Wer für Plattformvermittler wie Uber und Lyft tätig ist, kann davon nicht leben – unter anderem deshalb, weil die Gig-Unternehmen immer wieder Wege finden, bestehende Regelungen zu umgehen. In New York City droht nun ein großer Fahrer-Streik.
Bereits Mitte Juli hatte die Stadt, die eigentlich für ihre Yellow Cabs berühmt ist, eine der größten Kundgebungen erlebt, als 2.000 Fahrer der Uber- und Lyft-Apps sich vor dem Rathaus und anschließend vor dem Uber-Hauptsitz versammelten. Sie protestierten gegen die willkürlichen Sperrungen, mit denen sie seitens der Gig-Unternehmen täglich für mehrere Stunden konfrontiert werden (Taxi Times berichtete). In New York sind die Plattformen gesetzlich verpflichtet, den Fahrern für die Zeit Ihrer Tätigkeit Mindestlohn zu bezahlen. Da zu dieser Zeit auch die Bereithaltung zählt (in der man keine Fahrten durchführt, aber für Fahreranfragen vermittelbar ist), umgehen Uber und Lyft diese sozialen und unternehmerischen Verpflichtungen, indem sie die angemeldeten Fahrer von den Apps sperren. Gleichzeitig manipulieren sie damit ihre Auslastungsrate.
Mit der Demo Mitte Juli ist diese Geschichte aber noch nicht beendet. Nach der großen Kundgebung kam es zu einem Kompromiss. Da die Fahrer diesen als halbherzig und zu unternehmensfreundlich ansehen, sind sie jetzt bereit zum Streik.
Zunächst einmal wird dieser „Deal“, an dem sich die Stadt und die Aufsichtsbehörde TLC merkwürdigerweise beteiligen, die unmittelbare Krise, mit der die Fahrer konfrontiert sind, nicht lösen. Gemäß ihren Bedingungen werden die Fahrersperren mindestens bis zum Herbst andauern. Es gibt keine Entschädigung für Einkommen, das die Fahrer bereits verloren haben, und keine Garantie, dass die Sperren nicht irgendwann sogar noch in diesem Jahr in vollem Umfang wieder aufgenommen werden.
Darüber hinaus gibt dieser „Deal“ Uber und Lyft freie Hand, die Auslastungsrate für mindestens ein ganzes Quartal dieses Jahres zu manipulieren. Im Januar 2025 wird die TLC berechnen, wie hoch die durchschnittliche Auslastungsrate im Jahr 2024 war, um die Lohnformel für 2025 festzulegen, und sie werden sich dabei auf fehlerhafte Daten stützen. Entsprechend groß ist die Empörung bei der Fahrergewerkschaft: „Diese Sperren haben den Anschein erweckt, dass die Fahrer in diesem Jahr mehr zu tun haben, als sie tatsächlich tätig sind, so dass Uber und Lyft auch im nächsten Jahr damit durchkommen können, den Fahrern weniger zu zahlen. Dieser Deal ist ein doppelter Verrat”, so Direktorin Bhairavi Desai der Gewerkschaft New York Taxi Workers Alliance (NYTWA).
„Das wahre Ziel dieses Scheindeals ist es, die Tausende von Fahrern zu demobilisieren, die deutlich gemacht haben, dass sie streikbereit sind. Leider scheint die Stadt mehr an einem Fototermin und einem leichten Pressesieg interessiert zu sein als daran, tatsächlich für die Fahrer zu kämpfen. Indem das Rathaus diesem Deal seinen Namen leiht, kehrt es den Fahrern den Rücken und lässt zu, dass diese Unternehmen sie übergehen. New York City ist der einzige Markt, den Uber und Lyft nicht verlassen können, und dennoch werden die Fahrer hier unter dem Mindestlohn bezahlt – das ist eine absolute Schande.”
Die NYTWA zeigt sich auch jetzt militant: „Die Fahrer brauchen keine Fototermine und sie haben keine Angst davor, es mit Uber, Lyft oder dem Rathaus aufzunehmen. Wir lehnen dieses Zugeständnis der Konzerne ab und werden weiter mobilisieren, bis die Sperren für alle enden, alle Schlupflöcher geschlossen sind und jeder Fahrer für jede geleistete Arbeitsstunde einen Lohn erhält, der seine Arbeit und seine Ausgaben würdigt. Und wenn das bedeutet, dass wir streiken müssen, sind wir dazu bereit.“
Um die Wut der New Yorker Plattformfahrer zu verstehen, muss man einen Blick auf das Geschäftsmodell der App-basierten Fahrtenvermittler und auf die Historie der aktuellen Gesetzgebung werfen: Anders als Taxis dürfen sich die Fahrer von Plattformen nicht an Halteplätzen bereitstellen und dort auf Kunden warten. Sie dürfen auch nicht am Straßenrand herbeigewinkt werden. Somit erhalten Sie also nur dann Fahrgäste und verdienen Geld, wenn sie über die Apps der Plattformen gebucht werden. Sie sind also von Uber & Co. abhängig. Gleichzeitig sind diese Fahrer aber keine Angestellten der Gig-Konzerne, sondern eigenständige Unternehmer.
Seit geraumer Zeit versucht die Politik weltweit, gegen diese soziale Ausbeutung vorzugehen, wogegen sich Uber & Co. entweder politisch erfolgreich wehren (Stichwort Prop-22-Gesetz in Kalifornien) oder eben andere Wege finden, um solche Bestimmungen zu umgehen. So geschehen in New York, wo die Taxi- und Mietwagenbehörde Taxi and Limousine Commission (TLC) eine Gehaltsformel definiert hatte, die Uber und Lyft bei der Berechnung des Fahrerverdienstes für jede Fahrt verwenden müssen. Dazu zählte auch ein Passus, der sich auf die „Leerzeit“ der Fahrer bezieht – also die Zeit, die sie im Dienst verbringen und auf einen Einsatz warten, ohne dass ein Fahrgast in ihrem Fahrzeug sitzt. Die städtischen Vorschriften schreiben vor, dass Fahrer für diese Zeit entschädigt werden müssen. New York City ist die einzige Stadt der USA, wo die Fahrer auch die Leerzeit bezahlt bekommen.
Dagegen hatten Uber & Co. politisch rebelliert und mit Rückzug gedroht – was aufgrund der Marktmacht dieser Plattformen immer ein probates Druckmittel ist. Also kam es im März 2023 zu einer Änderung, wodurch die Entlohnung der Bereitstellungszeiten effektiv um rund 5.000 Dollar pro Jahr gesenkt wurde. Damals sagte Uber aus, dass sie mit der Änderung zufrieden seien und dass sie sie davon abhalten würden, zu drastischeren Maßnahmen – wie Fahrersperren – zu greifen, um ihr Betriebsergebnis zu schützen.
Aber Uber und Lyft, die sich gerne von den Räuberbaronen in der frühkapitalistischen Zeit inspirieren lassen, kann man erfahrungsgemäß nie vertrauen.
Im Juni 2024 begann Uber trotz Absprache damit, Fahrer mitten in der Schicht in ihren Apps zu sperren, um den Anschein zu erwecken, dass die Fahrer weniger Leerzeit haben, als sie tatsächlich haben. Sie tun dies, um die Gehaltsformel zu manipulieren und zu vermeiden, Fahrer für die volle Zeit zu bezahlen, die sie im Dienst verbringen. Während sie in der App gesperrt sind, können Fahrer keine neuen Fahrgäste aufnehmen.
Dauer und Zeitpunkt der Sperrungen sind unvorhersehbar. Einige haben bis zu acht Stunden gedauert. Fahrer erleiden jetzt Einkommenseinbußen und müssen mit niedrigeren Löhnen rechnen, wenn Uber und Lyft weiterhin die Lohnformel manipulieren.
Ob es letztendlich zu einem Streik kommen wird, ist derzeit fraglich. Letzte Woche hat der Bürgermeister von New York City, Eric Adams, mit Uber und Lyft eine Vereinbarung ausgehandelt, nach der Uber sofort und Lyft etwas später das willkürliche Sperren von Fahrern unterlässt. Auch haben beide Fahrdienste versprochen, die Anzahl von neuen Fahrern für einige Monate zu drosseln. Zum Bedauern des Taxigewerbes erklärte das Independent Drivers Guild, die kleinere der beiden Gewerkschaften, sich direkt einverstanden mit den Vorschlägen der Fahrdienste, während die größte Gewerkschaft, die New York Taxi Drivers Alliance (NYTWA), den Plänen von Uber und Lyft misstraut. Obwohl es so scheint, dass das willkürliche Sperren von Fahrern heruntergefahren wird, ist eine wirkliche Lösung noch nicht erreicht. Die NYTWA hält ihre Streikdrohung deshalb zunächst noch aufrecht.
Fazit: Solange Politik und Gesellschaft – damit sind auch die Kunden der Plattformen gemeint, die gerne den billigsten Anbieter nutzen und damit das soziale Prekariat (un)bewusst unterstützen – dem Treiben der Gig-Economy keine klaren Grenzen setzen, werden damit gesellschaftliche Unruhen und politischer Verdruss geschürt. Das sollten sich weltweit alle Politiker und alle App-Nutzer von Uber, Bolt & Co. bewusst machen. wf / jh
Lesen Sie dazu auch: Wie es Uber & Co. in Kalifornien gelungen ist, politisch über eine „Prop 22“ eine Bezahlung der Bereitstellungszeiten zu umgehen.
Beitragsfoto: NYTWA
Ich hoffe diesen Artike lesen auch die Verantwortliche in Deutschland und kommen zu einem Ergebnis nicht die Macht an Uber zu übergeben um später von denen unterdrückt zu werden.
Mit freundlichen Grüßen aus Düsseldorf
Was erwarten die Fahrer?
Hört auf für die privaten zu fahren und geht zurück zum Taxi