„Und wenn Du nicht mehr weiter weißt, dann gründe einen Arbeitskreis“ – nach dieser berüchtigten Weisheit geht die unendliche Geschichte der kleinen Fachkunde in die nächste Runde, nachdem die Verkehrsministerkonferenz das Problem erneut aufgeschoben hat.
Ein Kommentar von Remmer Witte
Die Verkehrsministerkonferenz hat eine Entscheidung, wie ein Fachkundenachweis für angehende Taxi- und Mietwagenfahrer*innen ausgestaltet werden soll, wieder einmal aufgeschoben und an eine Arbeitsgruppe delegiert. Es ist nach wie vor unklar, ob diese kleine Fachkunde zukünftig mit oder ohne Prüfung nachgewiesen werden soll. Allerdings ist sich auch die Branche selbst nicht einig über die sinnvollste Lösung.
Vor einigen Wochen hatte BVTM-Präsident Herwig Kollar die Initiative des Bundesverkehrsministeriums BMDV noch gelobt und deren vermeintlich anstehende Entscheidung für einen prüfungsbasierten Fachkundenachweis begrüßt, auch wenn die Umsetzung wohl erst im Jahr 2023 gelingen würde. Mit einer Rolle rückwärts haben die Verkehrsminister der Länder diese Entscheidung nun wieder aufgehoben und eine Arbeitsgruppe mit dem Thema beauftragt.
„Jetzt müssen wir nochmals wahrscheinlich monatelang in einem Arbeitskreis genau dasselbe besprechen und alles verzögert sich noch weiter. Statt Mut zur Entscheidung zu haben, sind verantwortliche Verkehrspolitiker wieder vor Uber eingeknickt. Für solch ein Verhalten fehlen mir die Worte“, so drastisch kommentiert TMV-Geschäftsführer Patrick Meinhardt die Ergebnisse der Verkehrsministerkonferenz.
Die Vorstellungen und Forderungen von BVTM und TMV gegenüber dem Ministerium sind also weitgehend deckungsgleich. Ein Problem liegt hier eher in der Position sehr regional einflussreicher Unternehmer aus dem ländlichen Bereich. Denn hinter einem alternativen „Sitzschein“, also einer reinen Lehrgangs-Teilnahmebescheinigung anstelle einer Prüfung, versammeln sich nicht nur die Interessen des Mietwagenverbandes: Vor allem auch aus Baden-Württemberg kommt Widerstand gegen eine Prüfung. Die dortige starke Lobby opponiert lautstark gegen prüfungsbasierte Lösungen, da sie Sorge hat, dass dies die Mitarbeitergewinnung unnötig erschweren könnte.
Damit besteht für die Ausgestaltung einer kleinen Fachkundenprüfung – wieder einmal – ein mehr oder weniger unauflösbarer Interessenskonflikt auch innerhalb des Taxigewerbes zwischen ländlich und städtisch geprägten Unternehmen. Im ländlichen Raum konkurriert die Branche mit Betrieben wie der DHL um potentielle Arbeitnehmer*Innen, die dort bis auf den Führschein ohne Zugangsvoraussetzungen anfangen können. In den Metropolen wünscht sich die Branche dagegen eine einigermaßen passable Hürde als Berufszugang, zum einen, weil damit auch die Mietwagenplattformen nicht ganz so leicht Fahrer finden, zum anderen, weil jeder unterqualifizierte Taxifahrer durch seine schlechte Leistung den verärgerten Fahrgast dann aus dem Taxi raus zu den Mietwagenplattformen treibt. Die Politik wird hier also mit zwei grundlegend unterschiedlichen und wenig kompromissfähigen Ansätzen konfrontiert und soll nun eine Lösung finden.
Aber gibt es wirklich keine Lösung? Mit der Novelle des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) im vergangenen Jahr fiel die Ortskundeprüfung als wichtigste Zugangsbeschränkung für Taxifahrer*Innen auch für Städte ab 100.000 Einwohnern. Da diese Verpflichtung zuvor schon für Mietwagenfahrer*Innen aufgelöst worden war, war diese Angleichung tatsächlich ein wichtiges Anliegen der Branche im Rahmen der Novelle, das erst in letzter Sekunde noch umgesetzt werden konnte. Als Minimalstandard werden nun also für beide keine Ortskenntnisse mehr, dafür aber andere, bisher nicht genauer definierte Fachkenntnisse verlangt.
Damit fiel die vorherige Ungleichbehandlung von Uber und Taxi in den Metropolen, da beide wieder mit gleichen Voraussetzungen um Personal werben konnten. Dies ist nun mit dem Riesenmanko verbunden, dass viele neue Taxifahrer*Innen kaum noch über Ortskenntnisse verfügen. Ob dieses Manko dadurch aufgewogen werden kann, dass die Bewerber*Innen – ob mit oder ohne Prüfung – über andere Fachkenntnisse verfügen sollen, bevor sie auf die Kundschaft losgelassen werden, erscheint dabei mehr als fraglich. Insofern muss das Gewerbe sich so oder so schnellstens Wege überlegen, wie es selbst ihr Personal zu Beginn der Tätigkeit schulen kann – wie das auch in anderen Branchen üblich ist. Qualifiziertes Personal mit der Disziplin, zuvor Ortskunde gepaukt zu haben, fällt den Unternehmen also auch in den Städten zukünftig nicht mehr in den Schoß, sie müssen sich nun selber darum bemühen, hier die Spreu vom Weizen zu trennen und gutes Personal ausbilden.
Erst mit geschultem und ortskundigem Personal kann das Taxi wirklich durch Leistung überzeugen und Uber & Co. so in die Schranken verweisen. Und nur so kann Taxi wohl auch langfristig gutes Personal gewinnen und halten. Solche Kompetenz aber wird bestimmt nicht in Fachkundevorbereitungskursen gewonnen, egal, ob diese mit oder ohne Prüfung abgeschlossen werden. Das Kind ist also schon vor einigen Jahren mit der Abschaffung der Ortskundeprüfung für Mietwagen in den Brunnen gefallen denn kein Navi der Welt kann die persönliche Ortskunde auch nur im Ansatz ersetzen.
Derzeit lassen Taxi- und Mietwagenunternehmen bei Neueinstellungen also gleichermaßen unkundiges Personal auf ihre Kunden los und müssen sich selbst für deren Ausbildung verantwortlich fühlen. Und eine gegebenenfalls mangelnde Qualifizierung wird sich mittelfristig aller Voraussicht nach bitter rächen, egal ob die Bewerber*Innen zuvor eine führerscheinangeglichene Fachkundeprüfung abgelegt haben oder sich nur einen Vortrag zum Thema anhören mussten. Selbst ist also das Gewerbe, egal ob mit Prüfung oder Sitzschein. rw
Beitragsbild : Remmer Witte
Es ist zum Verzweifeln. Taxifahren in der Großstadt und Taxifahren in der kleineren Stadt unterscheidet sich komplett.
Taxifahren und Mietwagen fahren ebenfalls, wenn man es gesetzestreu macht.
Dass das niemand erkennt und/oder interessiert ist der Macht von Uber geschuldet.
Das Taxi ist tatsächlich totgeweiht, bin froh bald in Rente gehen zu dürfen.
Danke für diesen Kommentar, Herr Slipek. Und für alle anderen, die auch in 10 Jahren noch vom Taxi leben wollen: Weiterkämpfen und das Beste aus allen Widrigkeiten machen.
Selbst hier wird der Elefant, der im Raume steht, ignoriert.
Die Abschaffung der Ortskunde für Mietwagen war eine Lex Uber. Der Anscheinsbeweis der offen zelebrieren Bestechlichkeit der Verantwortlichen durch Uber ist unübersehbar.
Die Abschaffung der Ortskunde für Taxen war daher folgerichtig, um auch hier den Unternehmern die Möglichkeit zu schaffen, völlig unqualifiziertes Personal auf die Kundschaft loszulassen. Jegliche Qualifikation wird also als „Zugangsbeschränkung“ wahrgenommen. Also sind die MWU im Taxengewerbe garnicht erst an einer (Wieder)Einführung von Zugangshürden interessiert.
Die Lösung liegt auf der Hand. Die Wiedereinführung der OKP ab 50000 Einwohner für Alle in der Kleinen Fachkunde! Die Uberfiles boten die nötige Argumentationshilfe, um den Uberbütteln in der Politik den Garaus zu machen.
Alte, kranke, behinderte, betrunkene oder ortsunkundige Taxikunden werden nun weiter schutzlos völlig unqualifizierten Personal als Freiwild ausgeliefert. Mindestanforderungen an Sprachkenntnissen? Fehlanzeige!
Die schnöde Geldgier aller negativ Beteiligten, Uber, MWU und korrupte Politiker, hat Vorfahrt.
Und dass vor allem junge Frauen sich selbst am hellichten Tage kaum noch trauen in Hamburg am Hauptbahnhof in die Taxe zu steigen, weil sie häufig von genau diesen Fahrern belästigt werden, sei es auch nur durch geifernde Blicke, wird garnicht erst angesprochen.
Seien wir doch ehrlich. Unser Gewerbe wird wieder einmal mehr als sozialer Mülleimer mißbraucht.
Danke für diesen Kommentar, Herr Dieckmann. Das unterstreicht im Grunde genommen das, was ja auch unser Autor im zweiten Teil seines Beitrags aufführt: Anstatt sich auf gesetzliche Vorgaben zu verlassen, liegt es eigentlich in der Verantwortung der Taxiunternehmer, nur solche Fahrer in ihre Fahrzeuge einsteigen zu lassen, die dann auch ein qualitativ hochwertiges Dienstleistungsprodukt „Taxi“ abliefern.
Für mich liegt ab jetzt die Lösung zum Greifen nah. Wenn es offensichtlich ein nicht (komplett) geschlossen auftretendes Taxigewerbe bezüglich der Kl. Fachkunde gibt, ist das Vorgehen der Bundespolitik nur folgerichtig, die Sache auf die Länderebene zu delegieren. Es gibt dafür sogar ein taxiprominentes Beispiel: Die Farbe Hellelfenbein. Auch damals hieß es sinngemäß:“Liebe Bundesländer, es ist uns doch egal, wie eure Taxen aussehen!“ Wenn die Fachkunde jetzt einen lockeren Rahmen inklusive einer Prüfungsmöglichkeit bekommt, haben die Länder die Chance, diesen Rahmen je nach Bedarf sinnvoll zu füllen -und weiter zu delegieren an die kommunalen Aufsichtsbehörden. Dann liegt es an den örtlichen Gewerbevertretungen (in OL gibt es diese bspw gar nicht; der GVN wäre hier gefragt…) gemeinsam mit den Behörden und den Arbeitnehmer*innenvertretungen aktiv zu werden. Die Kl. Fachkunde könnte man dann quasi maßschneidern. Ich sehe also nicht so schwarz.
Warum ist Uber eigentlich nicht schon lange verboten? Ich denke, wir sind hier ein demokratisches Gebilde. Legal rein, illegal raus. Wobei raus in diesem Kontext Knast heißt. Das wäre ja so, als wenn ich eine Million oder zwei in die Hand nehme und an meinen Hubschrauber Flügel anklebe und das LBA besteche mit dem Ziel, die Airlines ökonomisch auf illegalem Wege anzugreifen oder um mit einer normalen PPL-Lizenz die PPL-H-Ausbildungskosten zu umgehen. Oder seh ich das falsch? Wieviele Landgerichte haben Uber gerichtlich verboten und sie sind immer noch als Parasiten in Europa unterwegs. Kläre uns jemand doch bitte einmal auf.
Hallo Herr Tröller, wir klären da gerne auf: Leider hat kein Landgericht Uber jemals generell verboten. Es waren stets Verfahren auf Basis des Wettbewerbsrecht, bei denen die Klägerseite (Taxi Deutschland) genau belegen musste, welche Verfehlungen sich Uber geleistet hat. Daraufhin haben dann die Gerichte entschieden, dass genau diese Verfehlungen so nicht mehr vorkommen dürfen und Uber deshalb als App nicht mehr betrieben werden dürfe, solange man weiterhin so agiere.
Uber hatte aber natürlich zum Zeitpunkt dieser Urteile längst die Software umprogrammiert, so dass Sie schon am Tag der Urteilsverkündung behaupten konnten, dass sie so ja nun gar nicht mehr agieren würden. Also haben sie legal weitergemacht und es lag nun wieder auf Seiten des Taxigewerbes zu belegen, dass auch diese Vorgehensweise gegen Wettbewerbsrecht verstößt. Eine unendliche Geschichte…