Der Amsterdamer Gerichtshof hat in einem Berufungsverfahren die von der Gewerkschaft beantragten Sanktionen gegen Uber abgelehnt. Der Fahrdienstanbieter muss sich vorerst nicht an den Taxi-Tarifvertrag halten.
In den Niederlanden gab es in den letzten Wochen und Monaten eine Reihe von Uber-Rechtsstreits, die noch nichts mit den spektakulären Uber-Files zu tun hatten. So urteilte ein Amsterdamer Gericht am 13. September 2021, dass Uber seine Fahrer als Arbeitnehmer einstufen muss und sie gemäß dem nationalen Taxi-Tarifvertrag bezahlen muss, inklusive Sozialabgaben. Daraufhin legte Uber Berufung beim Amsterdamer Gerichtshof ein, weil „es für Uber zu schwierig sei, in kurzer Zeit das Zahlungsmodell komplett umzustellen.”
Da Uber offensichtlich alle rechtlichen Mittel benutzt, um das endgültige Urteil über möglichst viele Monate hinauszuzögern – es wird nun voraussichtlich nicht im August 2022, sondern erst Frühjahr 2023 fallen –, kündigte die Gewerkschaft FNV vor kurzem ein neues Gerichtsverfahren an, um Uber zu fairem Verhalten zu zwingen: Für jeden Tag, an dem Uber seine Fahrer nicht korrekt als Arbeitnehmer einstuft und gemäß Taxi-Tarifvertrag bezahlt, fordert die Gewerkschaft 100.000 Euro. Man sehe keine andere Möglichkeit, das Berufungsurteil zu beschleunigen. Am 18. Juli hat das Amsterdamer Berufungsgericht entschieden, kein Zwangsgeld gegen Uber zu verhängen.
Über dieses Urteil zeigte sich die Gewerkschaft äußerst enttauscht, doch schon am nächsten Tag folgte eine Enttäuschung für Uber in Form eines neuen Gerichtsurteils, diesmal aus Den Haag. Darin wurde bestätigt, dass der national gültige Taxi-Tarifvertrag, der bei einem Tarif-Abkommen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber automatisch für alle Taxibetriebe im ganzen Land gilt, auch für Uber bindend ist. Uber ist der Meinung, dass dieser mehrheitliche Tarif ohne Uber-Fahrzeuge nicht rechtens ist. Das Haager Gericht sah das anders.
Das war ein Rückschlag für Uber, doch legte der Richter einschränkend fest, dass Uber seine Fahrer nicht umgehend nach Taxi-Tarifvertrag zahlen müsse. Erst nach der Berufung, wenn das ursprüngliche Urteil (Uber-Fahrer sind Arbeitnehmer) bestätigt würde, würde die Entscheidung wirksam.
FNV muss nun die Entscheidung im Berufungsverfahren abwarten. Amrit Segwobind, Geschäftsführer der FNV-Plattform: „Das ist mehr als schade. Dadurch muss Uber, dem alle Regeln egal sind, noch keine Änderungen vornehmen. Aber das wird aufhören. Das Geschäftsmodell von Uber führt zur Ausbeutung der Fahrer und zur Erosion des Taximarktes. Unser Rechtssystem wird das früher oder später unterbinden.“
Das Gericht stellte fest, dass die Interessen von Uber und den Fahrern höher zu bewerten seien als die der Gewerkschaft FNV. Das Unternehmen und die Fahrer sagen, dass sie drastische und teure Änderungen vornehmen müssten, um den Tarifvertrag anzuwenden. Gleichzeitig ist noch ungewiss, ob das frühere Urteil im Berufungsverfahren Bestand hat, wonach Uber erneut hohe Kosten aufwenden müsste, um diese Änderungen rückgängig zu machen. Uber argumentiert, dass viele Fahrer überhaupt nicht bei dem Unternehmen angestellt werden wollen – ein bekanntes Argument in etlichen Ländern, in denen Uber in ähnliche Klagen verwickelt ist, oft von der Plattform selbst orchestriert. „Wir werden weiter für das Recht der Fahrer auf Unabhängigkeit kämpfen“, sagte Maurits Schönfeld, General Manager für Nordeuropa, in einer schriftlichen Antwort an die Tageszeitung De Telegraaf.
Die niederländische Regierung, die sich in den letzten Jahren wenig um die Probleme der Scheinselbständigkeit gekümmert hat, hat sich derweil in eine andere Entwicklung eingeschaltet und angekündigt, in zwei Jahren der Plattformarbeit und damit verbundenen, weit verbreiteten Scheinselbständigkeit deutliche Grenzen zu setzen. Die Inspiration dafür dürfte von den im Dezember 2021 präsentierten EU-Konzept-Richtlinien für Plattformarbeit kommen, nach denen Plattformarbeiter prinzipiell als Arbeitnehmer gelten, so lange die Plattform nicht beweisen kann, dass dies nicht der Fall list. wf
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