Wenn die (umwelt-)politischen Ziele der neu geschaffenen On-Demand-Dienste wirklich erreicht werden sollen, muss dafür das Taxi- und Mietwagengewerbe integriert werden. Was dazu rechtlich notwendig (und in einem Punkt rechtlich sogar alternativlos ist), war Thema einer Diskussionsrunde im Rahmen des Deutschen Taxi- und Mietwagentags.
Die Diskussionsrunde „On-Demand als Zukunftschance für das Taxigewerbe“ war beim Deutschen Taxi- und Mietwagentag Ende Oktober in Ludwigshafen ein Zugpferd unter den vielen Vorträgen, die dort teilweise auch parallel verfolgt werden konnten.
Der für diese Diskussion gebuchte Raum platzte fast aus allen Nähten, als Samir el Zahab von der Nahverkehrsberatung Südwest Idee und Programm für das ÖPNV-Taxi vorstellte, Dr. Hubertus Baumeister spannende Fakten über den Rechtsrahmen für solche Projekte darlegte und Benjamin Schmidt von CarlE seine Erfahrungen bei der Umsetzung darlegte.
On-Demand im ursprünglichen Sinn beschreibt eine Verkehrsform, bei der Kunden ihren Fahrtwünschen entsprechend befördert werden können, ohne dass sie eine vorgegebene Linie oder Fahrpläne nutzen müssen. Ohne ihren Wunsch findet also kein Verkehr statt und der Betrieb leerer Geisterbusse wird vermieden. Lassen sich in dieser Abwicklung dann Fahrtwünsche kombinieren, werden auch Sammelfahrten organisiert (Ridepooling). On-Demand lebt also genau an der Schnittstelle zwischen Linien- und Gelegenheitsverkehr und lässt sich daher im vorgegebenen Gesetzesrahmen des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) oftmals etwas schwer fassen. Die gesellschaftlichen und klimapolitischen Vorteile im Rahmen der Verkehrswende sind aber gleichzeitig offensichtlich, vor allem wenn dafür regional vorhandene Strukturen genutzt werden.
Den wirklichen Wendepunkt zugunsten der Gesellschaft, des Klimas und der Branche beinhaltet dabei die rechtliche Konstruktion ÖPNV-Taxi, wie sie beispielsweise in Freudenstadt mit Hilfe der Nahverkehrsberatung SüdWest schon sehr erfolgreich umgesetzt wird. Da hier alle regionalen Taxler als Leistungserbringer mit eingebunden sind oder zumindest sein können, kann der Verkehr über eine so genannte allgemeine Vorschrift gemäß Art. 3 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1370/2007 gewährt werden. Es entfällt damit die Notwendigkeit der Ausschreibung und somit gleichzeitig auch die Notwendigkeit des Nachweises der großen Busfachkunde zur Übernahme einer Genehmigung nach Paragraph 44 PBefG.
Ganz wichtig ist in diesem Zusammenhang auch: Die Tariftreue gemäß den Vergabe- und Tariftreuegesetzen der Länder gilt in diesem Model nicht – somit besteht weiterhin die Option, „nur“ Mindestlohn zu bezahlen. Es fallen damit also die besonderen Risiken weg, die manche Ausschreibungen bezüglich bestimmter Tariftreueregelungen beinhalten, denen das mindestlohnabhängig tarifgebundene Taxigewerbe derzeit vielfach nicht gerecht werden kann.
Auch in Bezug auf die von den Verkehrsträgern zu zahlenden Ausgleichsleistungen ist das Taxi rechtlich gesehen ein einfacher Partner: Wird für die Erbringung einer Verkehrsleistung ein Ausgleich über eine allgemeine Vorschrift gemäß der Verordnung gewährt, ist dieselbe gemäß PBefG als eigenwirtschaftlich qualifiziert. So können auch ohne Ausschreibung Ausgleichsleistungen an die Betreiber mittels öffentlich festgesetzten Höchsttarifen wie eben den Taxitarifen geleistet werden. Begründet wird dies mit der Eigenwirtschaftlichkeit des Taxis. So können die Kommunen beim ÖPNV-Taxi die Differenz zwischen dem vom Kunden zu entrichtenden ÖPNV-Tarif sowie ggf. einem Servicezuschlag und dem Taxitarif direkt an die Unternehmen ausgleichen und müssen lediglich einen minimalen Abschlag realisieren, der den durch die Fahrten optimierten Fixkostenausgleich reduzierend berücksichtigt. Dieser gemäß der allgemeinen Vorschrift notwendigerweise zu vereinbarende geringe Abschlag muss dann als Sondervereinbarung in der lokalen Taxitarifordnung fixiert werden.
Die Taxler werden so für ihre Leistung in der Summe gemäß Taxitarif minus X entlohnt, wobei X laut Aussage der Panel-Referenten maximal zehn Prozent betrage, im Durchschnitt etwa fünf Prozent. Im Modell des ÖPNV-Taxi der Nahverkehrsberatung SüdWest wird der Abschlag durch eine geringe Reduzierung der Grundgebühr realisiert, abhängig davon, wie hoch der Bereitschaftsanteil des jeweiligen Unternehmens als ÖPNV-Taxi ist. Das tariflich festgelegte Kilometerentgeld bleibt dabei in jedem Fall unangetastet.
Gleichzeitig bleibt die Teilnahme am Projekt stets freiwillig, da unternehmerseitig keine Auftragsübernahmegarantie geleistet werden muss. Wer jedoch aktiver ist, dessen Fahrleistungen werden dann auch besser honoriert. Zudem können für barrierefreie Fahrten und mit E-Antrieb Zuschläge gewährt werden. Alle den Taxiunternehmen entstehenden Kosten, die unmittelbar aufgrund der Anwendung des ÖPNV-Tarifs entstehen (z.B. Geräte im Fahrzeug), müssen rechtlich sogar vom Aufgabenträger erstattet werden.
Aus rechtlicher Sicht ist die Durchführung der On-Demand-Fahrten durch Taxibetriebe eindeutig und einfach definiert: Die lokalen Unternehmen nehmen mit ihren vorhandenen Taxikonzessionen im Gelegenheitsverkehr am ÖPNV teil, da sie diesen auch ohne zusätzliche Genehmigung gemäß Paragraf 8 Abs. 2 PBefG ergänzen und verdichten. Sie werden einfach über ihren allgemeinen gesetzlichen Auftrag in das ÖPNV-System mit eingebunden, ohne dafür explizit einen gesonderten Auftrag zu erhalten.
Auch wenn das ÖPNV-Taxi eher für ländliche Räume entwickelt wurde, kann es natürlich auch im städtischen Bereich eingesetzt werden und Stadtbuslinien ergänzen und/oder teilweise ersetzen. In solchen Fällen werden On-Demand-Verkehre als Zubringer eingesetzt. Samir el Zahab wies darauf hin, dass die cloudbasierte Software der Nahverkehrsberatung SüdWest grundsätzlich offen für die Etablierung von Schnittstellen zu den verschiedenen Vermittlungssystemen der Regionen sei.
Nahezu ein nicht zu umgehendes Argument pro Taxi bei der Integration von On-Demand-Verkehren brachte Dr. Baumeister von der Kanzlei BBG und Partner aus Bremen während seines Vortrags vor: Baumeister sieht für die ÖPNV-Aufgabenträger aus beihilferechtlichen Gründen eine grundsätzliche Verpflichtung, die möglichst kostengünstigste Form für On-Demand-Verkehre zu wählen. Hierbei kann dem Taxigewerbe der Vorzug gegeben werden oder es wird ein differenziertes Modell von Mischverkehren umgesetzt. Um hier zu wirtschaftlich optimalen und rechtskonformen Ergebnissen zu kommen, sind diese Fragen im Nahverkehrsplan oder zumindest in einem ausführlich begründeten Rats- bzw. Kreistagsbeschluss zu entscheiden. Hierbei ist auch der Fortbestand der Funktionsfähigkeit des eigenwirtschaftlichen Taxigewerbes zu berücksichtigen. Das wiederum lässt sich „aus einer Hand“ ermitteln, weil ÖPNV-Aufgabenträger in der Regel auch die zuständige Behörde für den Gelegenheitsverkehr sind.
Etabliert sich ein On-Demand-Verkehr zulasten des dortigen Taxigewerbes und bringt damit die im PBefG verankerte Verkehrsform des eigenwirtschaftlichen Taxiverkehrs zum Erliegen, hätte dies erhebliche Nachteile für potenzielle Fahrgäste des regulären Taxis zur Folge. Eine solche On-Demand-Verkehrsform mit Steuermitteln zu etablieren, hält Baumeister daher für rechtlich nicht zulässig.
Die Referenten El Zahab, Baumeister und Schmidt äußerten sich in der Schlussrunde sehr optimistisch, dass die Branche auch im Jahr 2030 nicht wegrationalisiert, sondern im Gegenteil ein wichtiges Element der Mobilitätswende sein wird, wie es auch die EU-Kommission in ihrer Mitteilung zum Gelegenheitsverkehr in 2022 ausdrücklich unterstrichen hat. rw
Beitragsfoto: Remmer Witte
So ganz kann ich dem Optimismus des Autos nicht folgen: der genehmigungsrechtliche Vorteil, direkt an dieser Verkehrsart teilzunehmen, beinhaltet doch den Nachteil, lediglich den verordneten Taxitarif (möglicherweise auch noch abzüglich Abschläge) zu erhalten. Dieser deckt doch leider in vielen Fällen nicht die Zeiten der Bereitstellung ab, da eben nur Geld fließt, wenn gefahren wird. Es bleibt unklar, wie auf diese Weise Stunden Umsätze deutlich über 30 € erreicht werden können. Nur dann allerdings kann ein dauerhafter Lohn von 15 € und darüber bezahlt werden. Dieses Lohnniveau ist aber erforderlich, um überhaupt Personal zu halten. Hinzukommt, dass das Trinkgeld bei ÖPNVfahrten sicherlich deutlich geringer ist. Der vermeintliche Vorteil, an kein Tariftreuegesetz gebunden zu sein, wendet sich meiner Ansicht nach in einen Nachteil.
Das Taxi hat gewisse Kosten Vorteile gegenüber großen Linienbussen, aber dies darf nicht zulasten des Fahrpersonals gehen.