Jeder im Taxigewerbe kennt sie: Fahrgäste, die sich benehmen, wie es ihnen gerade passt, und hinterher werden der Polizei die abenteuerlichsten Geschichten erzählt – und zur Not auch dem Gericht, wie jetzt in München.
Wie oft steht wegen fehlender Video-Überwachung nach einem Streit zwischen Fahrer und Fahrgästen Aussage gegen Aussage – wobei der Einfallsreichtum manches Beteiligten geradezu preisverdächtig erscheint, vor allem, wenn sein Verhalten nüchtern betrachtet (also für ihn selbst oft erst am nächsten Tag) völlig irrational erscheint.
Nicht hinreichend aufzuklären war ein Fall, der jetzt vor dem Münchner Amtsgericht mit einem Freispruch für den angeklagten Fahrgast endete. Laut „Süddeutscher Zeitung“ ging die Staatsanwaltschaft davon aus, dass der 41-jährige Fahrgast einen Taxifahrer verletzt hatte. Der aus Schwaben stammende Tatverdächtige sei an dem Abend mit Freunden zu Besuch in München gewesen und habe bis gegen vier Uhr nachts in einer Bar am Maximiliansplatz „feucht-fröhlich“ gefeiert. Dann sei er in Richtung Hotel aufgebrochen.
Kurz, nachdem er in ein Taxi gestiegen war, begann ein Streit mit dem Taxifahrer. Auslöser war offenbar eine typische Situation: Fahrgast will aus irgendeinem Grund aussteigen, Fahrt ist noch nicht bezahlt, Fahrer muss Zechprellerei befürchten und blitzschnell die Lage einschätzen. Dass manche Fahrgäste nur aus dem Taxi steigen, um besser an ihr Geld in der Hosentasche zu kommen, oder um Bekannte auf der anderen Straßenseite zur Mitfahrt zu rufen, ohne dem Taxifahrer ein Pfand zu hinterlassen oder glaubhaft klarzumachen, dass die Fahrt weitergeht, ist immer wieder ein Auslöser für Konflikte.
Als der Fahrer am Stachus auf Anweisung des Fahrgastes hielt, stieg dieser aus. Dass der Fahrer ebenfalls aussteigen wollte, da er wohl damit rechnen musste, eine Flucht verhindern zu müssen, könnte der Fahrgast als Angriff missverstanden haben. Laut Fahrer schlug der Fahrgast die Fahrertür gegen den Körper des Fahrers. Die Ermittlungsbehörde erließ daraufhin einen Strafbefehl wegen gefährlicher Körperverletzung.
Der Fahrgast legte Einspruch ein, da die Situation sich nach seinen Aussagen anders abgespielt hatte: Zwei Freunde seien zu Fuß in Richtung Hotel losgegangen, während er vor der Bar noch mit einem weiteren Freund geplaudert hätte. Dann seien beide ins Taxi gestiegen und wollten sich in die Senefelderstraße an der Südseite des Hauptbahnhofs bringen lassen, eine sehr kurze Tour. Unterwegs hätten sie dann die anderen gesehen und auf Höhe des Karlsplatzes den Fahrer gebeten, anzuhalten, um die beiden auch mitzunehmen, was der Taxler jedoch „aufgrund der Corona-Regeln“ abgelehnt hätte.
Daraufhin sei ein heftiger Streit über die kurze Taxifahrt entbrannt. Der Angeklagte sei ausgestiegen. „Der Taxifahrer dachte, wir prellen ihn um den Fahrpreis“, sagte er vor Gericht. Der Taxler sei aggressiv gewesen – und äußerlich angeblich eine beängstigende Erscheinung von gut 150 Kilogramm, wie der Verteidiger behauptete. „Aus Angst vor Schlägen und zum Eigenschutz“ hätte sein Mandant deshalb die sich öffnende Tür „zugedrückt“. Der Angeklagte fügte an: „Aber nicht zugeschlagen.“ Kurz darauf sei er ein Stück zurückgewichen, angeblich, um zu deeskalieren. Da der Fahrer inzwischen um Hilfe rief, eilten Passanten herbei und hielten den Fahrgast fest. Ein Mann nahm ihn in den Schwitzkasten. Bei dem Gerangel habe er eine Schienbeinprellung erlitten. „Der Einzige, der am Ende verletzt war, war ich“, zitiert die „Süddeutsche“ ihn.
Die Aussagen aller Beteiligten und Zeugen widersprachen sich am Ende in zahlreichen Punkten, nicht nur betreffs Tatablauf, etwa wie weit die Fahrertür aufgestanden hatte, als der Fahrgast sie dem Fahrer entgegenschlug oder –drückte, sondern sogar bei Anzahl und Geschlecht der beteiligten Personen. So ergab sich ein „diffuses“ Gesamtbild. Eine Entscheidungsfindung fand die Richterin deshalb „schwierig“, und es blieb ihr nichts anderes übrig, als das Verfahren gegen den renitenten Fahrgast wegen gefährlicher Körperverletzung auf Kosten der Staatskasse einzustellen. Er muss deshalb nur für seine Ausgaben wie etwa Anwaltskosten selbst aufkommen. ar
Beitragsfoto: Axel Rühle