Als größte flämische Stadt mit etwa 500.000 Einwohnern hat Antwerpen sich diese Woche entschieden, keine ‘Taxistand-Taxen’ mehr zu genehmigen. Stattdessen engagiert man sich voll und ganz für Plattform-Taxis – als direkte Folge der Uber-freundlichen Deregulierungspolitik der flämischen Regierung. Das lokale Taxigewerbe, vereint in dem Taxiverband APTU, nennt die Maßnahme ein ‘Glücksspiel’.
Nicht nur der nationale Taxiverband GTL, auch der Verband der Flämischen Städte und Gemeinden (VVSG) und der Mobilitätsrat von Flandern (MORA) haben regelmäßig davor gewarnt, dass die neuen flämischen Vorschriften nicht allen Personenbeförderern gleiche Wettbewerbsbedingungen garantieren. Die Städte halten im Moment immer noch ein gewisses Maß an Kontrollhoheit über ihre Taxis, aber in der Hafenstadt Antwerpen sind jetzt Tarif und Zahl der Taxis frei. Stadtrat Koen Kennis, Architekt dieser Pläne, hofft sogar, Einfluss auf Uber ausüben zu können, dass diese auch den angestellten Taxifahrern der Stadt einen Job geben. In dieser Traumwelt sieht der Stadtrat – übrigens ein Fan von taxi.eu – kein Platz für Taxistände und ‘Taxistandtaxis’. In seiner Stadt soll es nur ‘App-Taxis’ geben.
Diese ‘App-Taxis’, die sogenannten ‘Straßentaxis’, können überall in Flandern dereguliert agieren (keine festen Preise und eine unbegrenzte Anzahl von Genehmigungen) und wenn die bislang geltende 15-minütige Karenzzeit (Vorbestellfrist) bald von der flämischen Regierung abgeschafft wird, können die Straßentaxis auch Kunden abholen, die eine Fahrt innerhalb des Standortbereichs der ‘Taxistandtaxen’ bestellt haben. Damit gerät deren Geschäftsmodell sehr stark unter Druck.
Antwerpen geht dies auf seine eigene Weise an, indem es einfach keine ‘Taxistandtaxen’ mehr in der Stadt zulässt. Das hat weitreichende Konsequenzen: Die Stadt verliert die Kontrolle über die Taxis, sowohl in ihrer Anzahl als auch in ihrer Preisgestaltung.
Im gleichen Zuge verschwinden auch die für die Taxistandtaxis vorbehaltenen geschützten Zonen. Die lokalen und föderalen Taxiverbände APTU und GTL erwarten ein Überangebot an Taxis in der Nähe der Bahnhöfe und anderer Orte in der Stadt, die somit schnell überfüllt sind. Das wird für Unruhe im Stadtgebiet sorgen. Auch weil die ‘Straßentaxis’ im Gegensatz zu den ‘Taxistandtaxen’ äußerlich als solche schwer erkennbar sind.
Die ‘Straßentaxis’, die durch die Stadt fahren oder irgendwo auf Kunden warten, können ihre Preise frei wählen. Dies können auch dynamische Preise sein, die sich je nach Angebot und Nachfrage unterscheiden. “Wie kann das auf transparente Weise funktionieren, all diese unterschiedlichen Preisformeln nebeneinander?” fragen sich die Verbände. “Und wird das nicht zu Missbrauch führen? Oder wird davon ausgegangen, dass das gesamte Geschäft am besten von einem Monopolisten übernommen wird?”
Es gibt Befürchtungen hinsichtlich der Löhne von Fahrern, die als Arbeitnehmer arbeiten (in Antwerpen liegt deren Anteil momentan bei 70 Prozent). Wenn Arbeitgeber nicht mehr in der Lage sind, ihren Fahrern den Mindestlohn zu zahlen, kommt die Angst vor einer Entlassungswelle und der Umstellung auf Taxis mit selbständigen Fahrern, die alle über eine Zentrale oder eine App arbeiten. Die Reaktion der Gewerkschaften auf die Entscheidung des Antwerpener Stadtrats zeigt, dass diese Angst berechtigt ist.
Die Taxiverbände haben keine Beispiele für Großstädte in Europa ohne ‘Taxistandtaxen’ gefunden. Auch in den Niederlanden, wo der Taximarkt seit mehreren Jahren stark dereguliert ist, gibt es neben einem ‘Bestellmarkt’ (über Taxizentralen und Apps) einen ‘Einstiegsmarkt’ (am Taxistand). In den Niederlanden folgen Taxis in Städten normalerweise dem national festgelegten Höchstpreis, in Flandern hat die Regierung jedoch keinen Höchstpreis festgelegt. Aufgrund der Abschaffung der stärker regulierten ‘Taxistandtaxen’ in Antwerpen bekommen Kunden künftig schnell schwankende Taxipreise, die selbst für ortsunkundige Reisende nur schwer vollziehbar sein werden.
Das nationale Taxiverband GTL hofft, dass andere Städte in Flandern diesem Beispiel nicht folgen werden. Für Antwerpen fordert der lokale Taxiverband APTU – der die neue Regelung schlicht ein ‘Glücksspiel’ nennt – eine kontinuierliche Wirkungsanalyse, besonders in Bezug auf Servicequalität, Belästigung (von Taxifahrer auf der Suche nach Kunden) und der Effekte auf den lokalen Taxi-Arbeitsmarkt.
Koen Van Oorschot, Direktor von Antwerp-Tax, der größten Taxizentrale in Antwerpen und Eurocab-Präsident meint: “Die Stadt Antwerpen rollt den roten Teppich für große internationale Plattformen aus. Sehr seltsam, weil die Stadt alles Mögliche tut, um die lokale Wirtschaft zu fördern. Nur im Falle des Taxisektors passiert das Gegenteil. Hier begrüßt man große internationale Akteure, welche die Sozialgesetze missachten und jede Form der sozialen Höflichkeit ignorieren, um für sich selbst zu sorgen.”
Auch in einem anderen Bereich widersprechen die Taxiregelungen den eigentlichen kommunalen Zielen. „Die Stadt legt Quoten für verschiedene Teilsysteme wie gemeinsame Autos, gemeinsame Fahrräder und Motorroller fest, um die Unannehmlichkeiten zu begrenzen und die Rentabilität zu gewährleisten. Im Taxisektor werden die Quoten jetzt aufgehoben und die Tarife freigegeben. Das ist sehr seltsam. Ist der Druck auf die Regierung so groß, dass sie jetzt umgekehrt handeln?“ wf
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