Im Tiroler Zillertal haben fast alle Taxis acht Plätze. Das örtliche Gewerbe lebt – wie die ganze Region – überwiegend vom Tourismus. Die Branchen in Skiorten sind als Schicksalsgemeinschaft voneinander abhängig. Mit der Rückkehr der Urlauber hat das Geschäft sich nur zum Teil erholt. Eine Bilanz zum Ende der Wintersaison
Kristjan Litrop sitzt um kurz nach 16 Uhr, einer eher auftragsschwachen Uhrzeit, in seinem weißen Mercedes Vito mit der Aufschrift „Taxi Kröll“ auf dem Taxistandplatz am Bahnhofsgebäude in Mayrhofen. Der Bahnhof ist ein kleines Ende der Welt im europäischen Bahnnetz, denn hier liegt die südliche Endstation der Zillertalbahn, einer gut frequentierten Schmalspurbahn mit leicht nostalgischem Charme. Für Auswärtige, die ohne eigenes Auto anreisen, ist sie eine landschaftlich reizvolle Touristenattraktion und zugleich Urlaubsanschluss, für Einheimische ein normales Nahverkehrsmittel. Dass am Bahnhof nur Platz für drei Taxis ist, ist ein Relikt aus einer Zeit vor dem Massentourismus, denn für viele Urlauber mit Skigepäck ist das Taxi ein unverzichtbarer Teil der Reisekette.
Besser betuchte Touristen lassen sich statt vom roten Bummelzug eher von Kristjan Litrop oder einem seiner Kollegen am Flughafen abholen und absetzen, meist Innsbruck (73 km), und wenn es besonders gut läuft, auch mal Salzburg (169 km) oder München (183 km). Auch Kitzbühel, Kufstein oder die „Kristallwelten“ in Wattens sind an guten Tagen keine seltenen Fahrziele.
Das „täglich Brot“ für die knapp 30 Taxis, die in Mayrhofen rund um die Uhr im Einsatz sind, sind aber Urlauber, im Winter meist mit Skiausrüstung, die sich hauptsächlich zwischen den Talstationen der Bergbahnen, den Après-Ski-Lokalen und den Unterkünften hin und her kutschieren lassen. Das sind mitunter lohnende Touren, da im Zillertal auf knapp 50 Straßenkilometern fünf sehr große und zwei kleinere Skigebiete erreichbar sind, zwischen denen Skipass-Inhaber nach Belieben wechseln können.
Das zweite größere Standbein sind Krankenfahrten, öfters in die Landeshauptstadt Innsbruck, manchmal auch „nur“ 40 Kilometer in die Bezirkshauptstadt Schwaz (daher das Kfz-Kennzeichen SZ). Zusammen mit den Schülerfahrten bilden sie eine ganzjährige Konstante. Hinzu kommen Apotheken- und Einkaufsfahrten. Auch Privatleute bilden einen regelmäßigen Kundenstamm, denn wenn die berühmte „Oma zum Arzt“ muss, braucht sie überall ihr Taxi, und da das Touristengeschäft im Zillertal für Wohlstand sorgt, nimmt sie das Taxi auch mal zum Frisör, oder um die Hochzeitstorte zur Schwiegertochter bringen zu lassen.
Im Corona-Winter 2020/21, als in so vielen Ländern Lockdown herrschte, lief es alles andere als gut. Es kamen keine Touristen, Hotel- und Restaurantgewerbe gerieten ebenso in Schwierigkeiten wie das Taxigewerbe, dessen Umsätze um bis zu 95 Prozent einbrachen. Viele Mitarbeiter mussten durch Kurzarbeit gerettet werden, verloren ihre Jobs oder suchten sich etwas Neues. Noch heute haben die Betriebe Schwierigkeiten, in der weiteren Umgebung wieder Personal zu finden. Nicht selten hört man Kellner die Bestellungen auf englisch in die Küche rufen. Fachkräfte sind gerade auch auf dem Land in vielen Branchen Mangelware.
Die Großraumtaxis im Zillertal fallen durch ihr ansprechendes Äußeres auf. Die Skigebiete mitsamt ihren Gewerbetreibenden leben vom Tourismus und sind aufgrund der Konkurrenz gezwungen, immer mehr in Skipisten und immer leistungsfähigere Bergbahnen zu investieren. Wer am Lift lange anstehen muss, fährt nächstes Jahr woanders hin – was alle Branchen einschließlich dem Taxigewerbe trifft. In die Finanzierung der Wintersportindustrie sind praktisch alle ortsansässigen Hoteliers, Wirte und Landwirte sowie die Gemeinden und die örtlichen Volksbanken eingebunden, müssen ihre Vorleistungen zurück erwirtschaften und gleichzeitig immer weiter investieren.
Markus Moigg, der mit seiner Frau Katharina zwei kleinere Hotels betreibt und auf persönliche Atmosphäre statt auf Massenbetrieb setzt, war bis vor gut fünf Jahren noch selbst bei Kröll als Taxifahrer tätig, bevor die Eheleute den Sprung in die Selbstständigkeit wagten und die Hotels der Eltern in Vollzeit übernahmen. Er erzählt, zu seiner Zeit seien in Mayrhofen an die 15 Taxis unterwegs gewesen, von denen zwischen Frühling und Herbst ein Teil häufig auf dem Parkplatz gestanden hätte. Dass heute deutlich mehr Taxis im Einsatz sind und nahezu Tag und Nacht fahren, ist auch ein Zeichen des Wachstums. Andere Hoteliers fahren zweigleisig, indem sie auch ein paar Taxis oder Mietwagen betreiben. Auch sein Ex-Chef Markus Freund, der Inhaber von Taxi Kröll, betreibt mit seiner Familie ein Apartment-Hotel.
Kristjan Litrop, der mit seinem Großraumtaxi bei Ankunft eines pfeifenden Bummelzugs am Bahnhof meist einen Platz aufrückt, ist seit fünf Jahren bei Taxi Kröll angestellt. Davor hat er selbst im Gastgewerbe gearbeitet, außerdem auf Baustellen und in weiteren Jobs. Im Taxi wirkt er recht entspannt und erzählt, das Geschäft sei sowohl im Sommer als auch im Winter mehrere Monate lang sehr auskömmlich. Anstelle eines Taxameters hat er im Fahrzeug Listen mit allen gängigen Verbindungen und zugehörigen Festpreisen. Eine Tarifpflicht gibt es im Zillertal nicht.
Festgelegte Taxitarife bestehen in Österreich nur in größeren Städten, und die werden jeweils landesweit von der Wirtschaftskammer mit den Sozialpartnern ausverhandelt. Eine Beförderungspflicht ist in einer Region wie dem Zillertal nicht erforderlich. Selbst nach ausgiebigen Après-Ski-Gelagen sind die meist jungen und oft mehr als angeheiterten Touristen gern gesehene Fahrgäste. Vor so manchen einschlägigen Locations, aus denen bis nach 23 Uhr laute Partymusik dröhnt, stehen die Großraumtaxis Schlange, obwohl sie nur an Halteplätzen stehen dürften, und selbst das nicht nach Belieben.
Öffentliche Standplätze wie der am Bahnhof Mayrhofen werden von der Marktgemeinde ausgeschrieben und zwischen den Betrieben aufgeteilt. Auch auf Privatgrund befindliche Standplätze wie der an der Talstation in Kaltenbach werden per Behördenerlass an bestimmte Taxibetriebe vergeben.
Wie in Deutschland ist es auch hier nur in der Gemeinde des Betriebssitzes erlaubt, winkende Fahrgäste aufzunehmen, während Funkaufträge überall ausgeführt werden dürfen. Jeder will etwas abhaben vom Geld, das im Winter die Skifahrer und im Sommer die Radfahrer und Wanderer aus halb Europa nach Tirol bringen. ar
Beitragsfoto: Axel Rühle