Information ist keine Einbahnstraße: Wer gute Presseberichte lesen will, sollte der Presse auch zuarbeiten. Die öffentliche Meinung wird in den Medien gebildet und deswegen nutzt der beste Protest nichts, wenn die Argumente nicht transportiert werden. Im schlimmsten Fall kann das sonst auch nach hinten los gehen. Ein Kommentar.
Eine Gruppe von 100 Taxifahrerinnen und -fahrer schaffte es im Januar mit einer Art Mahnwache, die Bedenken eines Berufsstandes immerhin mit einem kurzen Absatz in die internationale Reuters-Meldung zu bringen. Einer der höchst bezahlten Manager des Globus hat sie vor laufenden Kameras öffentlich erwähnt – und somit standen sie kurzzeitig sogar stellvertretend für weltweite Proteste gegen den Riesen Uber. Die nationale Presse berichtete dann anschließend auch ausführlich – und gar nicht mal so unausgewogen. Zwei Monate später legten mehrere hundert – beinahe alle – Taxifahrer in einer anderen Stadt ihre Arbeit nieder, und die lokale Presse berichtete von frustrierten Fahrgästen und davon, dass man den Protest nicht verstehe.
Wie kommt der Unterschied in der öffentlichen Wahrnehmung zustande? In den Redaktionen und Schneideräumen sitzen Menschen vor Bildschirmen und müssen unter Zeitdruck das Beste aus dem Material machen, was ihnen zur Verfügung steht. Auch das Geld ist knapp, denn niemand will mehr für Abonnements Geld ausgeben sondern alles hat immer sofort online und frei verfügbar zu sein. Eine Kavallerie gründlich recherchierender Enthüllungsjournalisten wird nicht kostenlos zur Rettung des Taxigewerbes herbei geritten kommen.
Im ersten Beispiel wussten die Fahrer, dass sie gemeinsame Presseerklärungen im voraus verschicken mussten. Sie taten das mit Blick auf das internationale Publikum sogar zweisprachig. Sie formulierten klare Punkte und nannten Ansprechpartner. Gewünscht hätte man sich noch Fotos. Nur dadurch erfuhren die Redaktionen vorher von der Aktion, und nur deshalb gab es nachher auch Berichte im Fernsehen und in den Zeitungen, die Reuters und freie Journalisten später noch aufgriffen.
Hätten die protestierenden Taxler das nicht gemacht, wäre der ganze Protest nach hinten losgegangen. Die Berichte der gewogenen Reporter hätten sich auf das konzentriert, was sie an Material vom „Milliardärstreffen“ vorgefunden hätten. Die Berichte der wirtschaftskonservativen Presse allerdings waren klar in ihrem Urteil: Taxis sind für sie immer zu teuer und jetzt auch noch unverschämt. An der Propagandamaschine hat die Gegenseite nämlich nicht gespart. Kommunikationsprofis der Milliardenkonzerne liefern wolkige Sätze – und Hochglanzfotos – im Minutentakt. Insbesondere Khosrowshahis Rede ist trotz des enthaltenen Unsinns positiv rübergekommen.
So ähnlich verhält es sich im zweiten Beispiel. Was genau passierte, kann man mangels Informationen nicht mit Sicherheit sagen. Man sollte fairerweise sagen, dass es keine internationalen Medien oder Prominenz dabei gab. Es handelte sich um einen „freien Vormittag“ – und noch nicht mal einen „Streik“. So gab es also unter Umständen außer einem Betriebsausflug gar nichts zu berichten, könnte man meinen. In Brüssel protestierten fast genauso viele Fahrer, aber das Echo war um ein vielfaches größer, Politiker mussten öffentlich Stellung beziehen.
Über den taxifreien Vormittag gab es ein, zwei Berichte in der Lokalpresse und im Lokalfernsehen. Sie berichteten im wesentlichen über das Unverständnis der Fahrgäste am verwaisten Flughafen. Ja, verwaist – es waren nicht etwa viele Kollegen versammelt, um sich zu zeigen, Informationsmaterial über den Zustand des Taxigewerbes in Deutschland zu verteilen und zu diskutieren, warum die Aktion wichtig ist, nein, sie waren zumindest in diesem Fernsehbericht schlicht nicht da. Vielleicht waren welche da, aber man hat sie nicht gesehen – was am Ende beim Zuschauer den selben Eindruck hinterlässt. Immerhin erklärte sich eine Kollegin bereit, sich von einem Fernsehteam begleiten zu lassen und ihre Lage darzustellen. Warum in Zeiten von Selfies und food porn so kamerascheu, liebe Kollegen? Ohne die Taxifahrerin hätte sich der Bericht wahrscheinlich komplett in frustrierten Fahrgästen und einer verständnislosen Stadtverwaltung erschöpft.
Letzteres ist sogar verständlich: Es ist eben Aufgabe der Behörde, über die Anträge für Konzessionen zu entscheiden, nicht der Parlamente. Und genau dieser Punkt ist nicht – wie in Brüssel, London, Rom oder Madrid – herausgekommen, obwohl er schon von vielen Akteuren genannt wurde. Die drohenden Veränderungen auf den städtischen Transportmärkten durch Konzerne haben ein gesellschaftspolitisches Ausmaß, dass die Entscheidungsbefugnis der Genehmigungsbehörden sprengt. Sollten Konzerne, auch die wie CleverShuttle indirekt durch Steuergelder finanzierten, halbwegs funktionierende Märkte zerstören können dürfen?
Macht doch nichts, Hauptsache, protestiert? Falsch. Ohne Kontext wird der Stuttgarter Protest zu einem Zwist mit einer Behörde und der Münchner ein ungerechtes Lamento gegen Konkurrenten. Gerade wenn es sich um ein Problem mit gesellschaftspolitischen Dimensionen handelt, muss man eben diese Gesellschaft informieren. Es dreht sich eben nicht (nur) darum, den Damen von der Genehmigungsbehörde zu zeigen, was Sache ist. Die freien Medien sind dann dafür da, den richtigen Leuten die richtigen Fragen zu stellen. Wer etwas erreichen will, muss Multiplikatoren zu nutzen wissen. Andernfalls droht der Schwung zu verpuffen.
Dass das Stuttgarter Gewerbe sich organisieren und wehren kann, ist -andererseits- nämlich auch ein Beispiel für gute Verbandsarbeit. Die große Beteiligung zeigt, wie stark die Solidarität unter den Taxifahrern und -unternehmern geworden ist. Dieses Engagement wird das Taxigewerbe in Zukunft brauchen, um gemeinsam die Probleme anzugehen, etwas politisch zu bewegen und dafür in der Öffentlichkeit um Verständnis zu werben. Auch wenn bei uns hier und da noch örtliche Unstimmigkeiten zwischen den Verbänden und Aktivisten, die sich über soziale Netzwerke organisieren, zu herrschen scheinen – da die Ziele die selben sind, sollte doch wohl eine Einigung möglich sein. Die Botschaft des BZP-Präsidenten Michael Müller zeigt da in die richtige Richtung: Die Taxi-Unternehmen in Deutschland solidarisieren sich mit dem Protest in Brüssel.
Wenn sich dann noch die Mitgliedsverbände mit Informationsmaterial für Fahrgäste über die Hintergründe des Gewerbes, was nicht nur markige Werbesprüche enthält, wendet und in guter Öffentlichkeitsarbeit präzise Probleme und Forderungen formuliert, dann können viele Frustrationen in der Zukunft vermieden werden. prh
Hinweis der Redaktion: Mit diesem Wochenkommentar verabschiedet sich die Redaktion ins Oster-Wochenende. Ein Radio-Reporter hat sich heute morgen bei allen bedankt, die auch über Ostern für die Menschen da sind und dabei die Taxifahrer ganz explizit erwähnt. Dem können wir uns nur anschließen. Allen unseren Lesern frohe Ostern und allen, die auch an diesem Wochenende unterwegs sind, eine unfallfreie Fahrt.
Danke, für diese Worte!
Die Öffentlichkeit muß informiert werden. Die ersten kleinen Schritte zur Zusammenarbeit sind getan, aber es muß schneller gehen,sonst wird das Taxigewerbe überrollt und die Konzern mit dem meisten Geld teilen
den Markt unter sich auf.
Unsere Vertreter der Zentralen in ganz Deutschland, müssen jetzt endlich zusammen
an Lösungen arbeiten. Dafür sind sie da. Und es gibt viele Fahrer und Unternehmer die sie gerne unterstützen.
Abwarten daß sich das Problem von alleine löst, ist unrealistisch und sehr gefährlich.