Die Stadt Solingen hat – medial nahezu unbemerkt – Mindestbeförderungsentgelte (MBE) für Mietwagen festgesetzt. Überraschend ist dabei, dass die Solinger diese Entscheidung ganz ohne Gutachten gefällt haben.
In Kraft getreten und ohne viel Aufhebens ist das MBE bereits am 6. November 2025 mit der Bekanntmachung im Amtsblatt Nr. 45, dort beschrieben ab Seite 4. Ende vergangener Woche ist dann auch die Tagespresse darauf aufmerksam geworden. Sowohl das Solinger Tageblatt als auch die Solinger Nachrichten berichteten am Freitag übereinstimmend, dass die Stadt sich nun ebenfalls für die Einführung eines Mindestbeförderungsentgelts (MBE) für Mietwagen entschieden habe. MBEs sind ein neues Element aus dem Personenbeförderungsgesetz (PBefG), welches erst mit der Novelle 2021 eingeführt wurde. Der verwaltungsrechtliche Weg dazu ist auch in Solingen die Veröffentlichung einer Allgemeinverfügung, welche dort ab sofort gültig sein soll. Der Fachbegriff dafür ist „sofortige Vollziehung“.
Solingen ist eine kreisfreie Großstadt im bergischen Land in Nordrhein-Westfalen, östlich von Düsseldorf und nahe der Stadt Wuppertal gelegen. Die Ruhrmetropole Essen, wo zum 1.1.26 ein MBE eingeführt wird, liegt ca. 30 Kilometer entfernt. Die Stadt Solingen ist das Zentrum der deutschen Schneidwarenindustrie, insbesondere bei der Herstellung von Klingen sind Unternehmen aus Solingen weltweit führend – weshalb man sich auch als „Klingenstadt“ bezeichnet. Der Plattformanbieter Uber ist hier seit rund sieben Monaten vertreten. Nach Angaben der Stadtverwaltung fahren in Solingen inzwischen acht Unternehmen mit 44 Fahrzeugen für Uber. Sie müssen ab sofort Fahrten anbieten, deren Mindestpreis sich am Solinger Taxitarif orientiert und maximal neun Prozent darunterliegen darf (In der Allgemeinverfügung wird ein Wert von 91 % des in der aktuell gültigen Taxentarifordnung der Stadt Solingen Preises festgelegt). Dies gilt sowohl für den Grundpreis als auch für die gefahrenen Kilometer. Rabatte und andere Ermäßigungsmodelle sind untersagt.
Die Allgemeinverfügung gilt für alle Fahrten, die innerhalb der Stadt Solingen durchgeführt werden, auch dann, wenn sie dort beginnen und außerhalb enden oder umgekehrt. Dabei spielt es keine Rolle, wo das durchführende Mietwagenunternehmen seinen Betriebssitz hat.
Unternehmen, die sich nicht an das MBE halten, begehen eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße von bis zu 10.000 Euro geahndet werden kann.
Die Einführung des MBE wird von der Stadt Solingen sehr ausführlich begründet und die Argumente decken sich mit denen aus Heidelberg und Essen. Dort allerdings basieren die Erkenntnisse auf der Datenbasis eines örtlichen Gutachtens. Solingen hat – ähnlich wie schon Leipzig – auf solch ein Gutachten verzichtet.
In Solingen wurde das MBE auf Basis des § 51a des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) „zur Wahrung fairer Wettbewerbsbedingungen, der Daseinsvorsorge sowie der Einhaltung arbeits- und sozialrechtlicher Mindeststandards festgesetzt“, heißt es dazu in der Allgemeinverfügung. Und weiter: „Diese verhindert ruinösen Preiswettbewerb, schafft eine betriebswirtschaftlich tragfähige Kalkulationsgrundlage und stellt ein rechtstreues Marktverhalten sicher.“ Ausdrücklich wird in der Begründung betont, dass die Preisgestaltung oberhalb der Mindestgrenze davon unberührt bleibt, weshalb auch die unternehmerische Freiheit zur Preisgestaltung gewahrt wird.
Zwar räumt die Stadt ein, dass man mit dieser Maßnahme in die Berufsausübungsfreiheit nach Artikel 12 des Grundgesetzes eingreife, dennoch sei das MBE „auf einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Grundlage gerechtfertigt, dient legitimen Gemeinwohlzielen, ist geeignet, erforderlich und verhältnismäßig.“
Hinsichtlich der Festsetzung der Entgelte weist die Stadt darauf hin, dass diese auf Grundlage des § 51a PBefG in Verbindung mit § 49 Absatz 4, Satz 2 PBefG festgelegt worden seien. „Da das Gesetz keine konkrete Berechnungsmethodik vorgibt, obliegt es der örtlich zuständigen Genehmigungsbehörde, im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens eine sachgerechte, wirtschaftlich tragfähige und kontrollfähige Entgeltstruktur zu definieren.
Die Abweichung von neun Prozent unterhalb des Taxitarifs berücksichtige die betrieblichen Belastungen, die den Mietwagen entstehen, „insbesondere nicht vergütete Rückfahrten zum Betriebssitz sowie steuerliche Nachteile, da für Mietwagen der Regelsteuersatz von 19 % gilt, während Taxen mit 7% besteuert werden.“ Auch hier wird in der Allgemeinverfügung noch einmal betont, dass durch die untere Preisgrenze sichergestellt wird, „dass arbeitsrechtliche Mindestanforderungen, insbesondere der gesetzliche Mindestlohn nach § 1 MiLog eingehalten werden können.“
„Die festgelegte Entgeltstruktur stellt somit einen geeigneten und notwendigen Ordnungsrahmen dar, um Dumpingpreise zu verhindern, Sozialstandards abzusichern und die Stabilität des Gelegenheitsverkehrsmarktes im Stadtgebiet Solingen dauerhaft zu gewährleisten,“ heißt es abschließend in der Begründung.
Für die örtlichen Taxiunternehmer und deren Fahrer ist das eine gute Nachricht. Sie hatten schon im Juli gegen die plattformbasierte Konkurrenz demonstriert und erhielten danach tatkräftige Unterstützung vom Solinger Rechts- und Ordnungsdezernenten Jan Welzel (CDU). Dieser stellte fest, dass die Wettbewerbsbedingungen zwischen Fahrdienstvermittlern (Uber) und Taxis ungleich seien. Zwischen den Zeilen stellt die Allgemeinverfügung zudem infrage, ob die Uber-Preispolitik den geltenden Mindestlöhnen immer gerecht werde.
Die Stadt betonte gegenüber der örtlichen Presse, die Rechtslage sorgfältig studiert und sich ihren Schritt gut überlegt zu haben. Allerdings wünsche man sich weiter eine landesweit flächendeckende Regelung. „Andernfalls wird die wirtschaftliche Grundlage des Taxi-Gewerbes als eines der Standbeine des öffentlichen Verkehrs ausgehöhlt, es geht hier um die Existenz eines ganzen Gewerbes“, wird der Dezernent Jan Welzel zitiert.
Die Stadtverwaltung bezeichnet ihren Schritt als notwendig, um ein etabliertes Element des öffentlichen Verkehrs vor einer wirtschaftlichen Schieflage zu bewahren,
Die örtliche Presse hatte zum damaligen Markteintritt Ubers kürzlich wieder einmal den üblichen Test gemacht, der das Taxi im Vergleich zu den Plattformern immer besonders schlecht aussehen lässt. Der Solinger Taxitarif läge bei 4,40 Euro als Grundpreis sowie 2,90 Euro pro Kilometer, für den ersten Kilometer sogar bei 3,30 Euro. An einem Nachmittag unter der Woche kostete die Fahrt vom Hauptbahnhof zum Theater damals mit dem Taxi mehr als 25 Euro, mit Uber dagegen nur 18 Euro. Die Gegenprobe während Veranstaltungstagen mit hoher Nachfrage oder in der Silvesternacht aber fehlte natürlich, wie so oft bei solchen medialen Vergleichen.
Uber selbst reagiert auf das Solinger MBE mit seinen üblichen Behauptungen: Dass es nun teurer werde sei „eine verheerende Nachricht für die Einwohner und ihre Mobilität” zitieren die örtlichen Medien einen Uber-Sprecher, denn Taxis seien „für viele durch die hohen Preise unbezahlbar“. Der Uber-Sprecher weiter zur Solinger Verfügung: „Aus unserer Sicht ist dies rechtlich nicht haltbar, denn die Stadt hat nicht aufgezeigt, dass hier ein derart massiver Eingriff in den freien Markt gerechtfertigt ist”. Das Solinger Vorgehen sei daher „äußerst fragwürdig.“
Ubers Hauptargument ist danach also ein vermeintlich unbegründeter Eingriff in den freien Wettbewerb, weil die dafür notwendige breite Datenbasis fehle. Diese Frage wollten die Mietwagen-Partner von Uber nun schnellstmöglich rechtlich klären lassen, berichtet die örtliche Presse, dies sei Uber so von dessen Mietwagenpartnern so zurückgemeldet worden. Es werde also Widerspruch erfolgen, allerdings wolle das Unternehmen selbst als Vermittler nicht klagen.
Wie sich die Auseinandersetzung entwickelt, dürfte nun nicht nur für Solingen, sondern auch für viele andere Städte wegweisend sein. jh / rw
Siehe auch: Zwei Grünen-Politiker erzählen das Uber-Märchen
Beitragsfoto: Pixabay









Hier habe ich drei Fragen und zwar .
Frage 1.
Wenn die Mietwagen Unternehmer klagen wollen/ werden sind die dann nicht verpflichtet ihre Umsätze und Daten zu Untersuchung / Begutachtung vorlegen damit man eine Veränderung vor der Einführung der MBE und nach der Einführung der MBE vergleichen kann damit sie den Widerspruch begründen können ?
Frage 2.
Über welchen Eingriff in den freien Markt wird hier gesprochen wenn die Preisgestaltung nicht der Unternehmer selbst steuert und entscheidet sondern eine Platform die sich nur auf die Provision Einnahmen orientiert ohne sich dabei Gedanken zu machen ob von ihr und ihre KI gesteuerte Preispolitik für den Unternehmer/Beförderer wirtschaftlich tragfähig ist?
Und ganz wichtige Frage.:
Frage 3.
Text aus Allgemeinverfügung der Stadt Solingen zur
Festsetzung von Mindestbeförderungsentgelten
Zu Ziffer 1: Geltungsbereich
Die festgesetzten Mindestbeförderungsentgelte gelten für
sämtliche entgeltpflichtige Personenbeförderungen mit
Mietwagen gemäß § 49 PBefG, bei denen der Ein- und/
oder Ausstieg innerhalb des Stadtgebiets von Solingen
erfolgt. Dies gilt unabhängig davon, ob das ausführende
Unternehmen seinen Betriebssitz innerhalb oder außerhalb
des Stadtgebiets hat. Ebenfalls unerheblich ist, ob die Fahrt
auf Bestellung eines Kunden innerhalb oder außerhalb des
Stadtgebiets beginnt. Ausschlaggebend ist die tatsächliche
Durchführung einer Beförderungsleistung im Gebiet der
Stadt Solingen.
Genau das gleiche steht auch in der Essener Allgemeinverfügung.
Wie sieht es dann aus wenn ein Mietwagen aus Essen am (2.01.2025) eine Fahrt von Essen HBF – Solingen HBf bekommt ?
Welcher Tarif ( MBE ) muss hier dann angewendet werden der Essener oder Solinger?
Ein großen Dank im Voraus
ad 3) Nach meiner Ansicht wäre für die gesamte Strecke der höhere Mindesttarif anzusetzen. Der ist trotzdem wieder mal zu niedrig, um seriöse Kalkulation zu sein. 19% Mehrwertsteuer, vielfach höhere Vermittlungsprovision im Vergleich zu Taxi usw….
Ich verstehe nicht, warum der Preis 9% unter dem Taxitafif liegen darf; der Logik nach müssten sie 12% über dem Taxitarif liegen wegen der 19% MWSt. kann mir das mal jemand erklären? Die Kosten der MW-Betriebe dürften ähnlich sein wie die der Taxibetriebe, eher höher, wenn man die Rückkehrpflicht und die hoho Vermittlungsgebühr berücksichtigt…
Bei uns im Landkreis Meissen dürfen Taxen sogar die Anfahrt zum Kunden berechnen wen das Fahrtziel in gleicher Richtung liegt ,das sollte es auch für Mietwagen gelten 1.20€ / km
Endlich bewegt sich etwas bei Euren verantwortlichen Behörden !
Seit UBER illegal unterwegs ist in Europa – sind plus/minus 10 Jahre ins Land gegangen….
Ein wichtiger Schritt in richtung eigenständiger Regulierung von Souveränen Länder/Städten ist endlich realisiert worden !
Ein Schweizer Ex-Taxichauffeur kommentiert.