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Kennen liberale Politiker keine Gnade?

von Nicola Urban
6. Oktober 2017
Lesedauer ca. 3 Minuten.
5
PBefG und Sommerzeit: Eine „simple Realitätsprüfung“

Grafik: Taxi Times

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Ein Koblenzer Taxiunternehmer bittet in einem emotionalen offenen Brief an alle Politiker darum, den Taximarkt nicht zu deregulieren. Er nennt viele gute Gründe und jeder einzelne wäre es schon Wert, dass man auf ihn hört. Für unsere Redaktion ist das deshalb der Kommentar der Woche.

Hier der ungekürzte Inhalt des Briefes:

Dieser Brief ist adressiert an die Verantwortlichen für unser Begräbnis.

Liebe Politiker, was sind wir für Euch, wenn ihr uns am Taxistand seht? Vielleicht nur Studenten mit Nebenjob, eventuell Deutscher mit Migrationshintergrund. Ein Niemand, der sonst keine Arbeit findet oder Versager, der in der Schule nicht aufgepasst hat? Jemand der macht, was er möchte, Regeln missachtet und immer zu schnell fährt und dann noch viel Geld von seinen Fahrgästen als Bezahlung für eine Autofahrt verlangt und die Notwendigkeit der Taxifahrt in einer Notsituation ausnutzt? Sonst seht ihr nichts?

In diesem Fall solltest du genauer hinschauen. Denn so bin ich nicht. Ich bin ein wertvoller Mitarbeiter mit einer liebevollen Familie. Ich bin auch ein kleiner Selbständiger mit einem Taxi und einem angestellten Fahrer, dessen Herz schlägt, wenn er einer älteren Dame die Taschen nach oben tragen darf und dafür angelächelt wird, ein wenig Trinkgeld bekommt und beim nächsten Mal wieder gern gerufen wird.

Ich bin Familienvater, vielleicht ehemaliger Arbeitsloser und freue mich heute über einen abwechslungsreichen Job. Wahrscheinlich auch ein Mitarbeiter mit wenig Deutsch Kenntnissen, der im Taxigewerbe vollständig integriert wurde und das ohne Integrationsbeauftragte oder nur ein Rentner, der sich etwas dazu verdienen möchte und sich freut, noch gebraucht zu werden.

Vielleicht auch Unternehmer, der sich mit viel Einsatz und Herzblut mit einer oder mehr Taxis eine Existenz aufgebaut hat. Ich bin selbständig, da mir die gefühlte Freiheit als Unternehmer mehr wert ist als der mehr oder weniger gut bezahlte Job als Angestellter, manage eine kleine Firma, bin mein eigenes Personalbüro, Finanzbuchhalter, Steuerberater, Web Designer und Fahrer rund um die Uhr, auch dann, wenn Ihr am feiern seid.

Ich habe keine Lobby, die sich um mein Gewerbe kümmert, weil im behördlich festgelegten Taxi-Tarif dafür nichts einkalkuliert wird. Meine örtlichen Volksvertreter interessieren sich nicht für mich oder mein Schicksal und ich will sie nicht stören. Ich bin über fünfzig und werde langsam müde.

Kennen liberale Politiker keine Gnade, wenn es um die Deregulierung eines Marktes und dessen Marktteilnehmer geht? Ich fühle mich gefangen in meinem Taxi und der Sorge um die Existenz, meiner Zukunft und die kleine privat angesparte Altersvorsorge. Die Möglichkeiten für eine neue berufliche Orientierung sind sehr begrenzt.

Trotzdem, tief in mir bleibt die Hoffnung, dass ihr uns nicht den Kapitalisten mit ihrem Investorenkapital, Autokonzernen oder App Entwicklern mit vorgegaukelten Sharing-Economy-Gedanken zum Fraße vorwerft.

Lasst uns die zu hohen Preisen erworbenen Konzession und das Taxi, das ist ein Teil unserer Altersvorsorge! Verscherbelt nicht unser Leben an einen ruinösen Wettbewerb gegen Autokonzerne, Banken und illegale Marktteilnehmer, die das bestehende Gewerbe doch nur zerstören wollen, um es zu eigenen Bedingungen und Preisen neu aufzubauen. Wir haben doch keine Chance gegen die geballte Kraft des Kapitals.

Ist Euch die Gewinnmaximierung weniger Kapitalgeber wirklich wichtiger als unser Lebenswerk? Jeder sollte sein Auskommen haben, unser Einsatz als Retter in der Nacht, Krankenbeförderer, Kofferträger und Seelentröster verdient ein wenig Respekt – genauso wie jede andere Arbeit. Denkt daran, eines Tages wird vielleicht auch deine Arbeit von Investoren mit deren Kapital und einem erfolgreichen Lobbyismus geschluckt. Liebe Politiker, dereguliert bitte nicht einen Markt, der seit Jahrhunderten reguliert wird.

Mit freundlichen Grüßen

Dirk Schwartz – Taxiunternehmer/nu

Foto: Taxi Times

 

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Tags: Änderung PBefGTaxiTaxifahrer
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Nicola Urban

Die Journalistin war als Hörfunk-Nachrichtenredakteurin mehrere Jahre mit Taxis auf den Münchner Straßen unterwegs und auch ihre bessere Hälfte ist beruflich eng mit dem Taxigewerbe verwurzelt – seit dem brennt sie für das Gewerbe, ist die eierlegende Wollmilchsau der Taxi Times und unterstützt sowohl redaktionell als auch in der Verwaltung.

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Kommentare 5

  1. Bernd says:
    8 Jahren her

    wie steht es mit der Mitnahme von Hunden im Taxi – abgesehen von eventuellem Aufschlag – besteht eine Mitnahmepflicht bzw wer muß wen informieren oder fragen in so einem Fall?

    Antworten
    • ttchef says:
      8 Jahren her

      Wenn nur der Hund mitfährt, ist eine freiwillige Sache. Wenn das „Herrchen“ mitfährt, wird es komplitierter: Primär greift die Beförderungspflicht. Von der ist ein Taxifahrer nur befreit, wenn die Sicherheit gefährdet ist. Zur Sicherheit zählt aber dazu, wo der Hnd genau mitfährt. Rein rechtlich müssen aber Hunde auch vorschriftsmäßig gesichert sein, also: mit Hundegeschirr im Fond oder Aufenthalt im Kofferraum, wenn es ein Kombi ist.

      Antworten
    • Stefan says:
      8 Jahren her

      Mitnahmepflicht besteht für Blindenhunde

      Antworten
  2. Gisela says:
    8 Jahren her

    Ein wirklich gutes Schreiben. Wer von ganzem Herzen Taxi fährt dem wird aus der adele gesprochen. Schade das es nur einen Kommentar bisher gibt und der fragt nur danach wer(?) darf was befördern.
    Schade.
    Vielen Dank von mir an den Kollegen der den Mut hatte diese Worte und Gedanken öffentlich zu machen.

    Antworten
  3. Claus Peter Kandel says:
    8 Jahren her

    Meine Bewunderung für diesen Brief,

    Wir haben tatsächlich keine Lobby, weil wir ja nicht zahlen für Politiker-Termine bzw keinen hochbezahlten Interessenvertreter. Der Verkehrsminister ist ja auch noch mit anderen Dingen / Lobbyisten beschäftigt, wird sich also nicht selbständig mit unseren Problemen befassen. Wenn die Politiker nicht einen eigenen Fahrdienst hätten ( der muss ja auch anständig bezahlt werden, warum nicht wir ? ), und sich mal öfter mit dem niederen Wahlvolk unterhalten würden, könnten die auch besser entscheiden.

    Wir bekommen amerikanische Verhältnisse, jeder ist sich selbst der Nächste.

    Antworten

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