Die Berufsgenossenschaft Verkehr will ihren prozentual auf das Arbeitsentgelt bezogenen Beitragsfuß stabil halten. Dies ist zunächst eine erfreuliche Nachricht für die Mobilitätsbranche. Im verschwiegenen Teil der Nachricht steckt aber eine Milchmädchenrechnung.
Ein Kommentar von Remmer Witte
Trotz Inflation: Die BG Verkehr, die meist auch für das Taxi- und Mietwagengewerbe zuständig ist, hält den Beitragsfuß stabil. „Der Vorstand der BG Verkehr hat in der vergangenen Woche beschlossen, den Beitragsfuß für das Umlagejahr 2022 unverändert auf 2,80 Euro je 1.000 Euro Arbeitsentgelt festzusetzen. Damit trotzt der Unfallversicherungsträger der Inflationstendenz in zahlreichen Bereichen der Wirtschaft“, wendet sich die BG Verkehr an ihre Mitglieder. „Die Entscheidung fiel vor dem Hintergrund, dass sich nach dem Haushaltsabschluss der BG Verkehr die Gesamtausgaben für 2022 in etwa auf dem Niveau des Vorjahres bewegen. Wir freuen uns, trotz der Inflationstendenzen in vielen Bereichen der Wirtschaft unseren Mitgliedsunternehmen Kostenstabilität in der Unfallversicherung bieten zu können“, sagt Sabine Kudzielka, Vorsitzende der Geschäftsführung der BG Verkehr.
Die über die Umlage zu finanzierenden Aufwendungen der BG Verkehr betrugen nach deren Angaben im vergangenen Jahr 711,6 Mio. Euro. Die Aufwendungen der BG Verkehr aus dem Jahr 2022 werden entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen im Umlageverfahren nachträglich auf die bei der BG Verkehr versicherten Unternehmen verteilt. Zu den Aufwendungen gehören in erster Linie Rentenzahlungen an Verletzte und Hinterbliebene, Kosten für medizinische Behandlung und Rehabilitation sowie Leistungen der Prävention. Wer sich intensiver mit der der Umlage zugrunde liegenden Beitragserhebung auseinandersetzen will, der findet im Übrigen hier eine Aufschlüsselung.
Die Leistungen einer Berufsgenossenschaft sind wichtig und ein gute Sache. Aber sie werden gemeinschaftlich von ihren Mitgliedern nach gesetzlichen Bestimmungen im Umlageverfahren erbracht. Die BG-Pressemeldung lässt aber unerwähnt, dass sich die Preissteigerung zumindest für Niedriglohnbranchen darin versteckt, dass vielfach die Arbeitsentgelte pro Stunde nicht unerheblich gestiegen sind – und somit trotzdem einiges mehr als im Vorjahr an BG-Beiträgen zu entrichten sein wird. Wer rechnen kann, ist hier klar im Vorteil – und erkennt in der vollmundigen Meldung der BG Verkehr die Milchmädchenrechnung, zumindest aus Sicht aller Niedriglohnbranchen. Mindestlohnbedingt sind die Löhne in diesen Branchen auch schon vor dem großen Schritt auf zwölf Euro zum Jahreswechsel 2022/23 ganz erheblich gestiegen. Wenn die BG Verkehr nun feststellt, dass ihre Gesamtausgaben unverändert blieben, dann erzielt sie so trotzdem im aktuellen Jahr voraussichtlich mehr Beiträge, da die Arbeitsentgelte pro Stunde und somit auch ihre Einnahmen gestiegen sind.
Und dies wird umso mehr für die kommende Jahresabrechnung gelten, wo weitere erhebliche prozentuale Lohnsteigerungen nicht nur im Niedriglohnbereich realisiert wurden. Insofern mag die Verkündung der Nachricht eines stabilen Beitragssatzes grundsätzlich als positive Nachricht noch legitim sein. Die Feststellung aber, man trotze damit den allgemeinen Inflationstendenzen, muss klar als Augenwischerei benannt werden, denn hier versucht die BG sich mit Federn zu schmücken, die ihr einfach nicht zustehen. Wenn bei gleichbleibenden Kosten Mehreinnahmen erzielt werden, wäre stattdessen in einer solchen Pressemeldung das Statement zu erwarten, dass man eben wegen der Inflation die prozentualen Beitragssätze nicht herabsetzt, obwohl die Ausgaben in der Vergangenheit nicht gestiegen sind. rw
Bild: Remmer Witte