Die Berichterstattung des ARD Mittagsmagazins Mitte Oktober brachte die Taxi-Problematik auf den Punkt: Uber, Moia und Co sind nicht die Heilsbringer für die gewerbliche Fahrgastbeförderung, aber auch Taxi bekleckert sich nicht unbedingt mit Ruhm.
Ein Kommentar von Remmer Witte
Vor allem aber erklärt Taxi nicht selbstbewusst „dann zeigt mal, was Ihr könnt, wir freuen uns auf gute Zusammenarbeit“, sondern verhält sich zu defensiv. Dies wird als engstirnig und besitzstandswahrend wahrgenommen und so finden die Einwände der oft eh suspekten Taxi-Seite bisher kaum Gehör.
Der befragte Staatssekretär aus dem Verkehrsministerium bringt gegenüber dem ARD-Mittagsmagazin seine Sicht der Dinge auf den Punkt, indem er feststellt, dass eben die gesamte individuelle gewerbliche Fahrgastbeförderung bezüglich ihrer Sozialstandards keinen guten Ruf hat. Und damit nimmt er dann auch der ARD-Moderatorin den Wind aus den Segeln.
Viele Chancen sind schon vergeben. Die bisherige Pooling-Basis im PBefG widerspricht klar der zeitgleichen Genehmigung von mehreren gleichartigen Verkehrsmodellen, sie widerspricht fehlender Dokumentation dieser Erprobungen und sie widerspricht der zeitgleichen Neukonzessionierung konservativer Mietwagen, die parallel nach unseren verlorenen Touren jagen. Eigentlich wäre die Verpflichtung zu öffentlich einsehbaren Dokumentationen als Datenbasis zukünftiger Folgegenehmigungen zu erwarten gewesen, bis heute aber kennt niemand außerhalb der Anbieter selbst deren Pooling-Quoten.
Und die Formulierung „..abweichend von den Vorschriften des Gesetzes …“ aus §2, Abs. 7 PBefG hätte vielleicht sogar ähnlich dem aktuellen Lockdown für die Gastronomie einen zeitweiligen Konzessionsstopp für Mietwagen legitimiert, denn die massive Gefährdung des einzigen verbleibenden 24/7-Anbieters, nämlich dem Taxi, beeinträchtigt die öffentlichen Verkehrsinteressen durch diese parallele Uberflutung durchaus – auch im Interesse der neuen Sammler, und eine solche strikte Kontingentierung gilt ja auch im Linienverkehr. Diese immerhin mögliche Chance ist verpasst und heute sitzen die Jäger und Sammler gemeinsam an genau dem Tisch, an dem Taxi meist keinen Platz findet.
Auch eine Karenzzeitregelung war aus Zentralensicht sicherlich ein probates Mittel gegen die neuen Mitbewerber, in der Öffentlichkeit aber wirkt diese leider eher kleinkariert und hilflos. Aus Kundensicht ist eine gebührenpflichtige Vermittlungszentrale immer ein Makler, egal, ob das Konstrukt Genossenschaft oder FreeUber heißt. Und Sympathien für die Interessen von Maklern zu wecken, dürfte wohl auch Taxi nicht gelingen. Insofern kann Taxi zwar gern „seine“ Zentralen unterstützen, in der öffentlichen Diskussion aber sind deren Interessen eher nicht vermittelbar.
Gibt es dennoch Alternativen? Vielleicht, auch wenn dies aus den genannten Gründen wohl eher für die Interessen des Taxis als Ganzes gilt und nicht für die großer Zentralen. Taxi fährt alltäglich einige 100.000 Kunden und über 50.000 Heckdeckel durch das Land. Auch wenn politische Werbung auf dem Taxi untersagt ist, wäre es doch einen Versuch wert, ob 50.000 Heckdeckel nicht einen aussagekräftigen Button mit einem griffigen Statement spazieren fahren können, ohne dass Ordnungsbehörden einschreiten. Gleichzeitig könnten diese Taxis Flyer mit wenigen, gut nachvollziehbaren Argumenten verbreiten, die sympathisch aufzeigen, was Taxi alles leisten kann.
Taxi muss der Gesellschaft erklären dass es das flexibelste und anpassungsfähigste individuelle Transportmittel ist, innovativ und modern, denn genau diese Nachricht fehlt in der aktuellen Diskussion. Das geht durchaus, denn Taxi kann so viel, niemand kann mehr. Taxi sammelt, elektrifiziert, digitalisiert, nutzt KI und setzt einige 100.000 ortskundige Mitarbeiter ein. Taxi will also keine Schutzgesetze zementieren, sondern will die legitime Chance erhalten, mit seinen kleinen mittelständischen Unternehmungen Geld zu verdienen, ohne dieses dann globalisierten Maklern in den Rachen werfen zu müssen. Taxi will Innovation und lebt sie, hat aber gegen blinde Globalisierung keine Chance. Die Herausforderung dabei ist, ob Taxi diese Message auch jüngeren Menschen vermitteln kann, die zwangsläufig weniger Berührungsängste mit der Globalisierung haben, denn dies sind ja die Kunden der Zukunft.
Demos werden zwar zunächst Aufmerksamkeit bringen, die Frage ist dann allerdings auch, ob Taxi eine echte Message anzubieten hat. „Das ist gemein, wir sind dagegen dass Ihr dafür seid“ oder „Uber weg, Uber weg“ wird da sicherlich nicht ausreichen, um wirklich was zu erreichen.
Dies könnte dann vielleicht so oder ähnlich:
- Taxi will und kann digitale Vermittlung. Aber Taxi braucht dazu keine kostenpflichtigen Makler, denn genau die können sich Taxi und seine Kunden nicht leisten.
- Taxikunden ist es egal, welche App oder welche Telefon-Nr. sie wählen, solange sie dort den erwünschten Rund-Um-Service erhalten. Diese Angebote existieren bereits, dafür braucht niemand Uber & Co.
- Taxi arbeitet 24/7 und braucht daher eine Tarifpflicht. Der Mindestlohn erzwingt in Kombination mit der Betriebspflicht einen marktgerechten Mindestpreis, der seit Jahrzehnten regelmäßig behördlich ausgelotet wird. Taxikunden zahlen so immer einen fairen Preis, allerdings ohne Subventionen der Global Player.
- Taxi will und kann schon seit Jahrzehnten Sammelverkehre effektiv organisieren, wo immer dies sinnvoll und ökonomisch möglich ist. Taxi übernimmt daher gern die Aufträge der neuen Anbieter, genauso wie vom ÖPNV.
- Es ist ökologisch und volkswirtschaftlich unsinnig, wenn jeder Anbieter seinen eigenen Fuhrpark mit seinen eigenen Mitarbeitern auf die Straße bringt. Niemand braucht noch mehr Autos und es macht auch keinen Sinn, die vorhandenen Beförderungswünsche auf immer mehr Mitarbeiter zu verteilen.
- Taxi ist Car-Sharing mit Chauffeur. Vom kleinen Viersitzer bis zum Großraum-Van hat Taxi rund um die Uhr fast jeden PKW-Typ im Angebot und Taxi fährt ca. 50 – 100.000 Kilometer pro Jahr. Genau das bringt Car-Sharing wirklich auf den Punkt – effektiver geht es nicht.
- Silvester und Oktoberfest oder Hopp-on/hopp-off für mobile Durchschnittsfahrgäste in den Metropolen kann jeder. Taxi ist 365 Tage im Jahr rund um die Uhr gern auch bewegungseingeschränkten Fahrgästen oder Senioren und Kindern behilflich.
- Taxi braucht seine Rushhour, um seinen 24/7-Betrieb zu finanzieren. Und die Spreu trennt sich vom Weizen bei der Frage, wer denn beispielsweise während eines Lock-Downs oder in der Montagnacht für die wenigen verbliebenen Fahrgäste verfügbar ist und wer den Betrieb einstellen darf?
Die letzte Frage war rein rhetorisch, denn es gibt darauf nur eine Antwort: Taxi und sonst niemand! rw