In Singapur macht ein Taxi-Unternehmer von sich reden: Seine Flotte von Elektrofahrzeugen soll in vier Jahren von 130 auf 930 Taxis wachsen. Dank Festgehalt und guter Bezahlung ist die Firma HDT einer von nur zwei Betrieben, der in einem rasant schrumpfenden Markt wächst.
James Ng betreibt eine Flotte von 100 Taxis und 30 Mietwagen, die alle elektrisch angetrieben werden. 2016 schuf er die ersten zehn E-Taxis an, im Februar 2017 folgten weitere 50 und nun sind es insgesamt 130 Fahrzeuge. Innerhalb der nächsten vier Jahre will er in diesem Tempo weiter wachsen und mit der schieren Masse sein Geschäft machen. 800 neue Elektrofahrzeuge wird er anmelden, wenn die notwendigen Lizenzen von der Behörde bewilligt werden. Das ist vollkommen gegen den Trend, denn die Anzahl der Taxis ist in dem kleinen asiatischen Tigerstaat seit sieben Jahren rückläufig. Auf die etwa 5,6 Millionen offiziellen Einwohner kommen „nur noch“ etwa 25.000 Taxis. Alle anderen Taxi-Unternehmen, bis auf einen zweiten Großunternehmer, schrumpfen.
Die Nachfrage für den direkten Transport von Tür zu Tür übersteige mittlerweile das Angebot, sagt der 45-jährige Ng. Nachhaltiges Wachstum bedeutet für ihn, dass er auch die Kosten für die Lade-Infrastruktur decken muss. Bislang stehen 67 Ladestationen auf der Insel. Aber für die dann über 900 Elektrotaxis werde man annähernd 300 zusätzliche, firmeneigene Ladestationen benötigen, so dass sich der durchschnittliche Abstand von jetzt zehn Kilometer auf drei Kilometer verringern würde. Die Elektrotaxis schaffen mit einer Batterieladung 300 bis 400 Kilometer und müssen dann etwa anderthalb Stunden aufgeladen werden. Die Ladezeiten mögen die Fahrer gar nicht. Ng löste das Problem, in dem er Pausen- und Ablösezeiten mit den notwendigen Ladeintervallen kombinierte. Als Lieferant für die zukünftige Flotte ist unter anderem der chinesische Hersteller BYD im Gespräch. Durch die große Stückzahl wird der chinesische Hersteller wohl einen besonders großen Rabatt gewähren können.
60 bis 70 Prozent der Fahraufträge bekommen die Fahrer durch die Nutzung der Vermittlungs-App Grab. Die verbleibenden 30 bis 40 Prozent setzen sich aus direkten Bestellungen durch Großkunden und Fahrgästen zusammen, die Taxis aus dem fließenden Verkehr heran winken. Allerdings nehme der Anteil der Anhalter immer weiter ab.
Das Schrumpfen des Marktes insgesamt hat seine Ursachen: Gemessen an der Anzahl verfügbarer Fahrer gab es ein Überangebot an Fahrzeugen. Die Fahrer werden auch hier meist auf Provisionsbasis angestellt oder mieten sich die Taxis und fahren auf eigene Rechnung und Verantwortung. Im Ergebnis ist das Einkommen der Fahrer in dem relativ wohlhabenden Stadtstaat unattraktiv, weil zu niedrig und zu unregelmäßig.
Ng hingegen bietet den Fahrern die Wahl, ob sie nach Festgehalt eingestellt werden möchten oder einen Wagen mieten wollen. Das Festgehalt liegt monatlich bei knapp 1650 Euro brutto, mit Überstunden und Zuschlägen kommen die Fahrer auf 2500 Euro, und bietet außerdem bezahlten Urlaub. Obendrein gibt es Zuschläge für hohe Umsätze, so sind 3700 Euro monatlich möglich – etwa soviel wie ein Ingenieur verdient. Die dafür notwendigen Umsätze erreichen aber wahrscheinlich wenige, und so möchten einige dennoch ihre Zeit frei einteilen und zahlen lieber 110 Euro Miete täglich für ein Taxi.
Er macht außerdem gezielt Werbung, zum Beispiel an Taxi-Schulen, um genügend Bewerbungen zu bekommen. Die Boni, die der App-Betreiber Grab für fleißiges Abnehmen von Fahrten ausgibt, reicht er natürlich an die Fahrer weiter.
So sind sich Experten in den Gründen für Ngs rasantem Erfolg in einem schnell schrumpfenden Markt einig: Durch die Masse und Elektrofahrzeuge kann er Betriebskosten senken, und gleichzeitig bietet er den Fahrern wettbewerbsfähige Gehälter. Insbesondere das Problem der unregelmäßigen und niedrigen Bezahlung erweist sich in einem Land, in dem beinahe Vollbeschäftigung herrscht, als Nadelöhr für Geschäftsmodelle, die auf Preisdumping beruhen. prh
Grafik: HDT
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Das gesamte bundesdeutsche Taxengewerbe mutet im Vergleich zu anderen offenen und dynamischen Märkten fast schon archaisch an. Weiterentwicklung, Innovation und Kundenausrichtung insbesondere auf den veränderten Mobilitätswandel in der Bevölkerung: Fehlanzeige. Eine bislang komfortable Schutzzone dank staatlichem Protektionismus durch gesetzliche Rahmenbedingungen (PBefG) hat eine Branche erschaffen lassen, die dank ihrer starren Strukturen ihrer zweitklassigen Auguren und Protagonisten auf Zentralen und Verbandebene unfähig sind zur kritischen Selbstreflexion ihres Daseins und ihres Handelns.
Wachstum in stagnierenden oder schrumpfenden Märkten ist mitunter sehr einfach möglich. Meist wird dieses Phänomen immer dann beobachtet, wenn Externe oder Neueinsteiger einen etablierten Markt neu aufrollen. Mitunter sind nur wenige Dinge neu zu gestalten oder zu verändern, oft sind es lediglich alt hergebrachte Verhaltensweisen der Etablierten. Schrumpfende Märkte führen meist zu einer Deinvestition und zu einem Braindrain (Talentschwund). Die Fitten verlassen den Markt und suchen sich neue lukrativere Betätigungsfelder. Die Verbleibenden wirtschaften ab und grasen die letzten verbleibenden Krümel auf. Eine Marktentwicklung findet so nicht mehr statt, der Abwärtstrend beschleunigt sich regelmäßig. Diese Situation ist leider derzeit im Bundesdeutschen Taxigewerbe zu beobachten. Weite Teile der Bevölkerung meiden das Taxi, der Personenkreis der aktiven Nutzer/Nachfrager schrumpft und die Häufigkeit der Inanspruchnahme sinkt.
Der Taximarkt ist über die Jahrzehnte leider zu einer Art ‘Müllkippe‘ des Arbeitsmarktes verkommen. Hilflose, lustlose und teilweise ungewaschenen Hungerlöhner verdingen sich am Rande der sozialen Legalität, während die Konzentration auf der zumeist schmierigen Unternehmerseite stark zugenommen hat. Das Renommee, Status und Image des Taxi sowie seiner Piloten sind im Keller. Die gesellschaftliche Akzeptanz und damit verbunden die Einstellung der potentiellen Nachfrager (Stichwort: Nachfrage- bzw. Kaufentscheidungsmotivation) sind dramatisch abgesunken.
Doch nun kommen weltweit andere Big-Player in den Markt und machen in kurzer Zeit einem noch nie da gewesenen Rollout an Weiterentwicklungen und Innovationen, das es den Etablierten – also uns – schwindelig werden läßt.
Gelegentlich wird der Dumme – also wir – noch mit geschönten Untersuchungen aus dem Zentralen- und Verbandsumfeld beruhigt a la “Unsere Kunden sind zu 98 Prozent mit unserer Dienstleistung vollstes zufrieden“. Wer Teil dieser old-industrie ist und nur noch fünf Jahre bis zur Rente hat, der möge sich entspannt in seinen Fahrersitz unter der Hungerleuchte setzen. Den anderen möge ich mit auf den Weg geben: Die Dampfmaschine hat das Segel ersetz und die Dampfmaschine wurde wiederum durch den Diesel ersetzt. Und vielleicht werden die Dieselmotoren auf See bald schon durch Wasserstoffaggregate ersetzt.
Innovationen werden WIR nicht aufgehalten können und daran wird auch kein PBefG etwas ändern können. Autonom fahrende Vehikel oder auch sog. Robo-Taxen (fungieren dann als Mietwagen) werden zukünftig höchst wahrscheinlich von allen großen Automobilherstellern betrieben werden. Da braucht es nicht der Initiative von Apple, Uber und all den anderen Konsorten, aber die kommt noch hinzu. Ein Fahrgastkilometer für eine taxiähnliche Beförderung kostet dann etwa 50 bis 70 Cent. Wer nun immer noch glaubt, daß sich das Taxengewerbe mit seiner “Genialität“ in diesem heißen Wettbewerbskonzert wird behaupten können, dem wünsche alles Gute.
Eine Nachberichterstattung über die weitere Entwicklung des Herrn James Ng in Singapur wäre sehr wünschenswert!
[In eigener Sache: Diesen Kommentar habe ich mit einer mechanischen Schreibmaschine (Typ: Klein-Adler 2) verfaßt, da ich als langjähriger Taxler gewohnt bin, daß alles in so bleibt, wie es einmal war]