Trotz fortschreitender Digitalisierung wird es so schnell nicht möglich sein, ein deutsches Taxi-Unternehmen von einem anderen Bundesland aus zu betreiben. Aber muss der Sitz eines gemeindeübergreifenden Betriebs auch künftig zwingend die Heimatgemeinde sein?
Der in Bremen ansässige Personenbeförderungsfachanwalt Lothar H. Fiedler hat sich gemeinsam mit der Referendarin Lena Hänsel intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt. Herausgekommen ist eine Einschätzung, die sicherlich gerade in der Fläche besonders von vielen ambitionierten Unternehmen mit großem Interesse zur Kenntnis genommen werden wird.
Im Ergebnis zeigt der Aufsatz den Genehmigungsbehörden Wege auf, wie sie nach Einschätzung des Juristen und der angehenden Juristin auch gemeindegrenzen-übergreifend die Mobilitätsversorgung ihrer Kommune sicherstellen können, selbst wenn es vor Ort vielleicht nur noch wenige Unternehmen gibt, die diese Beförderungsaufträge realisieren wollen – und zudem nicht in jeder Gemeinde einen Betriebssitz unterhalten wollen. rw
Hier die verkürzte Einschätzung:
1. Ausgestaltung des Betriebssitzes
Für den Erhalt der Genehmigung ist unter anderem der Nachweis eines Betriebssitzes notwendig.
Der Betriebssitz ist der adressmäßig bestimmte Standort[1] des Taxiunternehmers, an dem die wesentlichen Tätigkeiten, wie die Entgegennahme und Weiterleitung der Beförderungsaufträge, die Fahrzeugdisposition sowie die Aufbewahrung von Unterlagen über die Fahrzeugdisposition, den Fahrereinsatz, Buchführung und Personalverwaltung, stattfinden.[2]
Im Einzelnen sind folgende Anforderungen am Betriebssitz zu erfüllen[3]:
- Postalische Erreichbarkeit (Briefkasten)[4]
- Hinweis auf das Unternehmen im Eingangsbereich (Klingel, Firmenschild)[5]
- Eingerichteter Arbeitsplatz (Schreibtisch, Stuhl, PC, Telefon, Ablagemöglichkeit für Unterlagen)[6]
- Aufbewahrung aktueller betrieblicher Unterlagen (Jahresabschlüsse, betriebswirtschaftliche Auswertungen, aktuelle Schichtzettel)[7]
- Aufbewahrung von Unterlagen über die Fahrzeugdisposition und den Fahrereinsatz (Einsatzpläne, Liste des eingesetzten Personals mit Personal- und Fahrzeugunterlagen)[8]
- Annahme von Beförderungsaufträgen und Weiterleitung an das Fahrpersonal[9]
Die Ausgestaltung des Betriebssitzes erfordert damit ein eingerichtetes Büro, an dem die maßgeblichen Unterlagen aufbewahrt werden. Es kann sich dabei auch um die Privatwohnung[10] oder den Ort der Funkvermittlungszentrale handeln[11]. An die Räumlichkeiten in der Privatwohnung des Unternehmers sind keine besonderen Anforderungen zu stellen, insbesondere bedarf es keines separaten Raumes.[12] Auch die Mitnutzung eines zu anderen geschäftlichen oder Wohnzwecken genutzten Zimmers ist möglich, sofern die betreffenden Aufgaben tatsächlich erfüllt werden können.[13] Zudem müssen die Räumlichkeiten den übrigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften, wie dem Bauordnungs- und Baunutzungsrecht, genügen.[14]
Um den Unternehmen kein zu großes Investitionsrisiko aufzubürden, reicht es aus, wenn zunächst ein Nachweis über den zukünftigen Betriebssitz (in Form eines Vorvertrages) erbracht wird. So kann verhindert werden, dass die Unternehmer bereits rechtliche Verpflichtungen eingehen, auf denen sie im Falle einer negativen Bescheidung „sitzenbleiben“.
2. Sinn und Zweck des Betriebssitzes
Taxen dürfen sich nur in der Betriebssitzgemeinde bereithalten. Die Funktionsfähigkeit des Verkehrs soll so gewährleistet werden und die Taxidichte reguliert bleiben.[15]
Durch den Betriebssitz wird auch die Zuständigkeit der Behörde deutlich. Zuständig ist die Behörde, in deren Bezirk der Unternehmer seinen Betriebssitz hat. Nach § 54a PBefG kann die Behörde Betriebsprüfungen im Genehmigungsverfahren und während der Genehmigungslaufzeit vornehmen. Sie kann insbesondere Einsicht in die Bücher und Geschäftspapiere nehmen. Zu diesem Zweck kann die Behörde die Geschäftsräume innerhalb der üblichen Geschäftszeiten betreten.
3. Herausforderungen betreffend den Betriebssitz
Vor allem für Einzel- und Kleinunternehmer ist es eine große Herausforderung, in jeder Gemeinde, in der Genehmigungen bestehen, einen Betriebssitz vorweisen zu müssen.
3.1. Personal
Regelmäßig fordern Genehmigungsbehörden, dass der Betriebssitz eines Taxiunternehmers zu den üblichen Geschäftszeiten besetzt sein muss. Da Beförderungsaufträge jedoch vermehrt über Nachrichtendienste und Apps entgegengenommen, ist Personal am Betriebssitz für den laufenden Betrieb nicht zwingend erforderlich. Somit besteht der Sinn der dauerhaften Besetzung des Betriebssitzes darin, dass eine Person für etwaige – in der Praxis nicht häufig vorkommenden– behördliche Kontrollen vor Ort ist. Dies birgt Kosten für die betroffenen Unternehmer, ohne dabei einen wirklichen Mehrwert zu generieren.
3.2. Mietkosten
Sofern ein Unternehmer in zwei benachbarten Gemeinden tätig werden will, muss er für beide Gemeinden, so nah diese auch beieinander liegen, je einen Betriebssitz vorweisen. Muss zudem zu den üblichen Geschäftszeiten der Betriebssitz besetzt sein, muss entsprechendes Personal eingestellt und bezahlt werden. Gerade in kleineren Gemeinden wird es schwierig sein, angemessene Räume und Personal zu finden. In kleineren Gemeinden ist es denkbar, dass einzelne Bürozimmer oder Bürogemeinschaften – wie in Großstädten – nicht vorhanden sind. Zudem kann in strukturstarken Gemeinden, die z.B. in der Nähe zu großen deutschen Konzernen liegen, bereits die Anmietung von kleinen Räumen sehr teuer ist.[16]
Unabhängig von der Größe einer Gemeinde oder der Nähe zu einer benachbarten Gemeinde mit vorhandenem Betriebssitz ist in jeder Gemeinde ein Betriebssitz vorzuweisen. Für einen Einzelunternehmer kann es auf diese Weise in finanzieller Hinsicht unmöglich werden, am Wettbewerb teilzunehmen.[17] Gerade in kleinen Gemeinden oder Landkreisen, die in viele Gemeinden unterteilt sind, kann dies dazu führen, dass der Bedarf an Taxen nicht gedeckt werden kann.
Eine Lösung in den betroffenen Gebieten könnte die Anwendung des § 47 Abs. 2 Satz 3 PBefG sein. Hiernach kann im Einvernehmen mit anderen Genehmigungsbehörden das Bereithalten an behördlich zugelassenen Stellen außerhalb der Betriebssitzgemeinde gestattet und ein größerer Bezirksbereich festsetzt werden. Die Anwendung dieser Vorschrift dürfte geboten sein, damit Taxiunternehmer in kleinen Gemeinden oder in Landkreisen, die in viele Gemeinden unterteilt sind, ihren Beruf sinnvoll ausüben können – und nicht in unverhältnismäßiger Weise ihrer Berufsfreiheit eingeschränkt werden.
4. Ergebnis
Zusammenfassend lässt sich festhalten:
Taxiunternehmer müssen trotz digitaler Buchungsmöglichkeiten die Anforderungen an den Betriebssitz erfüllen. Dies gilt für jeden einzelnen Betriebssitz in jeder Gemeinde, in der mindestens eine Genehmigung besteht.
In Hinblick auf die personelle Besetzung des Betriebssitzes zu den üblichen Geschäftszeiten sollte es – unter dem Gesichtspunkt vermehrter digitaler Buchungen – ausreichend sein, wenn der Behörde trotz nicht erforderlicher durchgängiger Besetzung eine kurzfristige Kontrolle der Geschäftsräume ermöglicht werden kann.
Verwaltungsbehörden sollten von den gesetzlichen Möglichkeiten, wie der einen größeren Taxibezirk festzusetzen, Gebrauch machen, um z.B. in Landkreisen, die aus mehreren Gemeinden bestehen, eine unnötig kleinteilige Einrichtung von Betriebssitzen zu vermeiden.
Quellen:
[1] VG Frankfurt, Urt. v. 16.05.2001 – 12 E 1602/00, juris Rn. 17; VG Frankfurt, Urt. v. 02.10.2009 – 6 K 902/09, juris Rn. 18.
[2] VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 22.07.2019 – 9 S 880/19, juris Rn. 7.
[3] BGH, Urt. v. 16.06.1993 – I ZR 140/91, juris Rn. 10; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 28.09.1994 – 3 S 1443/93, juris Rn. 26 f.; Unter Berücksichtigung der Unterschiede zwischen Taxi- und Mietwagenverkehr, wie der Rückkehrpflicht zum Betriebssitz, können Annahmen zur Ausgestaltung des Betriebssitzes, die für Mietwagenunternehmer aufgestellt wurden, auch auf den Betriebssitz von Taxiunternehmen übertragen werden, vgl. VG Neustadt a. d. Weinstraße, Urt. v. 22.09.2014 – 3 K364/14.NW, juris Rn. 47.
[4] Das Fehlen eines Hinweisschilds und das ausschließliche Nutzen eines Gemeinschaftsbriefkastens führte zu Zweifeln an der Unterhaltung eines Betriebssitzes, vgl. VG Neustadt a. d. Weinstraße, Urt. v. 22.09. 2014 – 3 K 364/14.NW, juris Rn. 49.
[5] vgl. Fn. 8.
[6] Das Fehlen der erforderlichen büroähnlichen Einrichtung kann ein Indiz gegen die Annahme eines Betriebssitzes sein, vgl. OVG Münster, Beschl. v. 10.03.2017 – 13 B 94/17, juris Rn. 14.
[7] VG Düsseldorf, Beschl. v. 13.01.2016 – 6 L 3815/15, juris Rn. 82.
[8] VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 28.09.1994 – 3 S 1443/93, juris Rn. 28.
[9] VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 28.09.1994 – 3 S 1443/93, juris Rn. 28.
[10] FG Berlin, Urt. V. 08.10.1980 – II 176/80, juris Rn. 18.
[11] VG Frankfurt, Urt. v. 2.10.2009 – 6 K 902/09.F, juris Rn. 18.
[12] Str. so: Bidinger, PBefG, Erg.-Lfg. 1/20, VIII/20, § 47 PBefG, Rn. 158; a.A. Fielitz/Grätz, § 47 PBefG, Rn. 44.
[13] Bidinger, PBefG, Erg.-Lfg. 1/20, VIII/20, § 47 PBefG, Rn. 158.
[14] VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 31.08.2017 – 7 L 2349/17-, juris Rn. 30 ff.; VG München, Beschl. v. 09.06.2022 – M 23 E 22.2580 juris Rn. 28, wobei der zweitinstanzliche Beschl. des VGH München v. 05.09.2022 – 11 CE 22.1606, juris Rn. 20, die Frage der bauordnungsrechtlichen Zulässigkeit eines Betriebssitzes offengelassen hat.
[15] VG Düsseldorf, Beschl. v. 13.01.2016 – 6 L 3815/15, juris Rn. 60.
[16] Vgl. Landkreise wie Erlangen-Höchstadt in Bayern oder Ludwigsburg in Baden-Württemberg.
[17] VG München, Urt. v. 19.03.2003 – M 23 K02/4560, juris Rn. 38.
Beitragsbild: Remmer Witte
Der /die Betriebssitz/e muss sich im Zuständigkeitsbereich der konzessiongebenden Gebietskörperschaft (Kreis, Stadt, Gemeinde) befinden, damit diese ihren Kontrollpflichten nachkommen kann. Außerhalb dieses Gebietes hat sie kein Recht (mehr) dazu (Hoheitsgebiet).
Befinden sich in diesem Bereich mehrere, womöglich auch noch weit voneinander entfernte Gemeinden, so regelt die Tarifordnung, wie der Fahrpreis zu berechnen ist.
Ein Zuständigkeitsbereich kann auch in mehrere Tarifgebiete aufgeteilt sein, wie auch zwei Zuständigkeitsbereiche zusammengelegt werden können.
Eine Gemeinde hat nicht das Recht, Taxitarife für über ihren Zuständigkeitsbereich hinausgehende Flächen festzusetzen, da dieses Recht an der Grenze endet es sei denn, da wurden zwei Bereiche zusammengelegt. Dann müssen aber darin die Tarif- und Beförderungsbedingungen identisch sein.
Der Betriebssitz muss IMMER im im Zuständigkeitsbereich der konzessiongebenden Stelle liegen, ist dort aber an keinen Ort gebunden. Das Recht der Bereithaltung kann in der dafür zuständigen Verordnung geregelt werden.