Erwartungsgemäß sehr unterschiedlich fielen die Reaktionen auf das Taxirabatt-Urteil des Bundesgerichtshofs BGH vergangenen Donnerstag aus. Dem Richter muss man vorwerfen, in einem Punkt die Theorie mit der Realität verwechselt zu haben.
Optimisten der Taxibranche waren überrascht, Pessimisten hatten es befürchtet. Der BGH hat als letzte Instanz die 50-Prozent Rabattaktionen von mytaxi nun doch für legal erklärt und damit die Urteile zweier Vor-Instanzen einkassiert.
Das Urteil wurde wenige Stunden vor Beginn des langen Osterwochenendes verkündet, trotzdem fand es sehr hohe mediale Aufmerksamkeit. Entsprechend gut vorbereitet zeigte sich mytaxi, die nur wenige Minuten nach der Urteilsverkündung in einer Pressemeldung ihre Sicht der Dinge darlegten („Mit dem Urteil werde die Flexibilität, Wettbewerbsfähigkeit und Zukunftsfähigkeit von Taxis im umkämpften Mobilitätsmarkt gestärkt“). Aber auch taxi.eu gab wenig später ein Statement ab, ebenso wie Taxi Deutschland, Betreiber der gleichnamigen Taxi-App. Die schnelle Reaktion führte dazu, dass die Deutsche Presse-Agentur in ihrer Meldung neben dem mytaxi-Statement (Alexander Mönch) sowohl die Aussagen von taxi.eu-Geschäftsführer BZP-Vizepräsident Hermann Waldner („der Bundesgerichtshof hat mit seinem heutigen Urteil die Großen gestärkt und die Kleinen geschwächt“) als auch von Marten Clüver, dem Pressesprecher von Taxi Deutschland, zitiert wurden. Zahlreiche große Medien hatten die Meldung übernommen, unter anderem auch „die welt“. Dadurch gelang es den Taxizentralen, in den Medien auf die eigenen Taxi-Apps taxi.eu und Taxi Deutschland aufmerksam zu machen.
Ebenso schaffte es die Taxibranche, auf die Auswirkungen hinzuweisen, die man im nun gefällten Urteil sieht. BZP-Präsident Michael Müller sieht den fairen Wettbewerb in der Taxibranche gefährdet. Das Gewerbe werde von kleinen Unternehmen getragen, die Rabattschlachten großer Konzerne nicht mitgehen können. „Dumpingpreise können die Taxilandschaft in Deutschland brachial verändern“, warnt Müller. „Wir befürchten nun, dass viele kleine Taxi-Unternehmen und die von diesen in Selbstorganschaft betriebenen Vermittlungszentralen in den Ruin getrieben werden. Am Ende bleiben nur die großen Konzerne übrig, die jetzt schon mit subventionierten Angeboten in den Markt eingreifen und ihn verzerren. Wenn die kleinen Anbieter aussteigen müssen, bleiben nur noch die Großen. Sie können dann die Preise diktieren und neue Anbieter notfalls auch mit weiteren millionenschweren Rabattschlachten aus dem Markt drängen. Das Gericht hat heute die Chance vertan, einen fairen Wettbewerb in der Taxibranche zu gewährleisten.“
Kritik am Urteil äußerte auch Dieter Schlenker, Vorstandsvorsitzender der Taxi Deutschland eG. „Die knappe Begründung in der Presseerklärung des Gerichts lässt erkennen, dass die Richter den Kern der Auseinandersetzung nicht vollständig gewürdigt haben. Die von mytaxi gewährten hohen Fahrpreisrabatte müssen am Ende von den Taxiunternehmen über die an mytaxi zu zahlenden Vermittlungsgebühren getragen werden. Wenn die örtlichen Taxigenossenschaften erst einmal vom Markt verdrängt sind, hat mytaxi freie Bahn, die Vermittlungsgebühren willkürlich festzusetzen. Bereits in der Vergangenheit hat mytaxi versucht, Vermittlungsprovisionen von bis zu 30 Prozent des Fahrpreises einzuführen.“
Der in diesen Statements angesprochene Verdrängungswettbewerb wurde vom BGH als nicht gegeben eingestuft, weil „die Aktionen der Beklagten sowohl räumlich auf mehrere deutsche Großstädte als auch zeitlich beschränkt waren“. Diese Interpretation stieß innerhalb der Taxibranche auf großes Unverständnis, konnte man doch während des letzten Jahres sehr genau beobachten, dass mytaxi ähnliche Rabatt-Aktionen (die allerdings nicht zur juristischen Bewertung standen) nahezu in der Dauerschleife angeboten hatten. Mal waren die Sommerferien Anlass für eine Vergünstigung, dann das billige Taxi zur Wahlurne, wenig später wegen Halloween, Advent, besondere Feiertage etc.
Selbst der Kinostart eines Stephen King-Gruselfilms musste herhalten, um den Kampf um Marktanteile zu rechtfertigen. „Fürchtet euch nicht nach dem Kinobesuch, fahrt lieber vergünstigt mit dem Taxi nach Hause.“ Bei dieser Häufigkeit in ähnlich gelagerten Rabattaktionen dürfe man wohl kaum noch von einer zeitlichen Beschränkung sprechen, sind viele Juristen skeptisch. jh
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Das Taxigewerbe in Deutschland hätte es ja theoretisch in der Hand, keine Aufträge von MyTaxi anzunehmen. Praktisch gibt es leider zu viele superschlaue Taxifahrer, die nur die Euro-Zeichen in den Augen haben und nicht langfristig denken. Je mehr Marktanteile dieser Rosinenpicker MyTaxi hat, desto mehr wird das Taxigewerbe abhängig davon. Ich finde es schäbig, dass viele Taxifahrer den mit wenig Geld ausgestatteten Taxizentralen mit den vielen Arbeitsplätzen und den für wirklichen jeden Kunden erreichbaren Service so in den Allerwertesten tritt. Keine Zentrale in Deutschland verfügte bisher über Millionen von Euro, um so massiv den Markt anzugreifen und solche extremen Rabatte zu geben.
Und wiedereinmal haben sich die Pro-Kapitalismus-Lobbyisten auf Staatsebene erfolgreich durchgesetzt…