Während die Unternehmen im Gelegenheitsverkehr darüber nachdenken, wie Taxis und Mietwagen den ÖPNV ergänzen können, denken die Verkehrsunternehmen offensichtlich in eine andere Richtung. Eine aktuelle Studie lotet aus, ob sich über die neuen Optionen im PBefG (Linienbedarfsverkehr etc.) diese Verkehre zukünftig auch ausschließlich im ÖPNV verorten lassen.
„Mobilitätsoffensive für das Land. Wie Kommunen mit flexiblen Kleinbussen den ÖPNV von morgen gestalten können“ – unter diesem Titel hat die Agora Transport Transformation gGmbH aus Berlin eine Studie erstellen lassen. Erstellt wurde sie von der PTV Transport Consult GmbH aus Karlsruhe in Zusammenarbeit mit dem VDV (Verband Deutscher Verkehrsunternehmen) und dem DStGB (dem Deutschen Städte- und Gemeindebund). Die hier einsehbare Studie lotet unter anderem die Möglichkeiten aus, wie Linienverkehrsunternehmen im ÖPNV Ridehailing-Angebote (Linienbedarfsverkehr, Gebündelte Bedarfsverkehre, oder auch die bisherigen flexiblen Bedienformen des ÖPNV) in ihr Angebot integrieren können.
Beim Lesen der Studie werden Protagonisten der Taxi- und Mietwagenbranche durch ein Wechselbad der Gefühle getrieben. Mal werden Optionen zur direkten Tür-zu-Tür-Bedienung im Linienbedarfsverkehr erarbeitet, was nach Einschätzung der Studie möglich wäre, wenn jedes Haus als virtuelle Haltestelle definiert würde. Mal sollen Flottenbetreiber mit kleinen Fahrzeugen als sinnvolle Partner auserkoren werden, die das Risiko der Investitionen minimieren. Mal wird von den Kostenvorteilen der Taxiunternehmen gesprochen, dann aber wieder dargelegt, dass der Linienbedarfsverkehr „das Taxi spart“.
Michael Oppermann, Geschäftsführer des Bundesverbands Taxi und Mietwagen e. V. (BVTM), sieht in den positiven Aspekten die Chance, aber auch eine Herausforderung für die Taxibranche: „Der Leitfaden würdigt die Leistungen des Gewerbes wie AST-Verkehre als Vorläufer von On Demand. Unsere Unternehmen müssen beweisen: Wir sind auch die Zukunft. Wir begrüßen, dass der VDV explizit auf die mögliche Kooperation mit dem Taxigewerbe hinweist. Ziel muss es sein, nicht Wettbewerber der Linienverkehrsbetreiber zu werden, sondern Partner. Denn unsere Unternehmer wissen, wie On Demand geht. Davon profitieren dann alle.“
Die Studie führt aus, wie das PBefG seine zwei neuen Mobilitätsformen definiert. Der Linienbedarfsverkehr ist demnach eine Erweiterung des öffentlichen Linienverkehrs, bei dem die Fahrzeuge – auf Bestellung (on demand) und ohne festgelegten Weg – Haltestellen, aber auch virtuell definierte Haltepunkte anfahren. Die Angebote sind nahtlos in den klassischen ÖPNV integriert und erfüllen entsprechende gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen (Betriebs-, Beförderungs- und Tarifpflicht). Der gebündelte Bedarfsverkehr sammelt ebenfalls Fahrtwünsche auf Bestellung, ist aber ein privatwirtschaftlich organisiertes und gewinnorientiertes („eigenwirtschaftliches“) Angebot, das nicht von den Aufgabenträgern des ÖPNV beauftragt wird und auch keiner Betriebs- oder Beförderungspflicht unterliegt.
Schon in dieser Differenzierung versteckt sich eine verhängnisvolle Interpretation, denn sie legt nahe, dass der der Gelegenheitsverkehr eigenwirtschaftlich denke und deswegen per se ungeeignet sei, seine Rolle im ÖPNV zu spielen. Die Verkehrsunternehmen aus dem Linienverkehr dächten hingegen gemeinwirtschaftlich, erfüllten Betriebs-, Beförderungs- und Tarifpflichten und seien so der logische Alleinunterhalter im geförderten ÖPNV. Der Gelegenheitsverkehr arbeite bei der Umsetzung gebündelter Bedarfsverkehre also gewinnorientiert, der Linienverkehr bei der Umsetzung von Linienbedarfsverkehren nicht.
Dieser Schluss aus der gesetzlichen Differenzierung eigen- bzw. gemeinwirtschaftlich erscheint auch nach der hundertsten Wiederholung nicht schlüssiger als am ersten Tag. In der Folge setzt sich die Studie dann zwar nominell mit beiden Bedarfsverkehrsformen auseinander, eine wirklich differenzierte Betrachtung erfolgt mit der Einordnung der Bedarfsverkehre in den ÖPNV in Kapitel 2 aber nur im Hinblick auf den Linienbedarfsverkehr.
Allerdings wird die Studie vor allem in Teil 4, wo es um die Modulation möglicher Modelle geht, sehr differenziert und liefert auch dem interessierten Leser aus der Taxi- und Mietwagenbranche sehr viele Denkanstöße, die Chancen in der Kooperation mit den Verkehrsunternehmern aus dem ÖPNV anbieten. Gerade weil die Studie dann die Schülerfahrten aus dem gängigen ÖPNV in der Fläche herauszieht und die verbleibenden Verkehre detailliert auswertet, kommt sie zu Ergebnissen, die auch kleineren Einzelunternehmen durchaus Chancen lässt. So wird dann als sinnvolle Fahrzeugeigenschaft für bestimmte Angebote eine optionale Beförderungskapazität von vier Fahrgastplätzen (zuzüglich eines Fahrpersonals) erarbeitet.
Noch konkreter wird die Studie mit der Formulierung, dass die Einbeziehung von Flottenbetreibern mit kleinen Fahrzeugen vorteilhaft sein kann und Linienbedarfsverkehre wirtschaftlich tragfähiger machen kann. Sie böten Flexibilität und reduzierten gleichzeitig das Risiko und die Investitionen. Dabei könne es sich um überregional tätige Fahrzeugflottenbetreiber handeln oder um örtliche Taxiunternehmen. Letzteres setze aber voraus, dass vor Ort geeignete Strukturen und Taxianbieter vorhanden sind. Spätestens das ist eine Steilvorlage für engagierte Unternehmen aus der Taxi- Mietwagenbranche.
Insgesamt steht der Studie sicherlich ein großes Maß an Aufmerksamkeit auch von den Unternehmen im Gelegenheitsverkehr zu, und es erscheint geboten, auf die vorgetragenen Argumente zu reagieren und auch verbandseitig immer wieder die Zusammenarbeit zu forcieren. Zum anderen muss die Branche gerade auch im ländlichen Bereich für sich selbst stets beide Bedarfsverkehrsformen auf ihre Machbarkeit prüfen und sich bestenfalls mit erfolgreichen Beispielen den großen Mitbewerbern als sinnvoller Partner anbieten.
Zu guter Letzt ist eine Digitalisierung der Angebote zwingend notwendig, denn ohne diese bleiben Aktivitäten nur Stückwerk. Spätestens ab diesem Punkt geht es aber um Details. Mit gelegentlichen öffentlichkeitswirksamen Aktionen seitens der Verbände wird sich da definitiv nichts erreichen lassen. rw
Beitragsbild: Agora gGmbH