Weil die Begründung für eine Ablehnung eines Antrags auf 10 Karlsruher Taxikonzessionen weder vollständig noch zutreffend ermittelt wurde, muss die Stadt Karlsruhe einem Unternehmer 10 Taxikonzessionen genehmigen.
Das auf Basis einer mündlichen Verhandlung vom 20.4.2017 getroffene und am 19.6.2017 unter dem Aktenzeichen 3K 2922/16 veröffentlichte Urteil des Verwaltungsgerichts ist noch nicht rechtskräftig, im Falle eines Einspruchs wäre der Gang vor den Mannheimer Verwaltungsgerichtshof die nächste Instanz.
Björn Weiße, Leiter des zuständigen Ordnungs- und Bürgeramts, gab gegenüber den „Badischen Neueste Nachrichten (BNN)“ zu bedenken, dass es nicht nur um die Erteilung von zehn zusätzlichen Konzessionen gehe. Man müsse nun auch die Anträge jener 24 Lizenzen genehmigen, die vor dem Kläger auf der Warteliste stünden. „Wie das Gericht dazu kommt, dass dies keine Folgen hat, erschließt sich nicht,“ wird Weiße in den BNN zitiert.
Vorausgegangen war dem juristischen Streit ein Ablehnungsbescheid für ein Mietwagenunternehmen, das Ende 2014 10 Taxikonzessionen für Karlsruhe beantragt hatte. Die zuständige Genehmigungsbehörde hatte den Antrag sieben Monate später abgelehnt. Man beruft sich dabei unter anderem auf den Paragraph 13, Absatz 4 des Personenbeförderungsgesetzes und auf ein im Jahr 2015 erstelltes Kurzgutachten „Beurteilung des Taxigewerbes und Prognose“. Dort kommt die Stadt zu dem Schluss, dass aufgrund diverser Faktoren eine Gefährdung der Funktionsfähigkeit nicht auszuschließen sei. Man habe daher die Zahl der Genehmigungen auf 220 Taxis begrenzt; In Karlsruhe gibt es seit 1980 konstant 213 Taxis. Da im Falle einer Genehmigungserteilung erst noch andere Bewerber von einer Warteliste berücksichtigt werden müssten, müsse man den Antrag des Mietwagenunternehmers ablehnen.
Für das Verwaltungsgericht sieht die Bewertung dagegen ganz anders aus: Der maßgebliche Sachverhalt wurde vom zuständigen Ordnungsamt weder vollständig und zutreffend ermittelt. Somit ist die Festlegung der höchstens zuzulassenden 220 Taxis rechtswidrig.
In einer bemerkenswert ausführlichen Urteilsbegründung zerpflückte die vorsitzende Richterin etliche Schlussfolgerungen der Behörde. Diese hatte beispielsweise die Anzahl der Beförderungsaufträge als ruckläufig bezeichnet (von 450.000 auf 400.000). Im Urteil werden jedoch seitenweise Rechen- und Bezugsfehler nachgewiesen mit der richterlichen Erkenntnis, dass die Anzahl der Fahrten sogar zugenommen habe.
Wenn eine Genehmigungsbehörde die Funktionsfähigkeit des Taxigewerbes nach § 13,4 PBefG überprüft, muss sie dabei auch die Entwicklung der Ertrags- und Kostenlage unter Einbeziehung der Einsatzzeit berücksichtigen. Die Stadt kommt laut Befragung der Bestandsunternehmer (104 von 128) auf das Ergebnis, dass die erwirtschafteten Überschüsse nicht im Mindesten ausreichend seien. Das Gericht vertritt die Meinung, dass die für die Einschätzung zugrunde liegenden Daten nicht richtig ermittelt und nicht rechtsfehlerfrei bewertet wurden.
Als Basis dienten nämlich lediglich die Angaben der Bestandsunternehmer – diese seien aber „kritisch zu hinterfragen“, weil es im Interesse der Unternehmer liegt, von Konkurrenz verschont zu bleiben. Es haben auch nur 81 Prozent aller Karlsruher Taxiunternehmer überhaupt Angaben gemacht, das sei zu wenig. Kritisch zu hinterfragen seien auch die immensen Schwankungen bei den Umsätzen und den Kosten. Die angegeben Erträge pro Fahrzeug lagen zwischen 884 und 6.134 Euro, die Kosten zwischen 505 und 5.951 Euro. Das Ordnungsamt hatte dafür keine Erklärungen, geht sogar selbst davon aus, dass manche Unternehmen zum Teil eine „systematische Verletzung steuer- und sozialversicherungsrechtlicher Pflichten“ vollziehen. Wenn man dann trotzdem solche Daten heranzieht, ist das rechtsfehlerhaft, sagt das Gericht.
Beim dritten Kriterium für eine Bewertung der Funktionsfähigkeit, der Taxidichte, wirft die Richterin der Behörde vor, diese gar nicht in Betracht gezogen zu haben, was ebenfalls als rechtsfehlerhaft zu bewerten ist. Diese sei nämlich im Vergleich zu anderen Städten deutlich geringer. Auf 1.000 Einwohner in Karlsruhe entfallen 0,7 Taxis. Städte wie Mannheim, Heidelberg, Freiburg, Bonn oder Münster hätten höhere Dichten.
Deutliche Interpretationsdiskrepanzen traten auch bei der Bewertung der Geschäftsaufgaben auf. 17 Genehmigungsübertragungen pro Jahr, für die von den Erwerbern bis zu fünfstellige Summen ausgegeben wurden, seien aus Sicht der Verkäufer unter anderem wegen finanzieller Probleme und einer schwierigen Ertragslage zustande gekommen. Das sei laut Ordnungsamt ein weiteres Argument dafür, dass eine Zunahme an Konzessionen zur Bedrohung der Funktionsfähigkeit führen werde.
Aus Sicht des Gerichts ist das „beurteilungsfehlerhaft“. „Solange für den Markteintritt über Jahre hinweg noch erhebliche Summen gezahlt werden, besteht kein Anlass für eine Sorge um die Funktionsfähigkeit. Ein rational handelnder Markteilnehmer würde in einer Situation, in der keine Gewinne zu erwarten sind, nicht derart in eine Genehmigung investieren. Aufgrund der Vielzahl an Übertragungen kann nicht von einer irrationalen Motivlage (schlecht informiert, Unvernunft) ausgegangen werden.“
Fazit: Auf Basis all dieser Unzulänglichkeiten hat der Unternehmer Anspruch auf Erteilung der zehn Genehmigungen. Dem Gericht ist dabei durchaus bewusst, dass es in der praktischen Umsetzung damit sogar zu einer höheren Aufstockung kommen wird, weil ja aufgrund der Vormerkliste bis zu 34 Genehmigungen erteilt werden müssen. Aus Sicht des Gerichts bedeute aber selbst dies noch keine Störung der Funktionsfähigkeit, schließlich gebe die Beklagte keinerlei fundierte Hinweise, ab welcher Zahl die Funktionsfähigkeit bedroht sein könnte. jh
Hinweis in eigener Sache: Eine sehr ausführliche Besprechung dieses Urteils können Sie demnächst in der Juli-Ausgabe der Taxi Times DACH nachlesen.