Der Juso-Vorsitzende und stellvertretende Bundesvorsitzende der Sozialdemokraten, Kevin Kühnert, hat das Taxi-Zentrum Berlin besucht und mit Gewerbevertretern über die Sorgen der Taxibranche gesprochen. Er erklärte sich klar solidarisch und nahm den „Hilfeschrei“ des Bundesverbandes Taxi und Mietwagen mit auf den Weg.
Wenn der Normalbürger sich beklagt, Politiker seien abgehoben, alt und weit weg vom „kleinen Mann“, dann ist Kevin Kühnert die Antwort, die das komplett widerlegt: 30 Jahre jung, wie der sympathische Politikstudent von nebenan, auf Augenhöhe, zuhörend, konkret und verständlich antwortend, nicht um den heißen Brei redend, gleichzeitig in der Kommunalpolitik und im Bundesvorstand aktiv.
Dieser Kevin Kühnert war am Vormittag des 17. Dezember in bequemer Jeans und legerem Jackenpulli bei Taxi Berlin, wo er sich zunächst von Geschäftsführer Hermann Waldner und Marketing-Chef Jens Schmiljun die Zentrale zeigen und das operative Geschäft einer Funkvermittlung in Kurzform erläutern ließ. Da um die zehn Medienvertreter, zum Teil mit großen Fernsehkameras, das Event dokumentierten, war ein Bereich des Callcenters so von Menschen belagert, dass es beeindruckend war, wie unbeeindruckt professionell die Mitarbeiter ihre Tätigkeit weiter ausübten.
Nach einer kurzen Besichtigung des Taxi-Museums, das zur Funkgesellschaft Taxi Berlin gehört, und anschließender Plauderei bei Kaffee an Bistrotischen fand man sich im Besprechungssaal des Taxi-Museums zusammen, wo auf den 30 Zuschauerstühlen Gewerbevertreter und Unternehmer Platz genommen hatten, darunter der neue Geschäftsführer des Bundesverbandes Taxi und Mietwagen, Michael Oppermann, sowie mehrere Vorstände der vier Berliner Landesverbände und der zweiten Berliner Taxifunkgesellschaft WBT, die am 1. Februar mit Taxi Berlin zusammengeht, außerdem Dr. Lutz Kaden von der Berliner IHK und noch mehr Pressevertreter.
Vorne war eine bequeme Sitzgruppe aufgebaut. Organisiert worden war das Treffen von der „Innung“ des Berliner Taxigewerbes, deren Chef Leszek Nadolski mit seinem Vorstandskollegen Carsten Reichert sowie Kevin Kühnert und Hermann Waldner die Talkrunde bildete. Waldner ist zugleich Vizepräsident des Bundesverbandes Taxi und Mietwagen, Geschäftsführer von taxi.eu sowie Vorstand der bundesweiten Zentralengemeinschaft Taxi Deutschland. Den Kontakt zum SPD-Bundesvorstand hergestellt hatte Reichert, der nicht nur Taxiunternehmer und Gewerbevertreter ist, sondern gleichzeitig Regionalpolitiker der SPD. Er übernahm auch die Moderation der Talkrunde, die als interessant und abwechslungsreich gelobt wurde, da er den drei Rednern abwechselnd die Bälle zuspielte und Themen ansprach, die das Taxigewerbe bewegen, und somit jedem Gesprächspartner auch Pausen gönnte.
So hatte Nadolski Gelegenheit, vom langwierigen und teilweise enttäuschenden Bemühen seines Landesverbandes zu berichten, etwas bei der Berliner Landeskoalition aus SPD, Grünen und Linken zu erreichen, wobei man besonders bei der grün geführten Verkehrsverwaltung lange Zeit auf Granit gebissen und erst kürzlich Gesprächsbereitschaft in Aussicht gestellt bekommen habe.
Waldner berichtete von Aktivitäten seines Bundesverbandes, wo man auf Bundesebene quer durch das Parteienspektrum mit Politikern gesprochen habe, unter anderem mit Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, dessen Eckpunkte für die Novelle des Personenbeförderungsgesetzes das Taxigewerbe vor existentielle Probleme gestellt haben.
Die von Reichert und Schmiljun vorbereiteten Themen, für die Zuhörer aus dem Gewerbe überwiegend bereits vertraut, bildeten viele Anknüpfungspunkte für Kühnert, der kein Verkehrspolitiker ist, sondern sich hauptsächlich mit sozialen Themen wie Einkommensgefälle, Rentenpolitik und Altersarmut beschäftigt. So zeigte er sich gut über die Problematik der Pseudo-Taxi-Anbieter informiert und betonte die Bedeutung des Taxigewerbes als Teil der Daseinsvorsorge, die seiner Meinung nach noch viel zu sehr unterschätzt wird. Personenbeförderung dürfe kein Markt zum Geldverdienen sein. Auch halte er den geltenden Mindestlohn für viel zu niedrig und sähe ihn statt um ein paar Cent lieber um mehrere Euro pro Stunde erhöht, damit die vielen Aufstocker nicht ihren Zuschuss von 500 auf 300 Euro monatlich senken, sondern ganz auf eigenen Beinen stehen könnten. Auf Waldners Einwand, das würde weniger lukrativen Branchen wie dem Taxigewerbe wiederum erhebliche Probleme beim Bezahlen der Löhne bereiten, sprach Kühnert sich für eine Subventionierung des Taxigewerbes aus. Für solche Aussagen, die Musik in den Ohren der Taxiunternehmer waren, erhielt Kühnert mehrfach Beifall.
Die Stimmung hatte zeitweise einen Hauch von Glückseligkeit, einen so hochrangigen Politiker in dem schwierigen Kampf auf der eigenen Seite zu wissen, so dass Kühnert wenig Widerspruch erhielt, auch wenn nicht alle Äußerungen auf ungeteilte Zustimmung stießen. So beklagte ein Berliner Gewerbevertreter nach der Veranstaltung gegenüber Taxi Times, Kühnerts Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit fänden leider wenig Niederschlag in der realen Regierungspolitik, die kaum dazu beitrage, die Schere zwischen Arm und Reich zu schließen.
Für Schmunzeln sorgte der Moderator mit der direkten Frage an den „Hoffnungsträger der SPD“ Kühnert, warum Taxifahrer eigentlich die SPD und nicht beispielsweise Bündnis 90/Die Grünen wählen sollten, und was die beiden Programme beim Thema Mobilität unterscheide. Kühnert sagte, was die öffentliche Daseinsvorsorge betrifft, habe die SPD einen viel stärkeren Gemeinschaftsansatz als die Grünen. Das sähe man in vielen Bereichen, so seien die Grünen etwa mehr an Individualsport interessiert und die SPD mehr an Gemeinschaftssport, die SPD setze sich für gebührenfreie Bildung ein, und beim öffentlichen Verkehr verfolge die SPD einen für alle erschwinglichen Nahverkehr und denke „nicht zuallererst an das Lastenfahrrad, mit dem in der Begegnungszone der Lieferverkehr für den Einzelhandel organisiert wird“, womit er konkrete Themen aus seinem Alltag als Bezirkspolitiker aus Tempelhof-Schöneberg ansprach.
In einer Stadt mit über 3,6 Millionen Einwohnern sei es eminent, so Kühnert, dass die Bewohner im Alltag mobil sein und von A nach B kommen müssen – Arbeit, Arzt, Schwimmbad, Musikschule usw. Was das Zusammenleben ausmacht, müsse als erste Prämisse funktionieren. Daseinsvorsorge sei ein Versprechen des Staates an den Einzelnen, und dabei dürfe es nicht in erster Linie um Kostenfragen gehen. Er wolle den Grünen nicht unterstellen, in diesen Punkten gänzlich anderer Meinung zu sein, doch halte er die SPD bei solchen Themen für klarer positioniert. Er sehe auch, dass die Sozialdemokraten das, was sie propagieren, selbst leben, denn beispielsweise bei der letzten Sitzung habe er wenige seiner Genossen mit dem Dienstwagen anreisen sehen, da die meisten keinen hätten. Die meisten seien mit dem Taxi gekommen. Einen Uber-Mietwagen habe er am Willy-Brandt-Haus noch nie gesehen.
Abschließend fragte Gastgeber Hermann Waldner den Juso-Vorsitzenden, ob er noch Fragen hätte. Der sorgte für einen Lacher, indem er entgegnete, er habe einen Weihnachtswunsch. Er bat darum, die Warteschleifen-Musik der Telefonvermittlung endlich einmal zu ändern, das würde ihn „emotional sehr entlasten“. Wenn das dem Redner als Hauptproblem einfällt, darf das Taxigewerbe wohl daraus schließen, dass es insgesamt gute Arbeit leistet. Waldner als Gastgeber bedankte sich bei Kühnert dafür, dass er sich die Zeit für das Gespräch genommen hatte, und betonte noch einmal die „extreme, existenzbedrohende Situation“ im Taxigewerbe. Er bezeichnete seine Ausführungen als „dringenden Hilfeschrei“ und die Bitte an die Politik, ganz schnell etwas zu tun. ar
Es ist ja schön, dass jede Chance genutzt wird um weiter zu kämpfen. Aber was soll man davon halten wenn mit an vorderster Front, Unternehmer aus Berlin stehen, dessen Fahrer alle noch mit free now unterwegs sind. Für mich sind diese Unternehmer absolut nicht glaubwürdig, da sie das gesamte Taxi Gewerbe verraten.
Hallo werter Kollege, wie ich es schon dem Taximagazin gegenüber erwähnt habe, gibt es leider noch sehr viele Kollegen, die nur den kurzfristigen Erfolg eines extra Auftrages sehen und nicht das Free now das Taxigewerbe in die Tonne treten will.
Ihnen ist es gar nicht bewusst, das sie mit der Vermittlung über die Freenow App, welche ja hauptsächlich zur Vermittlung für die Mietwagen sein soll, ihrem Taxigewerbe in den Rücken fallen.
Man kann ja angeblich nichts ändern!
Hoffentlich wachen diese Kollegen mal bald auf. Aber bei vielen scheint es mit dem logischen Denken
Probleme zu geben.
Taxibus Berlin