Der EU-Rat und das Europäische Parlament haben eine vorläufige Einigung über einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Plattformarbeitern erzielt. Die Einschätzung, ob das auch Taxizentralen betreffen wird, bleibt vage formuliert.
Bei dieser Richtlinie geht es im Kern darum, ob Menschen, die für diverse digitale Plattformen arbeiten, dies (weiterhin) auf selbständiger Basis machen oder ob sie arbeitsrechtlich gesehen wie Angestellte der Plattformen einzustufen sind. In letzterem Fall wären diese Menschen dann unter anderem sozialversicherungspflichtig. Das Geschäftsmodell vieler Plattformen, unter anderem auch das der Fahrdienstleister Uber und Bolt, wäre dann in seinen Grundmauern erschüttert.
Entsprechend groß (und fragwürdig aggressiv) ist auch deren politischer Lobby-Einfluss auf den genauen Text dieser Richtlinie, die am 9. Dezember 2021 erstmals von der EU-Kommission veröffentlicht worden war. Danach folgten noch eine Einschätzung des Europäischen Parlaments und vor einigen Monaten eine Bewertung des EU-Rats. Alle drei Entwürfe gingen anschließend in einen so genannten „Trilog“, einer gemeinsamen Beratung, deren Ergebnisse in dieser Woche nun veröffentlicht wurden.
Wird diese Einigung und der daraus resultierende Textentwurf nun von beiden Institutionen angenommen, geht die Richtlinie an die Mitgliedsstaaten der EU, die dann wiederum zwei Jahre Zeit haben, um sie auch in nationales Recht umzusetzen.
Gewerkschaften in vielen EU-Mitgliedsstaaten haben in ersten Reaktionen die neuen – vorläufigen – Regeln schon begrüßt, was darauf schließen lässt, dass die eigentliche Absicht dieser Richtlinie größtenteils erfüllt wurde: Die EU will die Plattformarbeiter aus ihrer Scheinselbständigkeit holen. Taxi Times hat die wichtigsten Punkte dieser Richtlinie in diesem Beitrag zusammengefasst.
Das Gefährliche aus Sicht des Taxigewerbes an dieser Richtlinie war allerdings, dass im Ursprungstext der EU-Kommission auch die klassischen Taxizentralen mit den digitalen Plattformanbietern gleichgesetzt worden wären. Das würde dann in der Konsequenz bedeuten, dass jeder Solounternehmer, der einer Taxizentrale angeschlossen ist, ebenfalls als Arbeitnehmer einzustufen wäre. Die Taxizentrale hätte dann unter anderem Sozialversicherungsbeiträge für jeden bei ihr angeschlossenen Einzelunternehmer bezahlen müssen.
In diesem Punkt hatte also auch die Europäische Taxibranche auf die EU Einfluss genommen. Sowohl die IRU als auch die Organisation Taxis4SmartCities haben in den vergangenen Jahren darauf eingewirkt, dass klassische Taxizentralen von der EU-Richtlinie für Plattformarbeiter explizit ausgenommen werden. Im Textentwurf, den das Europäische Parlament vor genau einem Jahr eingebracht hatte, war dies dann auch tatsächlich so formuliert worden. Im Entwurf des EU-Rates im Sommer dieses Jahres war es dagegen nicht aufgetaucht.
Entsprechend groß war die Spannung, wie Taxizentralen im nun zur Abstimmung vorgelegten gemeinsamen Text behandelt werden.
In der entsprechenden Textpassage des englischen Originaltextes heißt es dazu: „’Digital labour platforms differ from other online platforms in that they use automated monitoring or decision-making systems to organise work performed by individuals at the request, one-off or repeated, of the recipient of a service provided by the platform.“
Frei übersetzt bedeutet dies, dass sich digitale Arbeitsplattformen von anderen Online-Plattformen dadurch unterscheiden, dass sie automatisierte Überwachungs- oder Entscheidungsfindungssysteme nutzen, um Arbeit zu organisieren, die von Einzelpersonen auf einmaligen oder wiederholten Wunsch des Empfängers einer von der Plattform angebotenen Dienstleistung ausgeführt wird. Im weiteren Text wird dann noch ausgeführt, dass diese Merkmale digitale Arbeitsplattformen zu einer besonderen Form der Organisation der Dienstleistungserbringung durch Selbstständige im Vergleich zu traditionelleren Formen der Organisation der Dienstleistungserbringung machen. Als Beispiel für solche traditionellen Formen wird auch die Vermittlung von Transportdienstleistungen genannt (im Originaltext lautet die Passage: “These features make digital labour platforms a distinct form of organising the service provision by independent professionals compared to more traditional forms of organising service provision, such as traditional forms of ride hailing or transport services dispatch.”
„Die Taxizentralen werden nicht mehr namentlich ausgeschlossen, jedoch erfolgt eine Unterscheidung in der Definition zwischen traditionellen und digitalen Vermittlern“, fasst Gregor Beiner die wichtigsten Passagen aus Taxisicht zusammen. Für eine weitere Bewertung sei es noch zu früh.
Beiner ist der Vorstand der europäischen Organisation „Taxis4SmartCities“, einem Verbund mehrerer europäischer Taxiorganisationen. Ihm gehören aus Deutschland sowohl der Bundesverband Taxi- und Mietwagen (BVTM) an als auch der Zentralenverbund Taxi Deutschland. Letzterer finanziert diese wichtige Form der europäischen Lobbyarbeit. jh
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Ich glaube, dass diese Entscheidung eine sehr wackelige ist. Es sieht zunächst so aus, als wird es zahlreiche Lücken geben, die eine Abhängigkeit der Fahrer, vom Plattformbetreiber widerlegen können. So wie ich selbst auch widerlegen kann, dass ich mich nicht von meiner Taxizentrale organisieren lasse. Mut einer solchen Argumentation wären alle Taxifahrer ab sofort ja im Beamtenstautus, weil deren Preise, die Arbeitszeit und die sonstige Arbeitsweise vorgeschrieben ist. Ich kann mir beim besten Willen kaum vorstellen, dass das wirksam greift.