Waymo kommt mit seinen autonomen Fahrzeugen in die britische Hauptstadt. Während das Unternehmen jubelt und die Politik applaudiert, reagiert das Taxigewerbe noch mit Unglauben auf die neue Technologie.
„Eine tolle Neuigkeit für London! Wir bringen unseren vollautonomen Fahrdienst über den großen Teich und wollen ab 2026 Fahrten ohne Fahrer anbieten“, jubelte Robotaxi-Unternehmen Waymo, noch ohne eine einzige Genehmigung erhalten zu haben. Vollautonom ist ein wenig übertrieben, denn am Anfang werden die Robotaxis monatelang mit einem sogenannten Safety Driver fahren müssen. „Wir freuen uns, Londons ausgedehntes Bus-, U-Bahn-, Fahrrad- und Fußgängernetz mit unserem Fahrdienst zu unterstützen, der über die Waymo-App verfügbar sein wird.“ Die Firma freut sich deutlich darüber, dass sie als Erstes ein Robotaxi-System in London etablieren wird.

In den kommenden Monaten wird Waymo in Zusammenarbeit mit dem Flottenbetriebspartner Moove die Grundlagen für den Robotaxidienst legen und weiterhin mit lokalen und nationalen Entscheidungsträgern zusammenarbeiten, um die notwendigen Genehmigungen für den kommerziellen Fahrdienst in London zu erhalten. „In den USA hat der Waymo-Fahrer bereits über 100 Millionen vollautonome Meilen auf öffentlichen Straßen zurückgelegt und mehr als zehn Millionen bezahlte Fahrten durchgeführt.“ Das übrigens ohne das mittelalterliche Straßenmuster Londons im Vergleich zum Rastersystem amerikanischer Städte zu berücksichtigen. Und Waymo vergaß, dass es sich nächstes Jahr in erster Linie um ein Pilotprojekt handelt.
In der offiziellen Pressemitteilung zeigt sich Waymo ziemlich optimistisch: „Wir freuen uns sehr, den Londonern die Zuverlässigkeit, Sicherheit und Magie von Waymo näherzubringen“, sagte Waymo-Co-CEO Tekedra Mawakana. „Waymo macht die Straßen sicherer und den Transport dort, wo wir tätig sind, zugänglicher. Wir haben gezeigt, wie man vollautonome Mitfahrdienste verantwortungsvoll skaliert, und wir können es kaum erwarten, die Vorteile unserer Technologie auf Großbritannien auszuweiten.“

„Die Pressemitteilungen sind etwas irreführend“, sagt Steve McNamara, Generalsekretär der Licensed Taxi Drivers Association (LTDA), dem größten und stärksten Taxiverband Londons: „Erstens sind es keine ‘Taxis’“, sagt McNamara und fügt zynisch hinzu: „Taxis sind merkwürdig aussehende schwarze Fahrzeuge mit einem großen Leuchtschild vorne, auf dem ‘Taxi’ steht. Zweitens sind sie in Londons mittelalterliches Straßenmuster längst noch nicht autonom unterwegs, sondern haben immer einen Sicherheitsfahrer im Auto. Aber selbst wenn man die falsche Bezeichnung und den Hype akzeptiert: Wenn sie sich schließlich als sicher erweisen, in London autonom zu fahren, welcher Minister wird ihnen dann tatsächlich seine Zustimmung geben? Ich vermute, sie werden nicht Schlange stehen und am Tag des ersten Todesfalls oder schweren Unfalls könnte dieser Minister zum Minister der Regierung werden, an den man sich nur für seine verheerenden Vorhersagen erinnert!“
Dafür’ hat sich Verkehrsministerin Heidi Alexander als potenzielle Kandidatin gemeldet: „Ich freue mich sehr, dass Waymo seine Dienste im Rahmen unseres geplanten Pilotprojekts im nächsten Jahr nach London bringen will“, sagte sie und fügte hinzu, dass die Förderung der autonomen Personenbeförderung die barrierefreien Transportmöglichkeiten erweitern werde und gleichzeitig Arbeitsplätze, Investitionen und Chancen in Großbritannien schaffe. „Zukunftsweisende Investitionen wie diese werden uns dabei helfen, unsere Mission zu erfüllen, weltweit führend im Bereich neuer Technologien zu sein und eine nationale Erneuerung voranzutreiben, die echte Veränderungen in unseren Gemeinden bewirkt.“
Waymo pflegt enge Beziehungen zum Vereinigten Königreich: „London und Oxford beherbergen die ersten internationalen Entwicklungszentren, in denen Teams groß angelegte Closed-Loop-Simulationen vorantreiben – eine Goldstandard-Entwicklungsmethode für vollautonome Fahrtechnologie. Wir sind außerdem stolz auf die Partnerschaft mit Jaguar Land Rover, einer legendären britischen Marke, deren vollelektrische I-PACEs mit dem Waymo Driver jede Woche Hunderttausende vollautonome Fahrten in den USA durchführen und derzeit in Tokio unterwegs sind, während wir unsere internationale Präsenz ausbauen.“
„Waymo kann dazu beitragen, Londons Verkehrsziele zu erreichen, darunter das ehrgeizige Ziel zur Reduzierung der auf der Straße getöteten oder schwer verletzten Menschen. Die Daten zeigen, dass Waymo die Straßen an unseren Einsatzorten sicherer macht. Unsere Technologie ist im Vergleich zu Menschen an fünfmal weniger Unfällen mit Personenschaden und zwölfmal weniger Unfällen mit Fußgängern beteiligt. Wir freuen uns darauf, eine zusätzliche Option anzubieten, die Londonern hilft, sich sicher durch ihre Stadt zu bewegen – egal ob sie Fahrrad fahren, zu Fuß gehen oder eine Waymo-Fahrt buchen – und denjenigen mehr Unabhängigkeit bietet, die derzeit vom aktuellen Mobilitätsstatus unterversorgt sind.“
Steve McNamara (LTDA) nimmt die Ankündigungen des neuen Wettbewerbers auf die leichte Schulter und kontert: „London ist nicht San Francisco oder wie jede andere rasterförmige Stadt in den USA. Der Umgang mit idiotischen Fahrern, verrückten Radfahrern und Betrunkenen wird sich als Herausforderung erweisen. Frustrierte Fahrer werden schnell merken, dass die Lidar-Kuppel auf dem Dach eine Einladung ist, aus einer Seitenstraße herauszufahren oder die Spur zu wechseln, da das ultravorsichtige Auto immer eine Vollbremsung macht, um Vorfahrt zu gewähren. Wie lange dauert es, bis die Kids, die Lime-Bikes hacken, einen Weg finden, auch die Autos zu hacken, oder noch schlimmer: ‘Waymo Roof Surfing’ wird zu einem Ding auf TikTok. Ich glaube, die Londoner Taxifahrer müssen sich noch keine Sorgen machen!“
Aber die autonomen Fahrzeuge sollen auch was für die Inklusion tun. „Die geplante Einführung von Waymo in Großbritannien birgt das Potenzial für den Beginn einer neuen Ära unabhängiger Mobilitätsoptionen für blinde und sehbehinderte Menschen“, sagte Robin Spinks, Leiter für inklusives Design am Royal National Institute of Blind People (RNIB). „Als schwer sehbehinderter Mensch hoffe ich schon lange auf den Tag, an dem die Technologie spontanes autonomes Fahren sicher ermöglicht. Autonome Fahrzeugsysteme sollten für alle zugänglich sein. Wir arbeiten mit der Community und unseren Branchenpartnern zusammen, um sicherzustellen, dass bei der Einführung dieser Technologie die Sicherheit und die vielfältigen Bedürfnisse von Fahrern und Fußgängern im Vordergrund stehen.“
„Autonome Fahrzeuge wie Waymo haben das Potenzial, die Verkehrssicherheit deutlich zu verbessern, da der menschliche Fahrer einfach entfällt“, sagte James Gibson, Geschäftsführer von Road Safety GB. „Die Daten zeigen, dass die Waymo-Fahrzeuge im Vergleich zu menschlichen Fahrern auf über 100 Millionen autonomen Meilen deutlich sicherer gefahren sind. Die schrittweise, aber maßvolle Einführung autonomer Fahrzeuge ist der beste Ansatz. Die Verkehrssicherheitsbranche und die Gesellschaft insgesamt sollten dies begrüßen. Dies könnte zu einer Zukunft führen, die unseren Vision-Zero-Zielen entspricht.“ wf
Beitragsfoto: Zu Bus und Taxi gesellen sich demnächst auch die autonomen Fahrzeuge von Waymo. Foto Wim Faber









Autonomes Fahren stellt die oberflächliche Spitze der Digitalisierung dar. Im Hinter-und Untergrund sind die Treiber die finanziellen Interessen der Investoren. Der mittlerweile etablierte Begriff der Findom (finacial domination) zeigt die Richtung. Die technologische Entwicklung ist der nötigen gesellschaftlichen Debatte und den rechtlichen Rahmenbedingungen unfassbar weit voraus.
Wieder liegt es an uns als Demokraten, ob wir das einfach über uns hereinbrechen lassen oder uns schlau machen über die langfristigen Konsequenzen.
Personenbeförderung braucht Menschen. Wir sind nicht vollständig ersetzbar.