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Karl der Taxler wurde nicht gefragt, warum hat man ihn fortgejagt?

von Remmer Witte
28. Januar 2025
Lesedauer ca. 5 Minuten.
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Karl der Taxler wurde nicht gefragt, warum hat man ihn fortgejagt?
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Der NDR berichtet aus dem Nordosten, dass das Rufbussystem in der Krise ist. Taxler berichten aus dem Südwesten, dass die Behörden dem ÖPNV-Taxi-Konzept nicht trauen und den Taxlern bei On-Demand-Projekten eher ein Bein stellen. Noch scheint hier wie dort das Taxi als Retter in der Not nicht erkannt zu sein.

Wenn es für eine Bus-Linie nicht reicht, das Taxi aber zu teuer ist, dann hilft ein Rufbus – unter dieser Prämisse wurden in den vergangenen Jahren über die ganze Republik verteilt, besonders in ländlichen Regionen, Millionen investiert, um zwischen den beiden klassischen Säulen des öffentlichen Verkehrs, dem Linien-ÖPNV und dem Taxi, einen weiteren Verkehr – meist unter einem schönen neuen Namen – zu etablieren. Man kauft für viel Geld einen neuen Hightech-Fuhrpark und eine geeignete On-Demand-Software, stellt tarifgebunden das nötige Personal ein, und los geht’s – für die Fahrgäste zum ÖPNV-Tarif oder knapp drüber. Den Rest zahlen Land oder Kommune, und eine zweijährige großzügige Förderung gab es lange Zeit obendrauf.

Die Bevölkerung ist zufrieden und die Politik kann sich rühmen, das Nahverkehrsproblem vor Ort gelöst zu haben, also alles super. Gilt es dann aber, die Finanzierung auch über die ersten zwei Jahre hinaus abzusichern, kommt oft der große Schock, denn der Verkehr verschlingt auch weiterhin Millionen, oftmals sogar umso mehr, je intensiver das Angebot genutzt wird. Ein Break-Even, nachdem das Sammelkonzept sich endlich positiv zugunsten der Gesamtkosten auswirkt, liegt in weiter Ferne, und besonders die Kommunen sind ratlos, wie sie den inzwischen durchaus beliebten Service weiter finanzieren sollen.

So geschehen nun auch im Westen von Mecklenburg-Vorpommern, wo ein besonders umfassend angelegtes Rufbus-System die Kommunen in akute Finanznöte zu bringen droht. „Wenn sonst nichts fährt, der Rufbus kommt“ – dies war 2021 ein zentrales Versprechen im Koalitionsvertrag der dortigen rot-roten Landesregierung für den bevölkerungsarmen Nordosten der Republik, welches auch umgesetzt wurde. Eineinhalb Millionen Euro hat man für ein Rufbus-System mit 33 Linien allein für den Nordwesten Mecklenburgs zur Verfügung gestellt und parallel die dazugehörigen Förderrichtlinien verankert. Bisher wurden monatlich durchschnittlich 5.000 Menschen befördert, Tendenz steigend. Die kommunale Verkehrsgesellschaft namens Nahbus nutzt dabei private Dienstleister als Betreiber der Rufbusse.

Nun aber ist der Landkreis Nordwestmecklenburg (NWM) in Not. Der dünn besiedelte Landkreis (größte Gemeinde ist die Kreisstadt Wismar mit 44.000 Einwohnern) liegt zwischen Lübeck, Schwerin, dem Landkreis Rostock und der Ostsee und besteht neben Wismar und Grevesmühlen (10.400 Einwohner) ausschließlich aus Gemeinden/Städtchen unter 6.000 Einwohnern.

Die Landesförderung reicht nicht aus, wie der Norddeutsche Rundfunk (NDR) jüngst berichtete. Der Geschäftsführer des Nahbus, Jörg Lettau, schätzte die sich abzeichnende Finanzierunglücke auf Basis der Zahlen von 2024 auf eine halbe bis eine Million Euro, je nachdem, wie intensiv das System zukünftig genutzt werde. Diese Lücke zu schließen, ist aber Aufgabe des Landkreises. Dort kritisiert man vor allem die Förderrichtlinie, da dort die Fahrten vom Betriebshof zum Abholpunkt nicht in die Förderung integriert wurden.

Horst Krampen als Fraktionsvorsitzender der Linken im Kreistag regt gegenüber dem NDR eine generelle Prüfung des Systems und auch die Zusammenlegung von Strecken an, um Leerfahrten zu vermeiden, denn er möchte, dass das Angebot dauerhaft verfügbar bleibt. So könne man das System jedenfalls nicht aufrechterhalten, da man es sich schlichtweg nicht leisten könne. Das Land stellt Verbesserungen in Aussicht und plant dazu eine Evaluierung der Förderrichtlinie für das Jahr 2026. Der Landeszuschuss für das Rufbussystem ist bis 2028 durch die bestehende Förderrichtlinie gesichert. Unklar bleibt allerdings, wie der Landkreis die bestehende Lücke gegenfinanzieren soll.

All die Probleme der Mecklenburger würden sich wahrscheinlich mit der Umsetzung von ÖPNV-Taxis lösen lassen, denn die Fahrzeuge sind im Gewerbe schon vorhanden, auch könnten die schon angeschafften Fahrzeuge an die örtlichen Taxler abgetreten werden. Das notwendige Personal ist vielfach ebenfalls schon vorhanden, kostet aber dann und nur dann Geld, wenn auch tatsächlich Nachfrage nach dem ÖPNV-Taxi vorhanden ist – ein entscheidender Vorteil. Die schon angeschaffte Software lässt sich möglicherweise sogar anpassen. Attraktiv wäre daran, dass auch ÖPNV-Taxis die Mobilität vor Ort gewährleisten könnten, dies aber zu erheblich geringeren Kosten realisierbar wäre. Speziell im Nordosten der Republik besteht allerdings die wachsende Gefahr, dass es hier oder da schon gar keine Taxiunternehmen mehr gibt. „Karl der Taxler wurde nicht gefragt, man hat ihn einfach fortgejagt“. Dieser Eindruck in Anlehnung an ein bekanntes Lied drängt sich förmlich auf.

Ganz anders, aber im Ergebnis letztlich ähnlich stellt sich die Situation im Südwesten der Republik dar. Dort, wo Rufbusse eingesetzt werden, können sich zwar auch Taxler für deren Betrieb auf die Ausschreibungen bewerben. Sie stehen dann aber vor dem Problem, dass sie damit Gefahr laufen, ihren Betriebsfrieden zu gefährden. Im Land Baden-Württemberg gilt ein Tariftreuegesetz, das die Betreiber von On-Demand-Verkehren dazu zwingt, ihr Personal nach dem für ÖPNV-Bedienstete gültigen Tarif zu entlohnen. Dies bedeutet, dass Fahrende, die die eine Hälfte der Schicht im Gelegenheitsverkehr mit dem Taxi unterwegs sind und die andere Hälfte im On-Demand-Verkehr, zur Hälfte Ihrer Schicht Tariflohnberechtigt sind, während in der anderen Hälfte der Schicht minimal der Mindestlohn gezahlt werden muss. Dies ist zum einen schon logistisch nicht ganz unkompliziert. Zum anderen aber stiftet es natürlich schnell Unfrieden unter der Belegschaft, wenn unterschiedliche Löhne verdient werden, auch wenn gerade im Südwesten vielleicht doch etwas höhere Löhne als der Mindestlohn der Maßstab sind.

Wären solche Verkehre genehmigungsrechtlich auf ÖPNV-Taxi-Basis konstruiert und somit allen Taxis zugänglich, wäre zunächst der Tariftreuebezug nicht mehr gegeben, da das ÖPNV-Taxi dann eigenwirtschaftlich Fahraufträge zum Taxitarif erhalten würde. Wollte das Land dann auch das Taxi in die Tariftreueregelungen mit einbeziehen, stünde ihm dies zwar frei, es wäre dann aber Aufgabe der Genehmigungsbehörden dazu passende Taxitarife zu installieren, um so gleiche Marktbedingungen für alle Beschäftigten zu schaffen.

Ähnlich hinderlich zur Integration des Taxis in die vielerorts erwünschten On-Demand-Angebote ist eine andere Besonderheit aus dem Südwesten. Hier hält sich bei vielen Genehmigungsbehörden offensichtlich nachhaltig das Gerücht, dass das Prinzip eines ÖPNV-Taxis rechtlich nicht ganz koscher sei, und lässt viele Genehmigungsbehörden so offensichtlich vor dieser Lösung zurückscheuen. Dies berichten inzwischen einige Taxler aus der Region, obwohl doch gleichzeitig mit Freudenstadt das Paradebeispiel eines erfolgreichen ÖPNV-Taxis aus eben diesem Bundesland stammt.

Nachdem Taxi Times über den Erfolg der Verbände in Nordrhein-Westfalen in Sachen ÖPNV-Taxi berichtet hatte, entstand in der Taxi-Times-Whatsapp-Gruppe „Eine Stimme für das Taxi“ eine kleine Diskussion. Eine Unternehmerin aus Villingen-Schwenningen, der Kreisstadt des Schwarzwald-Baar-Kreises, berichtete von der „Verweigerung“ einer Zusammenarbeit durch die dortigen Verbände. Auf Nachfrage konkretisierte sie, der für den ÖPNV zuständige örtliche Verkehrsverbund wolle „schlichtweg nicht mit Taxiunternehmen zusammenarbeiten“.

Stefan Kehren aus Düsseldorf berichtete von einer Abrechnung „stets nach Taxameter“. Bei einer temporären Tätigkeit mit Taxi im AST-Verkehr im Nachbarort sei dagegen nach festem Stundentarif gezahlt worden, „ob Einsatz oder nicht“. Sein Fazit: „Die Verkehrsträger haben da wirklich was zu bieten. Und dabei sparen sie sich immer den Aufbau und die Erhaltung einer Parallelstruktur […]. Auch hier gilt wieder der Grundsatz: Preiswerter als Taxi? Geht nicht.“

Für Mecklenburg und Baden-Württemberg kann man zu dem Fazit kommen, dass jetzt andere Protagonisten als die Taxler vor Ort gefragt sind, die politischen Entscheider und deren Verwaltungen darüber aufzuklären, dass Taxi kein Relikt von vorgestern, sondern eine schützenswerte Art ist, welche durchaus eine wichtige Rolle im gesellschaftlichen Gefüge spielt und welches darüber hinaus unter dem Stichwort ÖPNV-Taxi auch eine Schlüsselrolle für eine bezahlbare Mobilitätswende der Zukunft übernehmen kann. rw

Beitragsbild: Remmer Witte

Tags: ASTBaden-WürttembergLandkreis NordwestmecklenburgMecklenburg - VorpommernÖPNV-TaxiRufbusTariftreuegesetz
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Remmer Witte

Nach über 40 Jahren als Fahrer, Disponent und Chef im Taxi- und Mietwagengewerbe ist der Niedersachse heute unter anderem für einen taxinahen Dienstleister aktiv. Seine Themen sind die Branchenzukunft und -politik und die kleinen Dinge im Alltag des Gewerbes.

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