Was ist seit Corona aus dem Taxigeschäft in Europa geworden? Diese Frage stand im Mittelpunkt einer internationalen Videokonferenz zwischen Gewerbevertretern.
Die virtuelle Taxikonferenz der European Radio Taxi Association (ERTA), diesmal mit Teilnehmern aus Schottland, England, Frankreich, Deutschland, Schweden, Belgien, den Niederlanden, Österreich, Polen und Australien, lieferte Mitte Januar ein interessantes Update. Für Deutschland nahm BVTM-Vorstandsmitglied Gregor Beiner als Vertreter von taxi.eu und für Österreich Martin Waldbauer (Taxi 31300, Wien) teil.
In den meisten Ländern ähneln die Corona-Einflüsse auf die Entwicklung des Taxigeschäfts einander. Von September bis Mitte Dezember 2021 lief das Taxigeschäft bei den meisten Unternehmern gut, bis die Corona-Maßnahmen in vielen Ländern verschärft wurden. Einschränkungen trafen Hotels, Bars, Restaurants, Theater, Kinos – überall die traditionellen Lieferanten von Taxikunden. Unternehmer arbeiteten schon von zu Hause und sahen ein Abflauen der „Nachtwirtschaft“ (teilweise aufgrund eines Mangels an Fahrern). Viele Taxizentralen senkten ihre festen Beiträge oder stellten auf ein Provisionsmodell um. Einige Taxibetriebe erhöhten ihre Fahrpreise sogar.
In vielen Städten stehen Taxis ungenutzt herum. Fahrgäste sind abgewandert und zum Teil zurückgekommen – viele von ihnen wegen Impfprogrammen mit Taxibeförderung. Selbständige Fahrer wechselten in vielen Ländern in den LKW- oder Kurierbereich. Manche Taxibetriebe und Taxizentralen sahen ihre Größe halbiert. Einige fügten verschiedene Arten von Lieferarbeiten hinzu, die zeitaufwändig und kompliziert und damit bei Fahrern nicht immer beliebt sind. Ein Teil der Fahrer hat sich zum Wechsel in ähnliche Branchen wie LKW- oder Kuriergeschäft entschieden, einige sind in den Ruhestand gegangen. Nach und nach kehren viele aber hinter an das Taxi-Lenkrad zurück.
Schwacher Trost: Der Mietwagensektor kämpft mit den gleichen Problemen. Wesentlich tröstlicher war dagegen die Nachricht, dass nach zehn Jahren Konkurrenz zu Uber & Co. das australische Taxigewerbe immer noch so groß ist wie zuvor.
Ein weiteres internationales Phänomen ist der Mangel an Fahrern. Polnische Unternehmen erlebten, dass zehn Prozent ihrer Fahrer das Unternehmen verließen, rekrutierten jedoch gleich ebenso viele neue Fahrer. In Amsterdam haben 30 bis 40 Prozent der selbstständigen Taxifahrer ihren Beruf aufgegeben. Da Australiens „Grenzen” dicht geschlossen waren, konnten indische oder afrikanische Taxifahrer nicht einreisen.
Vielerorts wurde das Taxigewerbe zudem durch spontane Verkehrsmaßnahmen und (oft) neu beschlossene Umweltzonen aus den Innenstädten verdrängt. Von Taxiunternehmern werden nun Investitionen in emissionsfreie Fahrzeuge erwartet – oft ohne staatliche Unterstützung. Nach wie vor stellen Corona-Maßnahmen Fahrer und Unternehmer vor Herausforderungen. Die betriebliche Planung im Taxigewerbe erfolgt laut Waldbauer „jetzt pro Tag statt wie bisher pro Woche“. Doch Corona hat auch Arbeit geschaffen. Ein australischer Taxiunternehmer verglich es im ERTA-Treffen sogar mit einem Goldesel, da Gemeinden immer mehr Taxis für Impf- und Testfahrten einsetzen.
In mehreren Ländern stehen neue Umweltzonen bevor: In Paris sind ab Anfang 2024 keine Dieseltaxis mehr zugelassen, in Glasgow ab Mitte 2024 und Amsterdam eröffnet seine Umweltzone am 1. Januar 2025. In den meisten Städten investiert das Taxigewerbe in Hybrid- und E-Taxis und experimentiert mit Wasserstofftaxis. Der derzeitige Mangel an elektronischen Komponenten führt zu einer langen Verzögerung bei der Auslieferung neuer Taximodelle. In Schweden, wo Taxis statt herkömmlichem Diesel umweltfreundliche HVO (hydrierte Pflanzenöle) verwenden, ist der Preis für diesen Kraftstoff zuletzt in die Höhe geschossen. Doch in Polen, wo Hybrid eine Kombination aus Benzin und Autogas bedeutet, sind es die Strompreise, die in die Höhe schießen. Der Anstieg der Inflationszahlen plagt alle Unternehmer überall.
Wenn es um E-Taxis geht, gibt es oft eine „Henne-Ei-Diskussion”: E-Taxis zu fördern, ohne dass die Städte in öffentliche (Schnell-)Lademöglichkeiten investieren, funktioniert nicht. Die Stadt Amsterdam hat schon vor Jahren den Einsatz von E-Taxis gefördert und gleichzeitig ein flächendeckendes Netz an Ladestationen ausgerollt. Der größte Haken bleibt das Reichweitenproblem – ein Taxifahrer in Paris braucht mindestens 300 km Batteriekapazität pro Tag – und die Verfügbarkeit angemessener Taxifahrzeuge. Auf dem Land reichen 300 km nicht. Die meisten Acht-Personen-Minivans haben eine zu geringe Reichweite.
Taxiunternehmer in Europa experimentieren mit einer Vielzahl von Taximodellen: Tesla, Hyundai Ioniq5, Jaguar I-Pace, VW ID4, Mercedes EQS und E-Vito sowie dem TXE- und Dynamo-Taxi. Die meisten europäischen Taxiunternehmer sehen das britischen TXE-Modell eher als Hybrid mit begrenzter E-Reichweite denn als richtiges E-Taxi.
In ganz Europa warten Taxifahrer darauf, dass E-Taxis preislich wettbewerbsfähiger werden, oder hoffen auf (neue) staatliche Förderprogramme. In Polen gibt es keine Förderung, und die Regierung hat gerade eine neue neunprozentige Gewinnsteuer erfunden. Paris freut sich sowohl auf die Olympischen Spiele als auch auf ein ordentliches Förderprogramm für E-Taxis.
Gregor Beiner konnte in dieser Hinsicht auf das Testprogramm für induktives Laden in Köln und auf das Hamburger Förderprogramm hinweisen, wo in einem Jahr (2021) 105 neue E-Taxis auf die Straße gebracht wurden. Wien und Graz erproben das mechanische Ladesystem Easelink, bei dem sich das Taxi über eine Anschlussplatte mit dem Stromnetz des Taxistands verbindet.
Die ERTA, die vor 30 Jahren als Benutzergruppe für MDI/Motorola-Taxizentralen gegründet wurde, traf sich bisher zweimal im Jahr „live“, um die Macken des Systems und andere Taxi-Neuigkeiten zu diskutieren. Vor Corona veranstaltete die ERTA ein jährliches Treffen für etwa 40 internationale Taxispezialisten – zuletzt in Berlin. Das nächste Treffen, geplant für Wien, musste immer wieder verschoben werden.
Mit Geoffrey Riesel (ehemaliger CEO von Radio Taxis in London) als Vorsitzendem trifft sich diese locker gestrickte Gruppe von Taxiprofis nun alle zwei bis drei Monate – virtuell. wf
Beitragsfoto: Black & White Cabs, Australien