Fast wäre es für einen Taxifahrer zur Kollision mit einer Pedelec-Fahrerin gekommen. Doch beide konnten noch rechtzeitig abbremsen. Glück gehabt? Von wegen. Drei Wochen später soll der Taxifahrer ein Bußgeld wegen Nötigung bezahlen und verliert für einen Monat die Fahrerlaubnis. Ist das rechtens?
Das Taxi fährt zügig auf der rechten Fahrspur einer belebten Straße und blinkt rechts. Neben ihm ist eine belebte Busspur und ein ebenfalls belebter Radweg, auf dem sich in einiger Entfernung ein Fahrrad nähert. Der Taxilenker versucht, alle Verkehrsteilnehmer in seinem Umfeld im Auge zu behalten, und biegt ab, nachdem er sich entschieden hat, dass der Fahrweg frei ist. Im Augenblick des Passierens der Busspur nimmt er im rechten Augenwinkel eine Bewegung wahr und bremst abrupt ab. Er kommt halb auf dem Radweg stehend zum Stillstand. Von rechts kommt ein Pedalec, bremst vor seinem Kotflügel ebenfalls zum Stillstand herunter, und die Radlerin beginnt sich aufzuregen. Der Taxler entschuldigt sich gestenreich bei der Pedalec-Fahrerin und denkt derweil bei sich: „Glück gehabt“.
Aber von wegen: drei Wochen später flattert zunächst eine Fahrerabfrage beim Chef auf den Schreibtisch, und noch etwas später findet der Taxifahrer dann einen gelben Brief im Briefkasten, in dem ihm „Nötigung im Straßenverkehr“ vorgeworfen wird. Zwar bestätigt auch die Radlerin, die ihn angezeigt hat, die Tatsache, dass es zu keinem Schaden gekommen sei; trotzdem setzt die Bußgeldstelle auf Basis der Nötigung eine Geldbuße in Höhe von 140 Euro sowie ein einmonatiges Fahrverbot fest – ein Schock für den Taxler.
Im Alltag auf der Straße kommt es immer wieder zu brenzligen Situationen: dichtes Auffahren, Lichthupe, knappe Manöver. Doch ab wann ist solches Verhalten nicht nur gefährlich, sondern möglicherweise strafbar? Wann gilt Drängeln im Straßenverkehr als Nötigung und welche Konsequenzen drohen? Laut Paragraf 240 des Strafgesetzbuches (StGB) ist eine Nötigung eine Straftat, wenn jemand einen anderen durch Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einem Verhalten zwingt. Im Straßenverkehr können folgende Verhaltensweisen zu einem Nötigungsvorwurf führen:
- Dichtes Auffahren über längere Zeit
- Einsatz von Lichthupe oder Hupe zur Einschüchterung
- Ausbremsen oder Schneiden
- Blockieren der Fahrbahn oder Überholspur
- Zufahren auf Personen oder Fahrzeuge
Entscheidend ist dabei zunächst, ob das Verhalten beim anderen Verkehrsteilnehmer Zwang auslöst, etwa das Gefühl, die Spur wechseln zu müssen oder schneller zu fahren, obwohl man das nicht möchte. Und das gilt für alle Verkehrsteilnehmer, also auch für Radfahrer mit oder ohne Pedalec. Ob solch ein Drängeln strafbar wird, entscheidet sich danach, welche Faktoren dabei zusammenkommen:
- Die Kausalität: Die Handlung des Täters muss kausal für die Reaktion des Opfers sein.
- Die Dauer und Intensität: Die Zwangswirkung muss intensiv genug sein, um die individuelle Freiheit des Opfers spürbar zu beeinträchtigen.
- Die Verkehrssituation (z. B. Geschwindigkeit, Abstand und Ähnliches)
- Die Verwerflichkeit: Das Verhalten muss sozial inakzeptabel und rücksichtslos sein.
Obwohl gerade der letzte Punkt in der oben geschilderten Situation wohl kaum zum tragen kam, war das Problem einfach, dass die Pedalec-Fahrerin deutlich schneller als erwartet vor Ort war. Die Bußgeldstelle ließ sich davon jedoch nicht überzeugen, und der Fall landete vor Gericht. Das Verhalten des Taxlers wurde zudem damit gleichgesetzt, als sei er auf der Autobahn mit weniger als einem Meter Abstand aufgefahren und habe dabei die Lichthupe genutzt, um den Vordermann zum Spurwechsel zu drängen.
Wenn es zu einer Verurteilung käme, welche Strafen könnten dem Taxler hier drohen? Nach oben sind hier tatsächlich nur wenig Grenzen gesetzt. Wer wegen Nötigung im Straßenverkehr verurteilt wird, muss mit empfindlichen Konsequenzen rechnen. Neben einer Geldstrafe (oft vierstellig, abhängig vom Einkommen) oder sogar einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren (in schweren Fällen bis zu fünf Jahren) drohen sowohl ein Fahrverbot (1–3 Monate) als auch der Entzug der Fahrerlaubnis. Die Strafe hängt dabei stark vom Einzelfall ab – insbesondere davon, ob andere gefährdet wurden oder ob es sich um Wiederholungstäter handelt.
In diesem Fall waren einige Monate ins Land gegangen, bevor der Gerichtstermin anstand, und so konnte sich der Fahrgast des Taxlers gar nicht mehr an den Vorfall erinnern. Weitere Zeugen gab es auch nicht. Insofern stand Aussage gegen Aussage, und das Verfahren wurde letztlich eingestellt. Aber allein der Vorwurf der Nötigung nach einer an sich alltäglichen Verkehrssituation, in der einfach nur ein Pedalec schneller als erwartet war, hatte das Potenzial, den Taxler sogar in Existenznöte zu bringen. Das einfache Auftauchen eines unerwarteten Zeugen wäre schon ausreichend gewesen, damit das Verfahren zumindest einen unsicheren Ausgang gehabt hätte. Daher sollte gerade der schnell als Verkehrsrüpel gebrandmarkte Taxifahrer in Konfliktsituationen mit Radlern, insbesondere auch mit Pedecler, sehr aufmerksam sein und sich ggf. aller Zeugen versichern, die zur Entlastung beitragen können; Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.
Aus diesem Grund ist es bei Vorwurf der Nötigung in der Regel auch unbedingt anzuraten, einen Anwalt einzuschalten, einfach weil das Risiko eines Fahrverbots oder sogar des Entzugs der Fahrerlaubnis hier enorm hoch ist. Wer da meint, dass er oder sie sich einen solchen Anwalt nicht leisten könne, sei auf die Taxi-Times-Meldung zum Fahrerrechtsschutz verwiesen. rw
Beitragsfoto: Remmer Witte








