Bei der Berechnung der vermeintlich ersparten Eigenkosten nach einer Leihtaxianmietung legen Versicherer und Gerichte erstaunlich irreale Rechenbeispiele vor. Das OLG Oldenburg hat nun festgestellt, dass bei der Nutzung als Taxi ein Abzug von lediglich fünf Prozent gerechtfertigt ist.
Wer hierzulande unschuldig in einen Verkehrsunfall verwickelt wird, bei dem sein Fahrzeug zu Schaden kommt, dem stehen nicht nur der Ersatz der Reparatur- oder auch der Wiederbeschaffungskosten durch die gegnerische Haftpflichtversicherung zu; diese übernimmt in der Regel auch die Kosten, die dem Geschädigten durch den Fahrzeugausfall entstehen. Wer dafür jedoch tatsächlich ein Leihtaxi anmietet und dessen Kosten selber gegenüber der gegnerischen Versicherung geltend macht, kann dabei oftmals sein blaues Wunder erleben.
Ein Leihtaxi steht einem kleinen Nischenmarkt zur Verfügung und ist, wenn es denn angemietet wird, extremen Nutzungen ausgesetzt. Ansonsten aber steht es oftmals auch regelmäßig auf dem Betriebshof des Vermieters und wartet auf die nächste Anmietung. Zusätzlich muss zunächst stets der richtige Taxitarif für den jeweiligen Einsatzort einprogrammiert werden und es kommt auch schnell zu erhöhten Anfahrtkosten, bevor das Ersatztaxi eingesetzt werden kann. Entsprechend lassen sich die Anmiet-Kosten für ein Leihtaxi kaum mit denen für einen normalen Leihwagen vergleichen. Eine einwöchige Leihtaxinutzung ergibt dann schnell mal eine Rechnung von 2.000 Euro oder mehr, was bei den dafür zahlungspflichtigen Haftpflichtversicherern mit pauschalem Misstrauen gegenüber der Branche quittiert wird.
Wer daher seine Leihtaxirechnung zur Regulierung an den zuständigen Haftpflichtversicherer weiterleitet, sieht sich oftmals zunächst einmal mit einem umfassenden Rückfragekatalog konfrontiert. Wie viele Taxen gehören zum Betrieb, wie war die Auslastung im letzten Jahr, wie viele Fahrer sind beschäftigt, wie viele davon fest angestellt, welcher Gewinn wurde erzielt etc. Natürlich möchten die Versicherer nur dann zahlen, wenn die Anmietung eines Leihtaxis auch wirklich notwendig war. Standen dagegen parallel zehn weitere Taxis ungenutzt auf dem Hof, erscheint die Anmietung ja auch tatsächlich unsinnig, dem Nutzer wird dann ein Verstoß gegen seine Schadenminderungspflicht unterstellt.
Das gleiche kann Unternehmen widerfahren, die regelmäßig nur geringe Durchschnittsumsätze erzielen – entweder, weil in ihrer Region tatsächlich nur wenig los ist, oder aber, weil das eingenommene Bargeld in der Vergangenheit oftmals gar nicht erst seinen Weg in die Buchhaltung gefunden hat. Nun gibt es aber auch Taxi- und Mietwagenunternehmen, die ihren Fuhrpark seriös bewirtschaften und ihn tatsächlich stets sachgerecht zum Einsatz bringen. Werden 80.000 oder auch 100.000 Kilometer oder mehr pro Fahrzeug und Kalenderjahr zurückgelegt, müssen unfallbedingte Ausfälle natürlich durch Ersatzfahrzeuge ausgeglichen werden, denn bei diesen durchschnittlichen Fahrleistungen kann vor allem zu Spitzenzeiten der restliche Fuhrpark deren Fahrten nicht verlustfrei mitübernehmen.
Vor allem dort, wo regelmäßige Bestellfahrten überwiegen und der Gelegenheitsverkehr nur einen geringen Anteil am Gesamtgeschäft hat, steht solchen Unternehmen im unverschuldeten Schadensfall ein geeignetes Ersatztaxi zu, auch wenn in einem verschuldeten Schadensfall vielleicht keines angemietet worden wäre. Solche unternehmerischen Entscheidungen haben die Versicherer zu akzeptieren, auch wenn sie sich dabei betrogen fühlen.
Wer diesen Fragenwust dann überstanden hat, muss im Anschluss oft erfahren, dass die eigentlich zahlungspflichtigen Versicherer sehr kreativ dabei werden, wenn sie sich mögliche Abzüge zurechtlegen. Regelmäßig wird hier beispielsweise davon ausgegangen, dass Aushilfsfahrerinnen und ‑fahrer rechtlose Sklaven sind, die man einfach unbezahlt wieder nach Hause schickt, wenn kein geeignetes Fahrzeug verfügbar ist. Besonders dreiste Rechenkünstler auf Seiten der Versicherung stellen sogar in den Raum, dass Lohnkosten generell nicht zu den Fixkosten, sondern zu den variablen Kosten zählen. Sie kommen so zu dem Ergebnis, dass sämtliche Lohnkosten sowie die ersparten Eigenkosten für Reifen, Öle etc. vom Umsatz abzuziehen seien und dieser Wert dann den Gewinn darstellt. Mit diesem Gewinn vergleichen sie die Gesamtkosten für das Leihtaxi, und schon kommen sie zu dem Ergebnis, dass die Leihtaxikosten ein Vielfaches des Gewinns ausmachen und dessen Anmietung somit unverhältnismäßig sei.
Einer anderen Falle saß eine Unternehmer aus Niedersachsen auf, wo das Landgericht entschieden hatte, dass die Anmietung eines Leihtaxis generell unverhältnismäßig gewesen sei, da das Unternehmen gegenüber der gegnerischen Versicherung nicht differenziert belegt hatte, warum das Leihtaxi angemietet worden war. Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg stellte jedoch fest, dass der Schädiger darlegungs- und beweispflichtig dafür ist, dass das Ersatztaxi ggf. nicht erforderlich war. Der Bundesgerichtshof habe ausdrücklich klargestellt, dass nur ausnahmsweise davon auszugehen sein wird, dass die Anmietung des Ersatztaxis für einen wirtschaftlich denkenden Geschädigten aus der maßgeblichen vorausschauenden Sicht unternehmerisch unvertretbar ist. In der Gesamtbewertung der Angemessenheit sei zu berücksichtigen, dass das Recht des Geschädigten zur Anmietung des Ersatzfahrzeugs die Regel sein muss und nur außergewöhnliche Umstände eine andere Bewertung rechtfertigten (OLG Oldenburg, 8 U 6/24, 1 O 1424/23, Landgericht Oldenburg).
Das OLG weiter: „Normalerweise wird sich kein Unternehmer den Luxus eines großen Fuhrparks mit im Grunde teilweise überflüssigen Fahrzeugen leisten, sondern seine Kapazitäten möglichst nahe an der Grenze des betrieblich erforderlichen ansiedeln. Es entspräche unternehmerischer Vernunft, die vorgehaltenen Fahrzeuge möglichst intensiv zu nutzen.
Ein weiteres regelmäßiges Ärgernis bei gerichtlichen Entscheidungen zum Thema Leihtaxi ist, dass viele Gerichte die meist geringe Nutzung von unfallbedingt angemieteten privaten Leihwagen mit Leihtaxis unbegründet gleichsetzen. Wer aber die Fixkosten eines durchschnittlich für 10.000 oder 15.000 Kilometer im Jahr genutzten PKWs mit denen eines Taxis mit beispielsweise 100.000 Kilometern pro Jahr gleichsetzt, begeht einen gravierenden Rechenfehler. Die Praxis, auch für Leihtaxis 25 oder sogar 30 Prozent an ersparten Eigenkosten bei der Regulierung abzuziehen, hinkt erheblich an der Realität vorbei.
Das OLG Oldenburg wertete die ihm vorgelegten Bilanzzahlen des Taxiunternehmens gewissenhaft aus und kam zu dem Ergebnis, dass lediglich fünf Prozent für die ersparten Eigenkosten zumindest für dieses Taxiunternehmen dafür anzusetzen seien, da die restlichen Kosten als variable Kosten ausschließlich im Einsatz als Taxi entstünden. Dies gelte ganz besonders für die Lohnkosten insoweit, als die Mitarbeiter vertragliche Ansprüche auf Lohnzahlungen hätten, auch wenn sie nicht zum Einsatz kämen.
Das vorliegende Urteil des OLG Oldenburg stellt somit gegenüber den Ausflüchten vieler Haftpflichtversicherer wieder einmal eindeutig klar, dass weder überzogene ersparte anteilige Eigenkosten noch die Wertung von Lohnkosten als variable Kosten innerhalb der Kalkulation eines Taxibetriebes der Realität entsprechen. Vielleicht bremsen nun solche höchstrichterliche Entscheidungen den offensichtlich grenzenlosen Erfindungsreichtum einiger Versicherer. rw
Beitragsfoto: Taxirent/Remmer Witte