Das Diskussionsportal „TMV direkt“ geht morgen in die nächste Runde. Der Taxi- und Mietwagenverband Deutschland e. V. (TMV) hat erneut vier Bundestagsabgeordnete gewinnen können, sich den Fragen der Taxi- und Mietwagenbranche zu stellen.
Am morgigen Donnerstag ist der verkehrspolitische Sprecher der Fraktion Die Linke, Thomas Lutze, Interviewpartner. Lutze ist der vielleicht größte und leidenschaftlichste Unterstützer des Taxigewerbes im Deutschen Bundestag. Im Rahmen der sehr kontroversen Debatten zur PBefG-Novelle hielt er am 5. März 2021 eine denkwürdige Rede, die bis heute in weiten Teilen nicht an Aktualität eingebüßt hat – eher im Gegenteil.
Lutze warnte eindringlich vor amerikanischen Verhältnissen und bemühte sich leidenschaftlich, eine neoliberale Marktliberalisierung für unseriöse Fahrdienstanbieter zu verhindern. Aus schierer Verzweiflung über das von CDU/CSU, SPD und Grünen ausgearbeitete „schlimme Gesetz“ forderte er die Parlamentarier in fatalistischer Ironie auf, das Taxigewerbe doch konsequenterweise komplett abzuschaffen, damit die kleinen und mittelständischen Unternehmer wenigstens wüssten, woran sie sind. Dann ernsthaft: Es habe „nichts mehr mit marktwirtschaftlichem Wettbewerb“ zu tun, „dem klassischen Taxigewerbe mit seinen nach wie vor strengen – und auch nachvollziehbar strengen und betriebswirtschaftlich teuren – Vorschriften eine direkte Konkurrenz vor die Tür zu setzen, die nicht ansatzweise diese Regularien hat.“ Das Vorhaben bezeichnete Lutze als „unzumutbar“. „Während die klassischen Taxis ein integraler Bestandteil des ÖPNV sind, sind Uber & Co. Teil des Wilden Westens. Uber & Co. werden sich nie an irgendwelche Regeln halten, denn das Nichteinhalten von Regeln ist deren Geschäftsmodell.“
Lutze berichtete von einem Besuch im US-Bundesstaat Texas im Jahr 2019: „Dort gibt es die Klassischen Yellow Cabs gar nicht mehr. Braucht man dort ein Taxi, braucht man ein Smartphone und man braucht eine App. Hat man aber zum Beispiel ein Motelzimmer am Stadtrand, dann ist es nicht ungewöhnlich, wenn niemand kommt, denn eine Verkehrsversorgungspflicht haben diese Firmen nicht. Sie bedienen das, was sich für sie rechnet. Wollen wir das wirklich? Ich glaube nicht. Für Die Linke sind Taxis eine wesentliche Säule im öffentlichen Personennahverkehr. Sie kommen im übrigen auch ohne öffentliche Zuschüsse aus.“ Den Befürwortern der PBefG-Novelle warf er vor: „Sie machen hier ein System kaputt, das kein Zuschusssystem war.“
Er erinnerte daran, dass Taxis Krankenkassenfahrten „fast zum Selbstkostenpreis“ durchführen. „Da Frage ich Sie: Machen das zukünftig Uber & Co. auch, solche Touren? Ich glaube, nicht. […] Aus meiner Sicht gibt es keinen Grund, diesen Markt weiter zu liberalisieren. Es geht vor allem nicht, dass die einen nach wie vor strenge Regeln haben, und die anderen werden machen, was sie wollen – egal, wie Sie heute die Gesetzeslage ändern. Sind die klassischen Taxis aber erst einmal Geschichte, werden die Preise bei Uber & Co. auch hochgehen. Wer also von günstigen Preisen träumt, wird ein böses Erwachen haben.“
Die schwer umkämpfte Gesetzesnovelle war zum Zeitpunkt von Lutzes Rede bereits weitgehend formuliert und erwies sich dann aus Taxisicht doch als doch nicht so desaströs wie zu Beginn nach den ersten Scheuer`schen Vorstellungen. Als Problem erweist sich nun vielmehr, dass sich die Kommunen mit der Umsetzung der neuen Regeln schwer tun. Insofern sollten die Worte von Herrn Lutze immer wieder in Erinnerung gerufen werden. Vielleicht melden sich ja auch ein paar Mitarbeiter von Genehmigungsbhörden zum Dialog an.
Im Online-Format „TMV direkt“ folgt nach Thomas Lutze noch einmal Stefan Gelbhaar von den Grünen, im Juni noch einmal Michael Donth von der CDU und im Juli Dorothee Martin, die verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion. ar / rw
Damit umfasst das Online-Format mittlerweile eine beachtliche Liste an Interviewpartnern:
Interviewpartner, Partei/Institution, Amt | Datum | Taxi-Times-Meldung |
Oliver Luksic (FDP), Parlamentarischer Staatssektretär | 25.4.2022 | Neues online-Format „TMV direkt“ gestartet |
Dr. Christoph Ploß (CDU), Hamburger CDU-Vorsitzender und MdB | 2.5.2022 | E-Taxis – Hamburger CDU-Chef fordert Technologie-Offenheit |
Stefan Gelbhaar (Bündnis 90/Die Grünen), verkehrspolitischer Sprecher | 4.5.2022 | Füttern Sie mich mit Informationen |
Michael Donth (CDU), Berichterstatter für Taxi, PBfG und ÖPNV | 9.5.2022 | Fachkunde war ein Zankapfel |
Martin Kröber (SPD), MdB und Mitglied im Verkehrsausschuss | 12.5.2022 | SPD macht sich für das Taxigewerbe stark |
Jürgen Lenders (FDP), MdB und Verkehrspolitiker | 25.5.2022 | Taxi ist immer dann stark, wenn es individuell ist |
Valentin Abel (FDP), Berichterstatter Schiene & ÖPNV, Radverkehr, Autonomes Fahren und Elektrokleinstfahrzeuge | 8.6.2022 | Politik fordert vom Taxigewerbe gute Ideen für ÖPNV-Lösungen |
Ingbert Liebing (Verband kommunaler Unternehmen), Hauptgeschäftsführer | 6.7.2022 | Nadelöhr Ladesäule |
Henning Rehbaum (CDU), Berichterstatter Fachkräfte im Verkehrssektor und Europäische Verkehrspolitik und Vorsitzender des neugegründeten Parlamentskreises Bus |
13.7.2022 | Mangelware Neufahrzeug – das große Problem der Taxibranche |
Prof. Dr. Andreas Knie (Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung), Verkehrsforscher |
15.9.2022 | Taxi ist aktuell nicht sexy genug |
Dr. Volker Wissing (FDP), Bundesverkehrsminister | 21.12.2022 | Deutschlandticket inklusive Taxi geplant |
Thomas Bareiß (CDU), verkehrspolitischer Sprecher | 23.4.2023 | „Rückzug der E-Klasse aus dem Taxigeschäft ist eine Sauerei“ |
Die nächsten Interviewpartner: | Datum | Uhrzeit |
Thomas Lutze (Linke), verkehrspolitischer Sprecher | Do, 11.5.2023 | 10:00 Uhr bis 11:00 Uhr |
Stefan Gelbhaar (Bündnis 90/Die Grünen), verkehrspolitischer Sprecher | Di, 16.5.2023 | 10:00 Uhr bis 11:00 Uhr |
Michael Donth (CDU), Berichterstatter für Taxi, PBfG und ÖPNV | Mo, 12.6.2023 | 10:00 Uhr bis 11:00 Uhr |
Dorothee Martin (SPD), verkehrspolitische Sprecherin | Mo, 31.7.2023 | 9:00 Uhr bis 10:00 Uhr |
Anmerkungen der Redaktion: Wer an einer oder mehereren der bevorstehenden „TMV direkt“-Folgen online teilnehmen möchte, braucht nur eine E-Mail an [email protected] zu senden. Dabei ist es möglich und gewünscht, dem TMV im Vorfeld bereits Fragen an die Interviewpartner zukommen zu lassen. Die letzten Veranstaltungen waren nur mäßig besucht, die Teilnehmer entstammten größtenteils nur der TVM-Vorstandsschaft und einiger weniger Besucher. Wenn man will, dass sich Politiker dauerhaft und intensiv für die Taxibranche einsetzen, muss man Ihnen an einem Tag, an dem Sie sich auf eine Diskussion mit der Taxibranche einlassen, auch die nötige Wertschätzung entgegenbringen. Wenn ein Politiker bei einer solchen Runde auf nicht einmal 50 Teilnehmer trifft, erreicht man eher das gegenteil. Deshalb: Einfach mal Zeit nehmen für solch ein digitales Event!
Beitragsbild: Screenshot der Bundestagsrede von Thomas Lutze am 5.3.2021
Warum wird die AfD nicht befragt?