In einer Großstadt im Ruhrgebiet hat ein Taxiunternehmer, der sein Gewerbe ignoriert sieht, keine Antwort auf eine E-Mail an den Oberbürgermeister erhalten. Er ist daraufhin an die Öffentlichkeit gegangen.
Ein Taxiunternehmer aus Essen, der das Fehlen einer „ernstzunehmenden“ Gewerbevertretung beklagt, hat sich bereits am 22. März, dem Sonntag vorletzter Woche, mit einem eindringlichen Brief an den Oberbürgermeister der 600.000-Einwohner-Stadt, Thomas Kufen, gewandt.
In dem per E-Mail übermittelten Schreiben beklagt Rolf Prosch, in den Beiträgen der Stadtverwaltung zur Corona-Krise fehle jegliche Aussage zum Taxigewerbe, was ihn nicht nur verwundere, sondern maßlos enttäusche: „Wir sind Teil des ÖPNV in Essen, unterliegen der Betriebspflicht und können uns genauso wenig wie Ärzte, Pflegepersonal, Supermarktkassierinnen oder Altenpflegerinnen davonstehlen!“ Die Unternehmer seien verpflichtet, ihren Betrieb aufrecht zu erhalten, obwohl die Umsätze nahezu komplett eingebrochen seien.
In seinen Augen sei es nicht hinzunehmen, dass die Betriebspflicht für einige Taxiunternehmen den finanziellen Ruin bedeute. „Wir stehen all den Menschen, die zu Zeiten der Coronakrise auf Mobilität angewiesen sind, weiterhin bei! Wir sind sicherlich der gesundheitlich am stärksten gefährdete Teil des ÖPNV“, führt Prosch aus, und gibt zu bedenken, dass die räumliche Nähe zwischen Personen im Taxi unvermeidlich ist.
Der Unternehmer beschränkt sich keineswegs auf Vorwürfe, sondern leitet daraus konkrete Forderungen ab: „Nehmen Sie sich endlich den Problemen des Essener Taxigewerbes an! Wir sind nicht nur Gefährdete, sondern auch potentielle Gefährder! Stellen Sie sicher, dass wir Hilfe vom Essener Gesundheitsamt bekommen! Wir brauchen unbürokratisch ärztlichen Rat! Wir brauchen Zugang zu Schutzkleidung und Desinfektionsmitteln! Sie wollen doch Infektionsketten mit aller Macht unterbrechen! Also handeln Sie! Unterstützen Sie das Essener Taxigewerbe!“
Um die Alternativlosigkeit seiner Forderungen zu unterstreichen, setzt er am Ende eine sarkastische Pointe: „Oder stellen Sie uns unter das Infektionsschutzgesetz und ersetzen Sie das Taxigewerbe durch … ja, wen? Diese Frage werden Sie beantworten müssen!“
Auf die E-Mail erhielt Rolf Prosch noch am Sonntagabend eine automatisierte Antwort mit der Zusage, der Oberbürgermeister werde sich um das Anliegen kümmern. Als er nach zwei Tagen weder von dem 46-jährigen CDU-Politiker noch von irgendeinem Mitarbeiter der Stadtverwaltung eine persönliche Reaktion auf sein Schreiben erhalten hatte, wandte er sich an die Presse, wo er nach eigener Aussage „volle Unterstützung“ erhielt, unter anderem von der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung und in der täglichen Nachrichtensendung „Lokalzeit“ des WDR. Der Lokalsender Radio Essen nahm sich des Themas an, beleuchtete die Situation des Taxigewerbes bereits am nächsten Tag in einer aktuellen Sendung und kündigte an, Oberbürgermeister Kufen, der am darauffolgenden Tag als Studiogast einer Talk-Sendung eingeplant war, direkt zu fragen.
Wie Rolf Prosch gegenüber Taxi Times telefonisch berichtete, hatte der junge und eigentlich als volksnah geltende Politiker das Thema Taxigewerbe nicht aktuell auf dem Schirm und habe im Vorgespräch gegenüber dem Sender erklärt, vom erwähnten Schreiben nichts zu wissen – worauf Prosch die automatische Antwort-Mail weitergeleitet habe.
In der Talk-Sendung sprach Kufen, vom Moderator neben zahlreichen allgemeinen Fragen zur Corona-Krise auf die Taxi-Problematik angesprochen, ausweichend über den Sachstand zur Diskussion über eine Tariferhöhung. Die verschiedenen Verbände, die die rund 500 Taxis in Essen vertreten sollen, seien sich untereinander uneinig. Er nehme das „sehr ernst“, und jüngst habe übrigens die AOK vor der Benutzung des Taxis gewarnt. „Ich finde das auch sehr kritisch zu hinterfragen, aber auch andere Berufszweige …“ – und schon war das Thema gewechselt.
Prosch glaubte, nicht recht zu hören. Solche Floskeln und Allgemeinplätze, versehen mit einem „Tritt unter die Gürtellinie“ kann er nur als „ignorant“ bezeichnen. Aus Sicht des Unternehmers mit seinen 40 Taxis, von denen er tagsüber nur noch abwechselnd jeweils die Hälfte fahren lässt, spielt das Taxigewerbe in der Großstadt im Zentrum des Ruhrgebiets eine wichtige Rolle, besonders, seit der Verkehrsbetrieb die Nachtbuslinien eingestellt habe und man nach 23.30 Uhr nur schwer ohne Taxi von A nach B komme. Prosch selbst hat mehrere Dialysepatienten zweier großer Krankenhäuser in seinem Kundenstamm.
In der Zusammenfassung der Sendung vom Donnerstag, dem 26.3., auf der Internetseite des Senders taucht das Wort Taxi nicht auf. Eine Reaktion auf die offene E-Mail hat Rolf Prosch schließlich am gestrigen Montag, dem 30. März, erhalten. Inhalt: Man bereite sich auf eine Antwort vor. ar