Das Unternehmen hält dem Gewerbe seine Schwächen wie einen Spiegel vor die Nase. Man muss nur hineinschauen
Es geht alles sehr schnell. Mussten wir in unserer Premierenausgabe Anfang Juni noch einigen erklären, wer und was sich hinter dem Namen „Uber“ verbirgt, weiß mittlerweile jeder in der internationalen Taxibranche, welche Bedrohung hinter dem US-Unternehmen steckt. Ausgestattet mit viel Risikokapital versucht Uber überall auf der Welt, den Markt der Personenbeförderung an sich zu reißen. Dies geschieht teilweise unter dem Deckmantel der Sharing Economy. Wie scheinheilig das ist, beschreibt unser Gastautor Paul Gerlach auf Seite 33.
Mittlerweile haben auch die Medien einen beachtenswerten Richtungswechsel bei ihrer Berichterstattung vollzogen. Die anfängliche Jubelorgie über die sagenhafte, moderne und junge Technikrevolution ist (fast) vorbei. Die Diskussion ist wieder nüchterner und sachlicher geworden, es werden endlich beide Seiten der Medaille betrachtet. Dazu beigetragen hat nicht zuletzt der weltweite Demonstrationstag des Taxigewerbes am 11. Juni 2014. Denn damit ist es gelungen, viele Journalisten – und durch deren Berichterstattung anschließend die breite Masse der Bevölkerung – für die Vorteile des „old fashioned“ Taxigewerbes zu sensibilisieren. Eine sichere und preisverlässliche Personenbeförderung an 365 Tagen à 24 Stunden kann nur das Taxi bewerkstelligen. Dieser Wandel in der öffentlichen Wahrnehmung des Taxis ist deutlich höher zu gewichten als der kurzzeitige Anstieg der Downloadzahlen, den die Uber-App am 11. Juni verzeichnete.
Betrachtet man übrigens die Vorgehensweise und die Angebotspalette, mit der Uber neue Städte erobern will, lässt sich vor allem eines feststellen: Es gibt keine einheitliche Strategie. Das wirkt konfus, ist aber genau das Gegenteil. Das Unternehmen greift das Taxigewerbe regional spezifisch genau an seiner schwächsten Stelle an. In den USA war es die schlechte Verfügbarkeit der Taxis und der miese Service seiner Fahrer. In vielen europäischen Ländern ist es die mittelmäßige Fahrgastbedienung und bei Taxizentralen die oft schwache Qualität sowohl des Marketings als auch der Betreuung der Kunden und angeschlossenen Fahrer. In der teuren Schweiz (siehe unser Bericht auf Seite 22) lockt man die Fahrgäste mit günstigeren Fahrpreisen und profitiert vom Wildwuchs und dem daraus entstandenen Überangebot, verursacht durch allzu weiche Ordnungsrahmen. Und wenn all das trotzdem nicht reicht, um das Taxigewerbe plattzumachen, greift man auf die Vermittlung an Privatfahrer zurück. Das jüngste Beispiel dafür ist Amsterdam. Eigentlich müsste das Taxigewerbe Uber dankbar sein. Das Unternehmen analysiert die Schwachstellen der Taxibranche und hält uns diese wie einen Spiegel vor die Nase. Wir müssen eigentlich nur endlich hineinschauen und es ganz schnell besser machen: das Produkt, die Qualität und das Marketing. Verpasst das Taxigewerbe diese Chance, siegt am Ende die Anarchie des Kapitals.