Ist es der Mangel an Fahrernachwuchs oder sind es eher Gründe wie die Verkehrspolitik, der Brexit und die Corona-Krise, die dafür sorgen, dass Taxis und Mietwagen in London derzeit rar sind?
In England sind die Corona-Maßnahmen im Vergleich zu Schottland und Wales nicht sehr streng. Dadurch und aufgrund des Fahrermangels und der hohen Preise bei Uber & Co. gibt es wieder Hoffnung (und Arbeit) für das Londoner Taxigewerbe. Dennoch bereiten nicht nur Londons unlogische Verkehrsmaßnahmen zur Begünstigung von Fußgängern und Radfahrern, sondern auch die dramatisch geringe Zahl an angehenden Taxifahrern der Taxibranche erhebliche Probleme. Mit einem Engpass sehen sich auch die Taxifahrer konfrontiert, die ihr Fahrzeug – oft wochenweise – mieten. Wegen der Corona-Krise werden weniger Miettaxis angeboten.
Die Londoner mussten in den letzten Wochen deutlich länger als bisher auf ein Taxi oder einen Mietwagen (Uber, Bolt, Ola u. a.) warten. Trotz des jüngsten Aufrufs, wegen der gestiegenen Zahl der Corona-Fälle durch das Omikron-Virus zu Hause zu arbeiten, ist die Nachfrage nach Taxis und Mietwagen noch weiter gestiegen. Aufgrund des Fahrermangels wurden vor allem Uber-Fahrten über „Surge Pricing“ sprunghaft teurer. Viele (Kurz-)Fahrten werden von Uber-Fahrern während der Hauptverkehrszeit in letzter Minute abgesagt. Auf Twitter klagen viele Uber-Kunden über rasant gestiegene Fahrtkosten, wie z. B. eine 20 minütige Uber-Fahrt von etwa 25 Pfund (30 Euro), die plötzlich und unerwartet 104 Pfund (125 Euro) kostete.
Nun beschäftigt sich sogar der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan mit der Thematik. Er meint, es seien viel mehr der Brexit, die Corona-Pandemie und die Abwanderung von Taxi- und Mietwagenfahrern in andere Branchen wie zum Beispiel Güterverkehr und Kurierdienste, die in der britischen Hauptstadt für einen argen Mangel an Taxis und Mietwagen sorgen.„Mir sind Berichte bekannt, dass die Nachfrage nach Taxis und Mietwagen in London das Angebot übersteigt“, sagte Khan. „Dieser Mangel besteht trotz der Tatsache, dass in London mehr als 101.000 Mietwagenfahrer und mehr als 20.000 Taxifahrer zugelassen sind. Der Lizenzanbieter Transport for London (TfL) teilt mir mit, dass die Zahl der Lizenzverlängerungen nach wie vor hoch ist und viele Anträge auf neue Mietwagenlizenzen bearbeitet werden.“
Laut Khan, der sich auf TfL-Daten stützt, sind „rund 50 Prozent der Mietwagenfahrer regelmäßig beschäftigt, verglichen mit mehr als 70 Prozent vor der Pandemie. TfL arbeitet mit Vertretern des Mietwagen- und des Taxisektors an einer Studie, um dieses komplizierte Beförderungsproblem besser zu verstehen.“ Khan rät jedem, Taxi- und Mietwagenfahrten im Voraus zu planen und zu buchen, um vor allem abends und nachts auf der sicheren Seite zu sein.
In der Londoner Taxibranche läuten in letzter Zeit die Alarmglocken, da die Zahl der Anwärter auf das berühmte „Knowledge of London” (die „Kenntnis von London”, also die äußerst umfangreiche Ortskunde für den P-Schein) auf dramatisch niedrige 552 gesunken ist (von fast 1.000 im Jahr 2019). Aktuell gibt es 20.027 Taxifahrer in der Metropole. Davon haben 17.910 eine „All London”-Genehmigung, die sogennante Green Badge. Tatsache ist aber auch, dass weniger als 13.000 Fahrer im Moment tatsächlich aktiv sind.
Seit 1865 muss jeder, der Taxifahrer in London werden möchte, gründliche Kenntnisse über London im Umkreis von 10 km um den Bahnhof Charing Cross haben. Dazu müssen zehntausende Straßennamen und Sehenswürdigkeiten aus dem „Blue Book“ mit 320 „Runs“ bzw. Routen auswendig gelernt werden: „The Knowledge of London“, abgekürzt „The Knowledge“ genannt. Damit schlagen die Londoner Kollegen noch jeden Tag die von Uber-Fahrern bevorzugten elektronischen Navigationssysteme. Für manche Taxifahrer außerhalb von London ist dieses „Knowledge” ein etwas archaischer Test, der erst nach drei- oder vierjährigem Lernen zum Erfolg führt. Hier liegt der Grund dafür, dass die Zahl der Taxifahrer in London nicht über Nacht erhöht werden kann.
Die meisten angehenden Taxifahrer – oft auf ihren Mopeds oder abends im Smart auf Erkundungstour – brauchen diese Zeit, um alle Routen des „Knowledge” zu lernen. Von Zeit zu Zeit werden sie in einem 20-minütigen Gespräch auf den kürzesten Weg zwischen zwei beliebigen Punkten befragt, und ab dem Moment, wenn sie diesen Weg dem Prüfer – oft einem Ex-Polizisten – gut erklären können, verkürzt sich die Zeit zwischen den Prüfungen von 56 Tagen auf 28 bzw. 21. Eine Fahrprüfung schließt den gesamten Lehrgang ab.
Das Gewerbe ist über mögliche Anpassungen des „Knowledge” zerstritten. Viele Taxifahrer in London sind stolz auf ihre außergewöhnliche Ortskunde und ihren „Green Badge” und halten das Londoner Taxigewerbe für das beste weltweit. wf
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