriebssitzen durch, was sich als gutes Instrument etabliert und bereits zu einem Rückgang der Konzessionszahlen bei Mietwagen geführt habe. Die Prüfungen bestünden darin, dass die Behörde regelmäßig Daten von den Vermittlungsplattformen anfordere, um die geleisteten Arbeitsstunden mit den zur Sozialversicherung gemeldeten Arbeitsstunden abzugleichen.
Auf Tino Schopfs Frage zum Thema Ausweichbewegung von Mietwagenunternehmen nach Brandenburg antwortete Osmenda trocken, hierzu lägen ihm konkrete Zahlen nicht vor, doch könne man sich die Frage vielleicht selbst beantworten: Die Fahrzeuge, die das LABO vom Markt genommen habe, seien „sicherlich nicht in der Schrottpresse gelandet“.

Rolf Wiedenhaupt (AfD) richtete an Osmenda bezüglich der in Brandenburg zugelassenen Mietwagen auf Berlins Straßen die Frage, da das Berliner Hauptzollamt mit seinem Potsdamer Pendant in Verbindung stehe, inwiefern es Probleme betreffs Zulässigkeit des Datenaustauschs zwischen Berliner und brandenburgischen Behörden gebe. Zudem fragte er den Zollbeamten, was für eine politische Unterstützung dieser sich wünschen würde, damit die Zusammenarbeit zwischen beiden Hauptzollämtern verbessert werde und man der „Verlagerung des Kriminalitätshotspots nach Brandenburg“ entgegentreten könne.
Osmenda antwortete, der Datenaustausch sei unproblematisch, da die Konzessionsbehörden „Zusammenarbeitsbehörden“ im Sinne des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes seien. Auch das Hauptzollamt sei zum Datenaustausch mit den Konzessionsbehörden berechtigt. Für politische Unterstützung sehe er keine Erfordernis, da die Hauptzollämter (die allesamt Dienststellen derselben Bundesbehörde sind) erfolgreich kooperieren. So hätten die Berliner und die Potsdamer Dienststelle unlängst gemeinsam eine Kontrolle am Flughafen BER durchgeführt, bei der die Berliner Mitarbeiter jene aus Potsdam angeleitet hätten. Politische Unterstützung hätten sie jedenfalls nicht nötig.

Die Grünen-Abgeordnete Oda Hassepaß wollte von Osmenda wissen, wie die Zusammenarbeit der Zollverwaltung mit der Polizei laufe, ob er Verbesserungsbedarf sehe und Vorschläge habe. Zudem fragte sie, aus welchen Gründen das LABO die Konzessionierung von Mietwagen bisher weniger streng geprüft habe als jetzt. Zu den nach Brandenburg abgewanderten Mietwagenbetrieben, die von dort aus in Berlin agieren, fragte Hassepaß, ob Osmenda bereits Möglichkeiten sehe bzw. vorzuschlagen habe, zu kontrollieren, dass die Plattformen diese Mietwagen dann auch tatsächlich sperren.
Osmenda sagte, auch in diesem Bereich sei die Zusammenarbeit sehr gut, man müsse sich allerdings vergegenwärtigen, dass den etwa 16.000 bis 20.000 Vollzugsbeamten der Landespolizei Berlin die geringe Zahl von 300 Kräften der Finanzkontrolle Schwarzarbeit in Berlin gegenüberstünden. Das seien zu wenig Personalressourcen, um jegliche Anfragen der Landespolizei Berlin zu befriedigen.
Was die Mietwagenkonzessionen betreffe, müsse er die Frage an Frau Dreher verweisen, da ihm keine Zahlen vorlägen, „wie viele Leute weiterhin ohne Konzession hier weiterfahren“. (Zum Antwortteil von Kirsten Dreher siehe unten.)

Der frühere Finanzsenator Daniel Wesener von den Grünen räumte ein, für das Thema kein Experte zu sein, merkte aber an, die Debatte könnte den Eindruck vermitteln, Steuerhinterziehung, Sozialbetrug und Schwarzarbeit seien neuere Phänomene, was Mobilitätsdienstleistung angeht. „Es könnte sogar der Eindruck nahegelegt werden, dass es ursächlich mit Plattformen bzw. Sharing Economy zusammenhängt.“ Er sei aber „ein bisschen älter“ (er ist 49) und habe den Eindruck, es werde auch über ein „relativ altes Problem“ geredet, was Steuerhinterziehung im Mobilitätsbereich angeht. Laut spontaner Online-Recherche habe Peter Neumann von der „Berliner Zeitung“ 2016 von „illegal arbeitenden“ Taxibetrieben geschrieben, bei denen Sozialbetrug „die Regel sei“ – eine „bundesweit einmalige“ Situation. Auch die „Welt“ habe vor ähnlich langer Zeit von „130 Intensivtäterbetrieben alleine in Berlin“ berichtet und vermutet, dass in den 2010er-Jahren bundesweit durch manipulierte Taxameter mehr als eine Milliarde Euro schwarz kassiert worden seien. „Oder Schätzungen – da der Kollege Kollatz nach Zahlen gefragt hat – die aus dem Jahr 2008 stammen, demzufolge etwa 70 Prozent aller Taxirechnungen in Berlin manipuliert seien.“ Seine Frage an Kirsten Dreher und Axel Osmenda: „Ist im – ich sag’ mal klassischen – Taxigewerbe denn zwischenzeitlich alles chic? Also ist der Fokus, den wir hier auch aus guten Gründen auf – sozusagen – die neuen Mobilitätsdienstleister bzw. Mietwagenanbieter legen, schon insofern gerechtfertigt, als dass es ansonsten in dem Bereich keine Probleme gibt, oder haben Sie entsprechende Hinweise, Zahlen, dass auch im klassischen Taxigewerbe noch einiges im Argen liegt?“
Osmenda stimmte dem früheren Landesvorsitzenden der Grünen zu, das Phänomen Schwarzarbeit sei nicht neu und das gebe es auch im Taxigewerbe. Nach der Einführung der Fiskaltaxameter habe sich die Situation verbessert, doch gebe es auch im Taxi Manipulationen, etwa, dass Standzeiten nicht als Arbeitszeiten erfasst werden. In diesem Zusammenhang führe die Zollbehörde auch regelmäßig Ermittlungsverfahren, deren Ergebnis sei, dass mit dem Mindestlohn zu vergütende Zeiten nicht ordnungsgemäß vergütet würden und somit Beitragsvorenthaltungen vorlägen.

Der ehemalige Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) merkte an, die Vorträge der Experten hätten gute Gründe für staatliche Eingriffe gezeigt, da der – normalerweise auch von der Wirtschaft vertretene – Ansatz der Selbstregulation auf erschreckende Art nicht funktioniere. Greife man nicht regulierend ein, komme es in bestimmten Sektoren zur Krise. Als Beispiel nannte Kollatz das Missverhältnis aus vorgeschriebenen und nicht eingeschalteten Taxametern (vermutlich meinte er Wegstreckenzähler) und fragte hierzu nach konkreten Zahlen. Ebenso unterstellte er bei den Übersiedlungen von Mietwagenbetrieben nach Brandenburg einen gewissen Anteil an seriösen Umzügen („da wird es ja auch ein paar echte geben“) und fragte ob Kenntnisse über die Anzahl der abgewanderten Betriebe ohne „reales“ Geschäftsmodell vorlägen. Als drittes fragte Kollatz in die Runde: „Wo haben Sie bisher Belege gesehen, dass nicht gemeldete bzw. nicht anerkannte Betriebe von Plattformen trotzdem vermittelt werden?“ Die hatten allerdings diverse Medien wie Berliner Zeitung, rbb, Tagesspiegel und Taxi Times in den letzten Monaten vorgelegt.
Osmenda wiederholte, zu den Übersiedlungen nach Brandenburg lägen ihm keine quantitativen Erkenntnisse vor.
Kirsten Dreher, Direktorin des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO), legte eine beeindruckende Leistungsbilanz ihrer Behörde vor (siehe Teil 5). Bezüglich der Zusammenarbeit der Behörden erklärte sie, das LABO arbeite nicht nur mit dem Hauptzollamt, sondern auch hervorragend mit der Senatsfinanzverwaltung zusammen, mit der Berufsgenossenschaft Verkehr und mit vielen unterschiedlichen Behörden. Man sei vernetzt und tausche sich aus. „Gegen alles wird bei uns geklagt. Deswegen ärgere ich mich auch so, dass gesagt wird, wir würden willkürlich Genehmigungen nicht erteilen. Gegen jeden Bescheid können Sie rechtlich vorgehen, und das wird natürlich auch im Übermaß getan. Wir haben 40 Klagen bearbeitet und sind noch in der Bearbeitung.“ Bis auf eine Klage, bei der man sich einen Beschluss vom Oberverwaltungsgericht „geholt“ habe, sei man auch bei allen Klagen erfolgreich.

Insofern sei man „auf einem sehr gutem Weg“. Man habe sich bestens vernetzt, auch mit den Plattformen und mit Unternehmen sowie mit der IHK.
In einem Interview mit Taxi Times, das in der kommenden Print-Ausgabe Taxi Times DACH erscheint, erläuterte Dreher zu den früheren Vorwürfen gegenüber dem LABO, „dass weitere Behörden und Stellen beteiligt und für die unterschiedlichen Bereiche zuständig sind. So kann das LABO z. B. grundsätzlich keine steuer-, sozialversicherungs- oder arbeitsrechtlichen Verstöße selbst feststellen und dagegen vorgehen. Dies fällt in die Zuständigkeiten anderer Behörden und Stellen.“ Sie verwies auf die „Arbeitsgruppe zur Schwarzarbeit im Mietwagengewerbe“ bei der Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt, die einen besseren Austausch und die „Vernetzung aller beteiligten Behörden und Stellen wie z. B. Hauptzollamt, Berufsgenossenschaft Verkehr, Finanzämtern und vielen weiteren zum Ziel“ habe.
„Heute“, so Dreher, „kann ich sagen, dass uns diese Vernetzung einen großen Schritt vorangebracht hat im Kampf gegen kriminelle Akteure und illegale Machenschaften im Mietwagengewerbe.“ ar
Bilder: Screenshots aus der Live-Übertragung des Abgeordnetenhauses von Berlin
Daniel Wesener hat eine Frage aufgeworfen, die viel tiefgründiger anzugehen ist. In Italien, dem schönen Land für unsere Urlaube, hat z.B. im Bereich der Gastronomie die Steuerhinterziehung nicht mehr die Bedeutung wie früher. Jeder Gast muß in einem gewissen Umkreis um das Lokal herum seinen Beleg der Finanzpolizei bei einer Kontrolle vorweisen können.
Bei uns gibt’s auch im Einzelhandel die Bonpflicht. Trotzdem beklagen die italienischen Behörden, Deutschland sei DER Ruheraum für die Mafia in Europa.
Als Taxiunternehmen hier bist du aber jetzt in der absurden Situation, dass seit mehreren Jahren mittlerweile eine lückenlose Dokumentation der Geschäftsvorfälle zwingend ist.
Bis heute und noch einige Zeit länger ist aber für Mietwagen immer noch die Befreiung von der Wegstreckenzählerpflicht möglich. Und damit auch die Umgehung zur Einrichtung der TSE (Technische Sicherungs Einrichtung). Mal sehn, ob wie vorgesehen zum 1.1.2026 tatsächlich in dieser Hinsicht auch hier die Dokumentationspflichten durchgesetzt werden.
Weil dem Taxi durch illegal agierende Pseudotaxis, genannt Mietwagen, aber der Umsatz gestohlen wird, sinkt die Rentabilität und es fehlt einfach das Geld in der Kasse, um die Kosten zu decken. Es könnten nach meiner Schätzung sogar die Taxitarife etwas gesenkt werden, wenn der gestohlene Umsatz zurück kommt. Auch kein Einzelhändler lässt sich beklauen!