Taxis statt Mietwagen bei Olympia in Paris, geniales Marketing in Wien, Kein Uber in Kopenhagen, volle Auslastung in Glasgow – beim jährlichen ERTA-Treffen, diesmal in der Türkei, tauschen sich Taxizentralen besonders praxisnah über aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen aus.
Jedes Jahr Ende Mai kommen zahlreiche Taxiunternehmen aus verschiedenen europäischen Ländern in der European Radio Taxi Association (ERTA) zu einer gemeinsamen Momentaufnahme der europäischen Taxibranche zusammen. Im Plenum tauschen sie sich über die neuesten Entwicklungen in ihrem Land und ihrem Unternehmen aus. „Aber noch wichtiger“, sagt Armand-Joseph Oudin, Co-Geschäftsführer des Pariser Taxiunternehmens G7, „sind die separaten Gespräche mit einzelnen Kollegen über aktuelle Themen wie Nachhaltigkeit. Welche Lehren haben unsere Kollegen gezogen und wo stehen sie im Elektrifizierungsprozess?“
Da die ERTA Unternehmer mit Unternehmern zusammenbringt, die mit den praktischen Aspekten des Geschäftsbetriebs und der (inter-)nationalen Taxipolitik befasst sind, unterscheidet die ERTA sich von Organisationen wie den Taxigruppen der IRU (International Road Transport Union) und UITP (Union Internationale des Transports Publics), bei denen insbesondere Taxiverbände das Sagen haben. Die Lobbygruppe Taxis4SmartMobility (T4SM), die vor allem wegen der Lobbyarbeit für die – inzwischen verabschiedete – EU-Richtlinie für Plattformarbeiter gegründet wurde, ist ein aktiver Hybrid aus Unternehmern und Gewerkschaften.
Diesmal luden die ERTA und der Sponsor taxi.eu am 23. und 24. Mai Kollegen in die nordwest-türkische Region Sakarya, zwischen Istanbul und Ankara gelegen, ein. Die lange Anreise, aber auch bevorstehende Jahresversammlungen daheim dürften einige Unternehmen „abgeschreckt“ haben, denn statt der normalerweise fast 20 vertretenen Länder waren es diesmal neun Länder (Finnland, Deutschland, Schottland, Frankreich, Niederlande, Irland, Österreich, Dänemark und Malta) mit 20 Vertretern. Der thematischen Vielfalt tat dies allerdings keinen Abbruch. Das letzte Land, Malta (mit der Firma eCabs), war ein bemerkenswerter Neuling. Dieses auf einer hocheffizienten, selbst entwickelten App basierende Unternehmen ist auch bereits in Rumänien und Griechenland aktiv. In diesem Jahr kommen drei Länder hinzu.
Neben dem anhaltenden Kampf um Regulierung und die vielerorts mangelnden Kontrollen, insbesondere der Mietwagenbranche, sind Themen, die die internationale Taxibranche eint. Der Wettbewerb mit oft nur schwach oder gar nicht regulierten Plattformen und die Umsetzung der Plattformarbeiter-Richtlinie, Vermarktung von Taxiprodukten (insbesondere an eine jüngere, stark App-orientierte Zielgruppe) und Nachhaltigkeit umtreiben das Gewerbe überall. In vielen ERTA-Städten gingen die Taxizahlen zurück, als Uber auf den Plan trat – oft mit illegalen Modellen wie UberPop. Doch viele Taxiunternehmen konkurrieren inzwischen erfolgreich mit Plattformen, indem sie sich auf bestimmte Märkte (Geschäftskunden, Hotels etc.) konzentrieren und verlässliche Mehrwerte bieten.
Wenn es um den Wettbewerb zwischen Taxis und Plattformen geht, ist die Situation in Kopenhagen einzigartig. Uber gab dort auf, weil nach den neuen Taxiregeln in Dänemark mit Taxametern und Sitzkontakten gefahren werden musste. Anscheinend war das zu viel verlangt.
Im finnischen Tampere gebe es „keine nennenswerte Konkurrenz“ und in Paris scheint der Taxisektor die Oberhand gewonnen zu haben. Dort müssen Mietwagen jetzt nach strengen Regeln fahren. Dass andere Städte – etwa London – mit Uber & Co. zu kämpfen haben, liegt meist an mangelnden Kontrollen durch die Genehmigings- und Aufsichtsbehörden, sei es aus Unwissenheit oder manchmal aus purer Unwilligkeit. Beispielsweise führte Free Now in Irland illegale „technische“ Zuschläge zusätzlich zum Fahrpreis ein, gegen die die nationale Regulierungsbehörde keine Maßnahmen ergriff. In Berlin, wo die Zahl der Taxis in den letzten Jahren von 8.300 auf 5.600 sank und die Zahl der legal konzessionierten Mietwagen auf 4.300 stieg, stellte die Zulassungsbehörde kürzlich fest, dass weit über ein Drittel der tatsächlich aktiven Mietwagen völlig illegal verkehren.
Im schottischen Glasgow scheint es, dass die streng regulierten 650 Taxis, bekannt als „Glasgow Taxi – Your City’s Friend“, bei einem Auftragsvolumen, das – wie bei den meisten Taxiunternehmen in der EU – deutlich über dem von 2019 liegt, oft über der Kapazitätsauslastung genutzt werden und laut öffentlichen Umfragen effizient im Wettbewerb mit den Plattformen sind.
Ebenso nutzt die Zentrale Taxi 40100 Wien (1.700 Taxis) ähnliche Umfragen und eigene tiefgreifende Recherchen, um ihren Ansatz gegenüber Plattformkonkurrenten zu verfeinern. Das Motto von Geschäftsführer Christian Holzhauser: „Bauen Sie auf Ihrer eigenen Stärke und Ihrem Wissen vor Ort auf und versuchen Sie nicht, das Marketingbudget der Apps zu übertreffen.“
Das Taxi in den Fokus der App-Nutzer zu rücken und eine junge Kundengruppe anzusprechen, ist für alle Taxiunternehmen eine besondere Marketing-Herausforderung.
In Paris werden in sechs Wochen Tausende Sportler, Zuschauer und Touristen zu den Olympischen Sommerspielen von 26. Juli bis zum 11. August erwartet. Da die Stadtverwaltung private Autos so weit wie möglich aus der französischen Hauptstadt fernhalten möchte, werden die Gäste hauptsächlich über Bahnhöfe und Flughäfen anreisen. In Paris sind sie damit stärker auf U-Bahnen, Straßenbahnen, Busse und natürlich auf Taxis angewiesen. Um einen Top-Service zu bieten, müssen die Fahrer der 20.000 Pariser Taxis in dieser Zeit hart arbeiten. Das Besondere an diesen Spielen ist, dass sich viele der Standorte im Zentrum von Paris befinden, was bedeutet, dass sich die Olympischen Standorte und die Straßensperrungen täglich ändern werden.
Lokale Taxis werden bei diesem olympischen Spektakel eine große Rolle spielen. Eine besondere Anordnung könnte dabei für Neid sorgen: „Taxis – nicht Mietwagen – werden einzigartigen Zugang zu den reservierten Fahrspuren und Sonderbereichen für olympische Veranstaltungen haben“, sagte Armand-Joseph Oudin, Geschäftsführer des größten Pariser Taxiunternehmens G7 (10.000 der 20.000 Pariser Taxis). Er fügte hinzu: „Aufgrund der täglichen Änderungen auf gesperrten Straßen und Sportplätzen wird die Situation für unsere Taxifahrer sehr komplex sein. Wir werden sie täglich mit engagierten Teams und speziellen Treffpunkten für Kunden in den olympischen Gebieten unterstützen. Das ist besonders wichtig für unsere 300 Rollstuhlfahrzeuge, die über einen eigenen Buchungs- und Betreuungsservice verfügen.“
Im Unterschied zu früheren ERTA-Treffen galt das Augenmerk nicht nur den Aktivitäten der Lobbygruppe Taxis4SmartMobility (T4SM), sondern auch denen der Taxigruppe der International Road Transport Union (IRU). Sprecher der IRU, T4SM und der ERTA-Gruppe appellierten an die Anwesenden, sich diesen Gruppen anzuschließen und ihre Lobby-Aktivitäten zu unterstützen. Insbesondere bei der nationalen Umsetzung der Plattformarbeiterrichtlinie sei die Lobbyarbeit der Taxiunternehmen, etwa mit dem Ziel, Taxizentralen vom Geltungsbereich der Richtlinie auszunehmen (und selbständige Unternehmer nicht als Arbeitnehmer einzustufen), von wesentlicher Bedeutung.
Für den Sponsor der Tagung, taxi.eu, war Geschäftsführer Hermann Waldner zusammen mit Berliner Mitarbeitern vor Ort. Waldner, zugleich Vizepräsident des Bundesverbandes Taxi und Mietwagen e. V. (BVTM), zeigte die neuesten Entwicklungen bei TaBeA, dem von FMS Austrosoft und der Deutschen Bahn gemeinsam entwickelten System, mit dem nun jeder Bahnfahrgast, der irgendwo in Deutschland gestrandet ist, mit quasi jedem Taxi über ein kostenloses elektronisches Fahrticket an sein Ziel gelangen kann. Hier leisten die Deutsche Bahn und der BVTM weiter Pionierarbeit und konnten gerade kürzlich einen weiteren Digitalisierungsschritt präsentieren.
Nach der ERTA-Konferenz besuchte die Gruppe die Buchungszentren von taxi.eu, wo 208 türkische Frauen, die perfekt Deutsch sprechen (oft mit einem lokalen Akzent aus der Gegend, in der sie in Deutschland, Österreich oder der Schweiz lebten), die Telefonate vieler Taxikunden beantworten, und das für Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Die ERTA wurde ursprünglich von den Funkzentralen Taxa 4×35 in Kopenhagen, Taxi Stockholm und Taxis G7 in Paris ins Leben gerufen und jahrelang von Geoffrey Riesel, dem früheren Geschäftsführer der Londoner Radio Taxis Group, geleitet. Rund zwanzig Jahre nach ihrer Gründung ist die Gruppe – ein einzigartiges Forum für Taxiunternehmer und ‑unternehmen – immer noch sehr aktiv und bietet Betreibern eine einzigartige Gelegenheit, sich informell mit europäischen Kollegen über Alltagserfahrungen auszutauschen. ERTA bietet eine praxisnahe Sichtweise und Raum für den informellen Austausch von Geschäftspraktiken.
Beim letztjährigen ERTA-Treffen in London 2023 hatte Geoffrey Riesel die Führung an Hedy Borreman, die Geschäftsführerin der Taxicentrale Amsterdam (TCA), als Vorsitzende und an Vinny Kearns, Geschäftsführer von NXT Taxis in Dublin, als vorläufigen Co-Vorsitzenden übergeben. Kearns trat nach der letzten Sitzung zurück. Wim Faber blieb weiterhin Berater.
Das nächste ERTA-Treffen wird 2025 in Amsterdam stattfinden. Für das Jahr 2026 ist die ERTA-Tagung dann in Paris geplant. wf
Fotos: Wim Faber