In der fünften Gesprächsrunde des Dialogformats „TMV direkt“ stellte sich der Magdeburger SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Kröber den Fragen und Anregungen der Taxifamilie.
Der 30-jährige Neu-Zugang im Bundestag, Mitglied im Verkehrsausschuss, zeigte sich gut informiert, interessiert und engagiert für die Sorgen und Nöte der Branche und machte Hoffnung für einen neuen Wind im Verkehrsgewerbe, auch wenn er selbst allzu großen Optimismus zu bremsen versuchte.
Moderator Patrick Meinhardt vom TMV stellte den überregional noch wenig bekannten Abgeordneten als „unseren Ansprechpartner Nr. 1 in der SPD-geführten Bundesregierung“ vor. Kröber selbst bestätigte diese Einschätzung, denn er sei innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion unter anderem der verantwortliche Ansprechpartner für das PBefG und das Regionalisierungsgesetz.
Gleich beim ersten Thema neuer Förderoptionen möglicherweise auch für den ländlichen Verkehr mit Taxi und Mietwagen nach dem neuen PBefG sah Kröber sich gezwungen, dem Gewerbe ordentlich Wasser in den Wein zu gießen. Grundsätzlich begrüßte er die Option zwar, wies aber auf den sogenannten Kieler Schlüssel hin, welcher die Verteilung solcher Regionalisierungsmittel festlegt und eine Umverteilung zu Lasten strukturschwacher Gebiete favorisiert. Es fiele der Verkehrsministerkonferenz VMK schon schwer genug, die verbleibenden Mittel für den klassischen ÖPNV zu verteilen, für den Taxiverkehr im ländlichen Raum werde da in naher Zukunft wohl nichts übrig bleiben. Die Länder könnten Taxiverkehr zukünftig fördern, doch ohne zusätzliche Mittel werde dies nicht geschehen.
Kröber konnte sich allerdings grundsätzlich vorstellen, beispielsweise mit Vorhalteprämien zumindest eine Grundversorgung für die Mobilität im ländlichen Raum mit spezifischen Förderungen sicherzustellen. Hier stünde das Taxi- und Mietwagengewerbe dann natürlich in der ersten Reihe. Kröber schilderte dazu seine eigenen Erfahrungen in seinem Wahlkreis Magdeburg/Salzland, wo es selbst in der Landeshauptstadt abends und nachts kaum noch Beförderungsangebote gäbe, wenn man nicht direkt neben der Straßenbahn wohne. In seinem Wohnort böte abends und nachts gerade mal ein einziger Fahrer seine Dienste an.
In diesem Zusammenhang betonte er auch, dass er das Taxi klar als notwendigen Teil des ÖPNV und der Daseinsvorsorge sehe. Dies gelte besonders für sein Herzensthema, die barrierefreie Mobilität. Die Stadt Magdeburg werde nach derzeitiger Planungslage wohl erst im Jahr 2088 vollständig über barrierefreie ÖPNV-Haltestellen verfügen und insofern sei das Taxi bis dahin wohl das einzig verfügbare barrierefreie Verkehrsmittel.
Die Frage der notwendigen Ökonomie solcher Angebote nahm er durchaus wahr, stellte aber auch entschieden fest, dass höhere Fahrpreise für mobilitätseingeschränkte Fahrgäste für ihn keine Option seien. Auch mit der Idee, solchen Kunden Wertgutscheine auszuhändigen, mit denen sie ihre Taxi- und Mietwagenfahrten finanziell aufwerten könnten, konnte er sich nur bedingt anfreunden, sah aber die Notwendigkeit, hier nach Kompromissen zu suchen. In der Summe machte er der Branche wenig Hoffnungen darauf, Rolliverkehre in die Taxitarife mit aufzunehmen, denn da wolle keiner ran.
Markus Gossmann als Vorsitzender der Fachvereinigung Personenverkehr Nordrhein wies Kröber darauf hin, dass im Zusammenhang mit den aktuell dringend notwendigen Taxitarifanpassungen durch die Genehmigungsbehörden teilweise gravierende Kompetenzprobleme den ökonomisch zwingenden Anforderungen der Branche entgegenstünden. Mit der anstehenden, leider aber immer noch nicht dingfesten Mindestlohnanpassung auf 12 Euro und dem gleichzeitigen Verbraucherpreisanstieg, insbesondere bei den Dieselpreisen, könne sich das Gewerbe eigentlich kaum auf Kompromisse einlassen, sei aber teilweise trotzdem dazu gezwungen, um überhaupt eine zeitnahe Tarifanpassung realisieren zu können. Auch seien langfristige Vereinbarungen beispielsweise in der Schülerbeförderung kaum anpassbar, da sowohl die anstehende Mindestlohnsteigerung als auch die aktuelle Inflation noch vor einem Jahr kaum vorhersehbar waren. Auch hier zeigten sich die Verantwortlichen in den Schulämtern aber oft nicht verhandlungsbereit.
Kröber verteidigte – natürlich – die Mindestlohnentscheidung und sah auch sonst wenig Chancen, das Gewerbe hier zu unterstützen, er sei hier schlicht der falsche Ansprechpartner. Interessant war allerdings sein Statement zum Mindestlohn, den er gern bei 12,73 Euro sähe, denn dies sei der Wert, bei dem auch für die Rente das Existenzminimum nicht mehr unterschritten werde. Nach den großen Schritten, mit denen der Mindestlohn bisher vorangeschritten ist, ist es tatsächlich etwas tröstlich, auch aus dem Munde eines ursprünglichen Gewerkschaftlers den Wunsch nach einer vergleichsweise moderaten Steigerung von weiteren sechs Prozent zu hören. Dieses Damoklesschwert scheint also zukünftig nicht mehr ganz so riskant für die Zukunft der Branche zu schwingen.
Thomas Grätz wies – wie auch schon in den vorangegangenen „TMV direkt“-Dialogen – auf die fehlende Bußgeldbewährung im neuen PBefG hin, damit seien alle Neuregelungen beispielsweise auch zu den gebündelten Bedarfs- und Linienverkehren stumpfe Schwerter und für die Genehmigungsbehörden als Gestaltungsbasis ihrer lokalen Verkehre ungeeignet. Kröber verwies dann – ebenfalls wie auch seine Vorredner in den vergangenen Dialogen – darauf hin, dass seiner Ansicht nach definitiv niemand mehr Lust habe das PBefG zeitnah erneut anzufassen. Er konnte sich aber immerhin vorstellen, diesbezüglich eine reine Ergänzung des PBefG ohne jede inhaltliche Änderung zu unterstützen. Bzgl. der Mobilitätsdatenlieferungsverpflichtung wies Kröber darauf hin, dass ihm ohne Datenlieferungen der Deutschen Bahn, welche sich bisher weigere, das ganze Projekt sinnlos erscheine, hier darf man also auf zukünftige Statements aus der Politik sehr gespannt sein.
Die bisher fehlende Umsetzung der „kleinen“ Fachkunde sah auch Kröber als sehr ärgerlich an und bat den TMV, auch ihm als Neumitglied im Bundestag die Vorschläge noch einmal zugänglich zu machen, die der TMV schon im letzten August während der vergangenen Legislaturperiode den Bundestagsfraktionen hatte zukommen lassen. Und er gab zu, dass die Berliner Realität ihn inzwischen gelehrt habe, dass ein Navi fehlende Ortskenntnis doch nur sehr bedingt ersetzen könne: Die Zeitdifferenz zwischen Navi-nutzenden Taxlern und tatsächlich ortskundigen Taxichauffeur*innen habe jetzt mehrfach sage und schreibe 40 Minuten betragen. Er sagte zu, sich nach Möglichkeit auch für die Einrichtung des seit langem vom Gewerbe geforderten runden Tisches stark zu machen.
Beim Thema Treibstoffpreise gab Kröber dann seinem Frust Ausdruck, dass Finanzminister Lindner und Verkehrsminister Wissmann, beide FDP, seinen Informationen zufolge bisher keinerlei Interesse zeigten, die Folge der drastischen Erhöhungen der letzten Wochen in geeigneter Form abzufedern. Darüber hinaus wies er darauf hin, dass das Verkehrsministerium BMDV sich derzeit auch nur unzuverlässig an Vereinbarungen halte. Die Interpretation dieser beiden Hinweise blieb dabei natürlich dem Publikum überlassen. Allerdings waren die Hinweise immerhin im ersten „TMV direkt“-Dialog mit Oliver Luksic, FDP, mit dem Bezug auf eine vermeintlich erwünschte Freiwilligkeit bei der Umsetzung gesetzlicher Neuregelungen durchaus eindrucksvoll bestätigt worden. rw
Beitragsbild: Screenshot TMV
Hinweis der Redaktion: Das Onlineformat „TMV Direkt“ umfasste bis zum 23.5.2022 sechs Veranstaltungen:
– Oliver Luksic: Neues online-Format „TMV direkt“ gestartet
– Stefan Gelbhaar: Füttern Sie mich mit Informationen
– Christoph Ploß: E-Taxis – Hamburger CDU-Chef fordert Technologie-Offenheit
– Michael Donth: Fachkunde war ein Zankapfel
– Martin Kröber: SPD macht sich für das Taxigewerbe stark
– Jürgen Lenders: Taxi ist immer dann stark, wenn es individuell ist
Der TMV hat eine Fortsetzung der Reihe für den 8. Juni angekündigt.