An der Bahnhofsvorderseite dürfen sich seit diesem Jahr alle Düsseldorfer Taxis bereithalten. Bis 2021 war das per Vertrag nur denen erlaubt, die der größten Zentrale angeschlossen waren. Die zweitgrößte hat kartellrechtliche Bedenken angemeldet und die Regelung angefochten.
Die beiden Taxihalteplätze an der Vorderseite des Hauptbahnhofs der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt waren 53 Jahre lang exklusiv denjenigen Taxis vorbehalten, die der Taxi Düsseldorf eG angeschlossen waren. Andere durften sich hier nicht aufstellen. Lange Zeit galt das als normal und störte niemanden groß.
Das hat sich geändert: Die Bahntochter DB Station & Service AG hat inzwischen Verträge mit allen drei Düsseldorfer Zentralen abgeschlossen, die das Bereithalten aller Taxis vor dem Bahnhofsportal gestatten, womit ein mehrjähriger Konflikt zwischen den Düsseldorfer Zentralen beigelegt ist.
In der 600.000-Einwohner-Stadt Düsseldorf gibt es drei Taxifunkvermittler. Von den etwa 1.240 konzessionierten Taxis sind an die 80 Prozent, also gut 900, der größten und ältesten Zentrale angeschlossen, der 1928 gegründeten Taxi Düsseldorf eG. Der zweiten Zentrale, das ist die 1996 gegründete Rhein-Taxi-Datenfunkzentrale 212121 GmbH, sind an die 150 Taxen angeschlossen. Beim dritten und jüngsten Wettbewerber, der Taxi Ruf Düsseldorf GmbH, die sich Ende 2019 von der großen Genossenschaft abgespalten hat, ist es die gleiche Größenordnung.
Die Genossenschaft Taxi Düsseldorf hatte an der Vorderseite des Hauptbahnhofs faktisch ein Monopol, seit die Zentrale 1969 einen sogenannten Gestattungsvertrag mit der Deutschen Bundesbahn abgeschlossen hatte, die damals die Rechtsform „Sondervermögen des Bundes“ hatte und somit eigentlich kein rechtsfähiges Subjekt war, aber dennoch Verträge abschließen und klagen konnte – und ihre Grundstücke bewirtschaften, beispielsweise durch die Vergabe von Laderechten für Taxis. Mit dem Jahreswechsel 1993/94 wurde aus der westdeutschen Bundesbahn und der DDR-Reichsbahn dann die bundeseigene Deutsche Bahn AG. Die Nutzung der beiden Taxihalteplätze und die damit verbundenen Zahlungen der Taxi Düsseldorf eG liefen weiter, nur eben auf ein neues Konto.
Über Jahrzehnte war es also selbstverständlich und spielte die längste Zeit kartellrechtlich keine Rolle, dass am Vorplatz des Düsseldorfer Hauptbahnhofs exklusiv jedes Taxi laden durfte, das der Genossenschaft angeschlossen war, denn das waren so gut wie alle.
Mit Gründung der zweiten Düsseldorfer Taxivermittlung, der Rhein-Taxi GmbH, änderte sich 1996 die Situation: Durch den bestehenden Vertrag war automatisch eine Benachteiligung der an die neue Zentrale angeschlossenen Taxis gegeben, die sich aufgrund des Vertrags nicht an der Westseite des Bahnhofs bereithalten durften. Wie Dennis Klusmeier, Vorstandsvorsitzender der Genossenschaft gegenüber Taxi Times berichtet, habe sich daran aber zunächst kaum jemand gestört, denn seine Zentrale hatte den Vertrag und bezahlte regelmäßig – und das in „angemessener, partnerschaftlicher“ Größenordnung, also weder geschenkt noch zu Wucherpreisen.
Mit dem Wachsen der kleinen Konkurrenz-Zentrale Rhein-Taxi sahen einige von deren Fahrern es aber als ihr gutes Recht an, sich an öffentlich zugänglichen, als Taxihalteplatz beschilderten Vorfahrten bereitzuhalten, gerade an so wichtigen Orten wie dem Hauptbahnhof, und stellten sich gelegentlich auch an dessen Westseite auf. Es kam wiederholt zur Aussprache von Platzverboten seitens der Bahn gegenüber den „Fremd-Taxen“. Klusmeier: „Das hatte keine geschäftsschädigenden Ausmaße, aber wir haben nunmal gezahlt und die nicht, da ist es nur fair, wenn wir dort exklusiv laden dürfen.“
Ende 2020, als das Taxigewerbe zwangsweise in Corona-Lockdown-Winterstarre lag, wuchs der Konflikt: Nach zunehmenden Beschwerden von Taxiunternehmern bei ihrer Genossenschaft über die unberechtigte Konkurrenz auf den Halteplätzen erhielten am 13. Dezember zwei Unternehmer, die der Rhein-Taxi GmbH angeschlossen waren, auf Betreiben der Genossenschaft kostenpflichtige Abmahnungen, weil ihre Wagen wiederholt die „verbotenen“ Halteplätze angefahren und damit den „berechtigten Kollegen“ noch ein Stück vom abgemagerten Kuchen weggenommen hatten.
Der Höhepunkt der Auseinandersetzung fiel zeitlich mit einem Führungswechsel bei der kleinen GmbH zusammen. Michael Mühlin, der die Rhein-Taxi GmbH Anfang letzten Jahres übernahm, berichtet, wie er von Anfang an den Konflikt mit der DB Station & Service AG und die angespannte Konkurrenzsituation gegenüber der Taxi Düsseldorf eG mit übernahm. Als die „Rheinische Post“ im Februar 2021 über den Konflikt am Hauptbahnhof schrieb und auch mit Mühlin sprach, bezeichnete dieser die bestehende Situation als Kartellverstoß seitens des großen Mitbewerbers und der Bahn-Tochter. Abmahnungen an Taxiunternehmen, die nicht der großen Zentrale angeschlossen sind, deren Fahrer sich am Hauptbahnhof bereithalten, hielt Mühlin für rechtlich unhaltbar. Schon der Fortbestand des Gestattungsvertrages über die Umwandlung der Bundesbahn in ein privatrechtliches Unternehmen hinaus erschien Mühlin bedenklich. Das ließ Mühlin vom renommierten Anwalt für Kartellrecht Dr. Lars Maritzen prüfen. Mühlins Ansicht, es liege ein Kartellrechtsverstoß vor, bestätigte der Jurist.
Nach Rücksprache mit ihrem neuen Zentralenchef lehnten die beiden abgemahnten Unternehmer die Zahlung daher ab. Mühlin trat zunächst in einen außergerichtlichen Schriftwechsel mit dem großen Konkurrenten, der Genossenschaft Taxi Düsseldorf, und konnte diese überzeugen, die Abmahnungen fallen zu lassen. Zudem nahm er die Kommunikation mit der DB Station & Service AG auf, die inzwischen Ansprechpartner im Bahnkonzern war. Nach seiner Schilderung war man sich auch dort nicht sicher, wie die rechtliche Situation eigentlich einzuschätzen sei. Mühlins Anwalt, Dr. Lars Maritzen, machte Druck: „Wettbewerbsrechtlich kann eine derart lange Exklusivitätsbindung nicht gerechtfertigt werden“. Der bestehende Vertrag sei daher juristisch nicht mehr haltbar und müsse geändert werden. Klusmeier erzählt, er habe es gelassen genommen und dem Bahn-Konzern überlassen, wie der damit umgehe. Nach seinem Eindruck hätte man auch dort „keine Lust auf die Auseinandersetzung“ gehabt und dem Druck der Rhein-Taxi GmbH nachgegeben.
Es dauerte nur noch ein knappes Jahr, bis der alte Vertrag schließlich offiziell aufgehoben wurde. Ende 2021 bekamen alle drei Düsseldorfer Zentralen ein neues Vertragsangebot vorgelegt. Ob heute von den einzelnen Zentralen der jeweils gleiche Preis verlangt wird und ob alle drei zusammen so viel bezahlen, wie die Genossenschaft vorher alleine bezahlte, sind gut gehütete Geschäftsgeheimnisse.
Der Düsseldorfer Konflikt hat die Frage aufgeworfen, ob es normal ist, wenn Geld in Form einer Art Platzmiete dafür fließt, dass Taxis ihrer Aufgabe nachkommen, für Fahrgäste bereitzustehen. Wie kommt es, dass Taxihalteplätze vor einigen Bahnhöfen nur bestimmten Taxis zur Verfügung stehen und andere ausgegrenzt werden? Denn was wäre der Hauptbahnhof einer Großstadt ohne Taxis?
Die Vorplätze von Bahnhöfen sind seit eh und je mancherorts Teile von Grundstücken der Deutschen Bahn AG (kurz: DB), die zwar zu 100 Prozent dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) und damit dem deutschen Staat gehört, aber privatrechtlich organisiert ist (ähnlich wie etliche Flughäfen). Daher sind viele Bahnhofsvorplätze juristisch gesehen Privatgrund, wenn auch öffentlich zugänglich, und der Bahn-Konzern kann als Eigentümer privatrechtlich darüber weitgehend verfügen und seine eigenen Regeln erlassen, etwa Parkgebühren oder Nutzungsgebühren für Taxihalteplätze verlangen. Das gilt auch für die Halteplätze am Konrad-Adenauer-Platz und an der Worringer Straße in Düsseldorf-Stadtmitte, jedoch nicht für die Bahnhofs-Rückseite: Der Halteplatz an der Ludwig-Erhard-Allee, im Zuge des Neubaus des östlichen Bahnhofszugangs in den 1980er-Jahren eingerichtet, liegt in Oberbilk auf öffentlichem Straßenland und spielte daher keine Rolle in dem Streit. Auch in München, wo zwei Taxizentralen miteinander konkurrieren, ist das Aufstellrecht am Hauptbahnhof exklusiv an eine Zentrale vergeben. Es dürfte nicht wenige weitere Beispiele geben. ar
Beitragsfoto: Stefan Kehren