Ein Schwerpunktthema beim Taxi- und Mietwagentag waren die Krankenfahrten, über die sich eine Runde renommierter Experten austauschte. Es ging sowohl um grundsätzliche Missstände als auch um praktische Einzelheiten.
Krankenfahrten sind ein Teil des Taxi- und Mietwagengeschäfts, mit dem zum einen für viele Betriebe die Existenz steht und fällt, der aber zugleich vielerorts hart zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern umkämpft ist. Krankenkassen setzen häufig unrealistische Kalkulationen an, die beispielsweise das Warten auf einen Fahrgast oder die Abholung auf einer Station im Krankenhaus bzw. die Begleitung in eine medizinische Einrichtung hinein ignoriert.
Ein Schlüssel, um Krankenfahrten für Taxibetriebe auch in Zukunft als wichtiges Geschäftsfeld zu halten, ist die Kostensenkung – und damit verbunden die Digitalisierung der Abrechnung. So beklagen Abrechnungsstellen oft eine hohe Quote an Rückläufern, die Nachfragen nötig machen und teuren Zeitaufwand verursachen. Das verhindert in vielen Fällen eine pünktliche Abrechnung.
Die Problematik der Abrechnung war eines der Themen beim Deutschen Taxi- und Mietwagentag. Der Bundesverband Taxi und Mietwagen e. V. (BVTM) schickte seine Koryphäe auf das Podium, die Vorsitzende des Ausschusses für Kranken- und Sonderfahrten, Gisela Spitzlei, einst Taxiunternehmerin und heute Leiterin ihres Abrechnungsunternehmens für Krankenfahrten. An dem vom BVTM-Vizepräsidenten Wolfgang Oertel moderierten Gespräch nahmen außerdem teil: Christoph Niersmann, Fachkoordinator bei der AOK Rheinland/Hamburg, speziell für Digitalisierungsprozesse; Gerhard Eichenbaum, Geschäftsbereichsleiter Datenmanagement beim Abrechnungszentrum Emmendingen; Manuel Dönnebrink, Projektverantwortlicher im Fachbereich Fahrtkosten bei der AOK NordWest; Stephan Christ, Assistent der Geschäftsführung der Spitzlei GmbH und dort zuständig für digitale und technische Prozesse.
Wolfgang Oertel, Chef der Taxi-Genossenschaft Chemnitz und Gewerbevertreter für Sachsen, leitete das Gespräch ein, man werde diskutieren, „wie digitale Abrechnungssysteme den Workflow vereinfachen und welche Herausforderungen Vorteile dies mit sich bringt“. Er erwähnte, dass 80 Prozent der Krankenfahrten vom Taxi- und Mietwagengewerbe durchgeführt werden – zu 20 Prozent der Kosten. Das bedeutet, dass die 20 Prozent Fahrten, die von anderen durchgeführt werden, 80 Prozent der Kosten verschlingen. Zunächst stellte Oertel aber die Frage in den Raum, welche Voraussetzungen vor einer weitgehenden Digitalisierung stehen.
Gerhard Eichenbaum sprach von Entbürokratisierung als langwierigem Prozess, von Vorgaben der Krankenkassen und davon, dass eine Lösung für einen Kunden nicht automatisch auch für andere Kunden passe.
Auch Gisela Spitzlei hält eine vernünftige Digitalisierung nur für machbar, „wenn wir den bürokratischen Rahmen dazu entbürokratisieren, wenn wir einheitliche Regelungen kriegen, an die sich alle Kassen halten“. Das Ganze sei in einem Gesetz geregelt, das für alle in Deutschland gilt. Sie strebe einen Rahmenvertrag an, der die Abrechnung zwischen den Kassen und den Unternehmern bundeseinheitlich für alle Kassen in allen Bundesländern regelt. Das sei eine Voraussetzung für das Gelingen einer umfassenden Digitalisierung.
So könne auch der umständliche Prozess verkürzt werden, jede Fahrt, die ohnehin genehmigt werden muss, einzeln genehmigen zu lassen. Mit Unterstellungen, Dialysepatienten würden zum Einkaufen oder spazieren fahren, wenn nicht jede Fahrt einzeln genehmigt würde, machen ihrer Meinung nach einige Kassen die Abrechnung unnötig umständlich. Auch sei es für die Abrechnungsunternehmen eine Zumutung, permanent überprüfen zu müssen, „ob der Arzt auf dem Transportschein alles richtig angekreuzt hat“.
Christoph Niersmann bezeichnet sich als Kämpfer für eine Einheitlichkeit bei der Abrechnung, nachdem er jahrelang die vielen unterschiedlichen Abrechnungssysteme kennenlernen durfte. Er war an der Gründung einer Arbeitsgruppe aller deutschen Kostenträger beteiligt. „Wir möchten den ganzen Weg der Abrechnung papierlos haben, auch für den Rückweg, mit allem was dazu zählt.“ Im besten Fall wolle man eine Software-Schnittstelle haben, die eine Weiterverarbeitung in die Branchen-Software der Krankenkassen ermöglicht. Dazu seien bereits Gespräche mit interessierten Software-Anbietern gelaufen. Der Weg sei aber mühselig und der Wettbewerb hart.
Manuel Dönnebrink sprach von einer schwierigen Transportstruktur in Schleswig-Holstein ohne flächendeckendes Angebot von Liegend-Transportmöglichkeiten oder Behinderten-Beförderern. Häufig müsse auf teure KTW zurückgegriffen werden. Er berichtete von seinen Bemühungen gemeinsam mit einer größeren Leitstelle, einen sogenannten Taxiknopf einzuführen, um Kosten zu senken und die Bindung medizinischen Personals für Krankenfahrten abzubauen. Dafür wird auch gegenüber dem Land um Unterstützung geworben.
In weiteren Frage- und Antwortrunden wurden Einzelheiten herausgearbeitet. So stellte Oertel die Frage, was Taxi- und Mietwagenunternehmer konkret zum Erreichen der Ziele beitragen können.
Stephan Christ verriet, wie man schneller an sein Geld für Krankenbeförderungen kommen könne. „Als allererstes darauf achten, dass die Verordnungen nicht als Origami in den Autos herumfliegen.“ Kaffee- oder Blutflecken könnten passieren, aber beim Falten oder Lochen der Formulare gingen schon mal wichtige Informationen verloren. „Verlassen Sie sich auch nicht auf die Geschäftsstelle“, lautete einer der zahlreichen Praxistipps von Christ. Auch eine fehlende Unterschrift neben einem handschriftlichen Kreuz verursache Arbeit. Die regionale Geschäftsstelle würde dies durchgehen lassen, die Abrechnungsstelle dagegen nicht. „Ganz wichtig: Lassen Sie sich diese Auskunft schriftlich gegen. Denn dann gibt es einen Namen und eine Genehmigung und wir können darauf bestehen, dass die Geschäftsstelle ihr Einverständnis gegeben habe.“ Beim Scannen der Dokumente reichten künftig kleine Heimscanner nicht mehr aus. Zudem müsse man darauf achten, immer beide Seiten zu scannen und abzuspeichern, da dies für die qualifizierte digitale Signatur wichtig ist. Das Dokument werde nach dem Scannen auch digital versiegelt. Aus Sicht der Krankenkassen sei die Technik dafür zwar teurer, doch entfielen dafür regelmäßige Kosten, etwa Briefporto usw. „Der Break even ist relativ schnell erreicht. Aber ja, ohne diese neuen Scanner geht es nicht!“
Der BVTM als Veranstalter resümiert, die Verordnung einer Krankenfahrt biete längst keine Garantie dafür, dass das Taxiunternehmen nach der Beförderung auch sein Geld dafür bekommt. 70 Prozent aller eingereichten Abrechnungen erforderten Nacharbeiten, weil Angaben fehlten oder falsch seien.
Dass Krankenfahrten noch ein großes Zukunftsfeld für viele, besonders städtische Taxi- und Mietwagenbetriebe ist, ergibt sich aus einem Ungleichgewicht, das immer wieder herauszuhören ist: Das teure Krankentransportgewerbe ist überlastet, das preisgünstigere Taxi- und Mietwagengewerbe ist unterlastet. Das gemeinsame Ziel muss sein, dieses Missverhältnis auszugleichen. Dafür ist noch viel Entbürokratisierungs- und Digitalisierungsarbeit erforderlich. ar
Fotos: Axel Rühle
Es wäre schon ein Fortschritt, dass DTAplus Imageverfahren bundesweit für alle Krankenkassen und Leistungserbringer auszurollen.