Diese Meldung vom 21.4. ist am 8.10. und am 8.11.2021 aktualisiert worden. Siehe unten.
Das Bundesverkehrsministerium hat im zweiten Anlauf eine Novelle des Bußgeldkatalogs auf den Weg gebracht. Wichtigste Änderung im Vergleich zur ersten Fassung: Die Grenzwerte bei Fahrverboten für zu schnelles Fahren werden wieder moderater, dafür werden Bußgelder zum Teil verdreifacht. Für Berufskraftfahrer, zu denen auch Taxi- und Mietwagenfahrer zählen, eine gute Nachricht.
Ende April 2020 trat ein neuer Bußgeldkatalog in Kraft, der – neben einem deutlich verbesserten Schutz von Radfahrern – erheblich verschärfte Regelungen für zu schnelles Fahren vorsah. So sollten Geschwindigkeitsübertretungen innerorts bereits ab 21 km/h statt wie bisher ab 31 km/h mit einem Monat Fahrverbot geahndet werden. Außerorts wäre ein Fahrverbot ab 26 km/h statt wie bis dato ab 41 km/h zu schnellem Fahren verhängt worden. Auf einer breiten, geraden Stadtstraße etwas über 70 km/h fahren – das passiert öfter und stellt nicht immer eine erhebliche Gefahr dar. Entsprechend groß waren die Proteste gegen die strengen Strafen, mit denen sich viele Autofahrer in den ersten Wochen nach Inkrafttreten konfrontiert sahen.
Andere Regelungen stießen dagegen auf breite Zustimmung, etwa dass das missbräuchliche Befahren einer Rettungsgasse auf der Autobahn künftig mit 320 Euro Geldbuße, einem Monat Fahrverbot und zwei Punkten im Flensburger Fahreignungsregister bestraft werden sollte. Auch die Erhöhung von 20 auf 55 Euro für Parken auf Rad- und Gehwegen wurde weitgehend als Verbesserung des Schutzes schwächerer Verkehrsteilnehmer begrüßt. Die Sanktionen für zu schnelles Fahren aber wurden von als unverhältnismäßig angesehen, und Interessenvertreter des Autoverkehrs liefen dagegen Sturm. Eine Petition für die Rücknahme der Novelle fand schnell über 135.000 Unterzeichner. Von einem weiteren Meilenstein in der langen Reihe von Fehlgriffen des Bundesverkehrsministers war die Rede. Dabei hatte nicht Andreas Scheuer, der als sehr autofahrerfreundlich gilt, die drastischen Verschärfungen vorgeschlagen, sondern die Länder im Bundesrat. Scheuer war deren Änderungswünschen lediglich gefolgt.
Gekippt werden konnte die Novelle aber aufgrund eines Formfehlers. Nach weniger als drei Monaten wurden die neuen Regeln außer Vollzug gesetzt. Im Bundesverkehrsministerium begann man mit der Überarbeitung. Die Verkehrsminister der Länder sollen sich einig gewesen sein, dass die Strafen weniger hoch ausfallen sollten, doch wie weit die Entschärfung gehen sollte, darüber herrschte zunächst Uneinigkeit.
Nun ist die überarbeitete Version verabschiedet worden. Wichtigste Korrektur: Die drohenden Fahrverbote für Geschwindigkeitsverstöße bleiben ebenso wie die Anzahl der Punkte in Flensburg unverändert auf dem Stand vom 1. Mai 2014, dem Datum der letzten Änderung. Nur die Geldbußen dafür werden deutlich erhöht, zum Teil auf den doppelten Betrag.
Der zweite Schwerpunkt der Novelle, die Regeln zum besseren Schutz der Fußgänger und Radfahrer sowie des Carsharings, beinhalten ebenfalls strengere Sanktionen für Parkverstöße, vor allem auf Fuß- und Radwegen sowie – neuer Tatbestand – auf Flächen, die zum Abstellen von Carsharing-Autos oder zum Laden von Elektrofahrzeugen reserviert sind.
Das Nichtbilden einer Rettungsgasse und deren unerlaubte Benutzung werden – wie bereits im ersten Anlauf geplant – mit einem Bußgeld zwischen 200 und 320 Euro sowie einem Monat Fahrverbot geahndet. Die Rettungsgasse, die beispielsweise auf Autobahnen zwischen der ersten und der zweiten Spur von links das Durchkommen von Rettungsfahrzeugen ermöglicht, muss sehr frühzeitig, also bereits beim Entstehen eines Staus, gebildet werden.
Auch Autofahrer, die mangelndes Selbstwertgefühl mit PS kompensieren wollen und dabei auch gerne Menschenleben riskieren, sollen stärker abgeschreckt werden. Die Geldbuße für das Verursachen unnötigen Lärms und einer vermeidbaren Abgasbelästigung sowie das unnütze Hin- und Herfahren von bisher maximal 20 Euro wird auf bis zu 100 Euro angehoben. Die Teilnahme an illegalen Autorennen gelten bereits seit 2017 als Straftat und werden anstelle der bisherigen 60 Euro Bußgeld von Gerichten wesentlich höher bestraft, ziehen drei Punkte in Flensburg und drei Monate Fahrverbot nach sich und können bei Personenschäden bis zu zehn Jahre Haft bedeuten, bei Einstufung als Mord auch Lebenslang.
Das sogenannte Gaffen bei Unfällen kann bereits seit Anfang des Jahres in schweren Fällen, etwa bei Behinderung der Rettungskräfte, unterlassener Hilfeleistung oder dem Filmen bzw. Fotografieren getöteter Personen, mit bis zu zwei Jahren Haft bestraft werden.
Im internationalen Vergleich sind die Bußgelder für zu schnelles Fahren in Deutschland immer noch moderat, wie einige Beispiele zeigen. Für 20 km/h über dem Limit, was bei uns 70 Euro kostet, kann man in Großbritannien bereits hohe dreistellige Summen bezahlen. Eine Überschreitung von 50 km/h, die in internationalen Vergleichen meist aufgelistet wird, die bei uns 800 Euro kostet, ist in Frankreich nicht unter 1.500 Euro zu haben. In Großbritannien sind dafür schon Bußgelder in der Größenordnung 3.000 Euro erhoben worden. In den Niederlanden und der Schweiz werden Strafen für schwere Geschwindigkeitsverstöße auch als einkommensabhängige Tagessätze berechnet. ar
Aktualisierung am 8.10.2021:
Die Verordnung hat heute eine Mehrheit im Bundesrat gefunden und muss jetzt nur noch vom Bundesverkehrsminister unterzeichnet werden. Drei Wochen nach der amtlichen Verkündung tritt sie dann in Kraft. Somit wurde zwar der im Frühjahr geplante Termin für das Inkrafttreten noch vor den Wahlen nicht eingehalten, doch wird laut ZDF für November damit gerechnet.
Aktualisierung am 8.11.2021:
Der Katalog tritt morgen in Kraft.