Der Halter eines Fahrzeugs gilt bei Ordnungswidrigkeitsverfahren, etwa wegen Parkverstößen, nicht automatisch als Täter. Mit dieser spektakulären Entscheidung erklärt das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die bisher praktizierte Halterhaftung für ungültig.
Ein aktuelles Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 17.05.2024, Az. 2 BvR 1457/23) legt fest, dass eine sorgfältige Beweisführung erwartet werden darf, bevor ein Fahrzeughalter bei einer Ordnungswidrigkeit, die mit seinem Fahrzeug begangen worden ist, als Halter für dieselbe haftbar zu machen sei. Ein Bußgeldbescheid von 30 Euro wegen einer vermeintlichen Parkzeitüberschreitung wurde von dem Gericht aufgehoben, da die Verurteilung allein auf der Haltereigenschaft beruhte, ohne dass ausreichende Beweise für die tatsächliche Täterschaft vorlagen.
Ein PKW-Halter aus Nordrhein-Westfalen erhielt wegen Überschreitung der zulässigen Höchstparkdauer im Dezember 2022 einen Bußgeldbescheid und sollte 30 Euro zahlen. Begründet wurde dies damit, dass er als „Halter und Fahrer“ gegen die StVO verstoßen habe. Gegen diesen Bescheid erhob er Einspruch, doch sowohl das zuständige Amtsgericht Siegburg als auch OLG Köln verwarfen seinen Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde. Der Mann gab jedoch nicht auf und zog letztlich vor das Bundesverfassungsgericht.
Das BVerfG hat die vorherigen Entscheidungen aufgehoben, da nicht nachgewiesen werden konnte, wer das Fahrzeug abgestellt hatte. Das Amtsgericht Siegburg habe seine Entscheidung allein auf die Haltereigenschaft des Beschwerdeführers gestützt, ohne ausreichende Beweise für seine tatsächliche Täterschaft einzufordern. Das sei bei einer Verurteilung jedoch erforderlich, da die Entscheidung ansonsten nicht sachgerecht und nachvollziehbar sei. Als Beweise wurden hier nur die Angaben im Bußgeldbescheid, die Lichtbilder des parkenden Pkw sowie der Umstand, dass der Beschwerdeführer Halter des Fahrzeugs ist, angeführt. Der Halter hatte zu dem Vorwurf der Ordnungswidrigkeit durchgehend geschwiegen.
Damit habe „das Amtsgericht zu dem Verkehrsverstoß, der dem Beschwerdeführer angelastet wurde, in seiner Person weder ein aktives Tun noch ein Begehen durch Unterlassen festgestellt“, so der nun veröffentlichte Beschluss der zweiten Kammer des BVerfG. Auch das Schweigen des Beschuldigten durfte nicht gegen ihn verwendet werden. Ein Rückschluss auf die Täterschaft aufgrund der Haltereigenschaft allein aber sei nicht zulässig, entschied das höchste deutsche Gericht. Das BVerfG stellte fest, dass diese Praxis gegen das Willkürverbot gemäß Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) verstoßen habe. Von der Eigenschaft des Mannes als Halter habe nicht automatisch auf ihn als Fahrer geschlossen werden dürfen. Das Knöllchen-Urteil des Amtsgerichtes enthalte keinerlei Ansätze über die sachgerechte Feststellung und Erwägung zur Täterschaft des Beschwerdeführers.
Juristen werten das ursprüngliche Urteil letztlich als Ausreißer, denn normalerweise würden Verfahren bei einer solchen Beweislage eingestellt. Ob ein Fahrzeughalter in vergleichbaren Fällen alternativ aber mit einer Fahrtenbuchauflage oder auch mit den Kosten des Ermittlungsverfahrens zur Verantwortung gezogen werden könne, werde erst die Zukunft entscheiden. Möglicherweise wird aber die Auflage zur Führung eines Fahrtenbuches bei dem Einzelfall nur eines Parkverstoßes, bei dem der tatsächliche Fahrer nicht ermittelt werden kann, auch unangemessen sein.
Bei einem Parkverstoß droht eine Geldbuße bis zu 100 Euro. Die Höhe des Bußgelds für Parkverstöße variiert je nach Schwere des Verstoßes und der Stadt oder Gemeinde. In schweren Fällen oder bei wiederholten Verstößen können zusätzlich Punkte in Flensburg eingetragen werden. Zudem kann das Fahrzeug umgesetzt (abgeschleppt) werden, was zusätzliche Kosten verursacht. Vor allem Rechtsschutzversicherer und Verkehrsanwälte werden die öffentliche Wahrnehmung des Urteils sicherlich befördern und den Gerichten möglicherweise neue Verfahrensberge bescheren.
All das hilft den meisten gewerblichen Fahrzeughaltern auch in der mobilen Branche allerdings nicht weiter, denn von diesen werden schon die Ordnungsbehörden eine Fahrzeugführerfeststellung verlangen und voraussichtlich auch direkt oder indirekt durchsetzen können. Damit wird das aufsehenerregende Urteil wohl definitiv nicht zum Freiparkschein für Taxis und Mietwagen. Dennoch wird es spannend sein, welche Wege kommunale Behörden zukünftig bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten einschlagen werden. rw
Beitragsfoto: Remmer Witte
Es sind genau diese Dreistigkeiten, die einen Staat zerstören. Das ist Täterschutz, der sich nicht nur in Knöllchen widerspiegelt. Eine üble gesamtgesellschaftliche Entwicklung. Warum nach dieser Logik Firmenfahrzeughalter anders behandelt werden sollen, erschließt sich mir gar nicht. Entweder gibt es eine Haftung für Eigentum oder es gibt sie nicht. Das sind Argumente, wie sie der FDP-Mann Wolfgang Kubicki immer gerne zu seinem Vorteil einsetzt und Stimmung macht. Allerdings, mit Erfolg. Herzliche Glückwünsche …