Tausende Taxifahrer gingen jüngst auf die Straße und forderten Tarifkorridore, vor allem aber Mindestbeförderungsentgelte (MBE) für Mietwagen. Einen Tag später ist die Stadt Heidelberg diesen Schritt gegangen und hat mittels einer ab August gültigen Allgemeinverfügung ein solches MBE für die Stadt am Neckar festgelegt.
Branchenkenner wollten heute kaum ihren Augen trauen: Endlich flatterte ihnen eine MBE-Umsetzungsanordnung für die Stadt Heidelberg auf den Tisch, um die das Gewerbe gestern noch verzweifelt gebeten hatte. Endlich traut sich nach Leipzig und dem Landkreis Lörrach eine weitere Stadt und nutzt ihre gesetzlichen Möglichkeiten, um den ruinösen Wettbewerb zwischen Taxi und plattformbasierten Mietwagen in ihrer Stadt zu regeln.
Mit der Novelle des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) im Jahr 2021 wurde die Option für bundesdeutsche Genehmigungsbehörden geschaffen, Mindestbeförderungsentgelte für Mietwagen (MBE) festzulegen. MBE sollen Dumpingpreise plattformbasierter Mietwagen verhindern, die damit versuchen, lokale Märkte anzugreifen. Gemeinsam mit der zeitgleich neu geschaffenen Möglichkeit für Tarifkorridore, die neben dem fahrstreckenbasierten Taxitarif auch Festpreisvereinbarungen für Bestellfahrten von Taxis ermöglichen, sollen diese Maßnahmen den Wettbewerb so regulieren, dass betriebswirtschaftlich unhaltbare Dumpingangebote in der individuellen gewerblichen Fahrgastbeförderung vor Ort verhindert werden.
Wenn ein völlig neues Steuerungselement für Behörden in die Gesetzgebung eingeführt wird, zögern diese zunächst häufig, diese neuen Tools auch einzusetzen. Immerhin regulieren sie so den Markt und bremsen einzelne Akteure in diesem Markt aus, die darüber natürlich nicht sehr glücklich sind. Da solche Regelungen juristisch Neuland sind, drohen hier somit Klagen, und viele Kommunen scheuen aufgrund des Aufwands bei der Bearbeitung davor.
Beim MBE ist der Gegner aller Voraussicht nach Uber, und Uber verfügt nun mal über enorme Mittel und Juristen aus den höchsten Ligen dieses Genres – also ein echter Angstgegner. Genau dieses Zögern beim Einsatz geeigneter Mittel im Kampf gegen den nachweislich oft illegal agierenden Mitbewerber hat landauf, landab die Taxler auf die Straße getrieben. Für sie ist einfach nicht nachvollziehbar, warum eine kollektive Scheu der unteren Genehmigungsbehörden vor der Anwendung bestehender gesetzlicher Regelungen sie letztlich doch die Existenz kosten könnte, nachdem sie schon zuvor so lange darum kämpfen mussten, überhaupt Schutzelemente gegen den Raubtierkapitalismus der Plattformen ins Gesetz zu integrieren.
Die Stadt Leipzig hatte dann relativ zeitnah nach der gesetzlichen Festlegung der neuen Option einen ersten Versuch gewagt und MBE für die dort agierenden Mietwagen festgelegt. Wie zu erwarten war, widersetzte sich ein örtlicher Mietwagenbetreiber umgehend dieser Beschränkung seiner Freiheiten. Das Verwaltungsgericht (VG) Leipzig stellte dann fast überraschend eindeutig fest, dass ein MBE nicht nur ein legitimes Element ist, um den Markt der örtlichen individuellen gewerblichen Fahrgastbeförderung zu regulieren, sondern auch, dass dieses Element sogar vorsorglich eingesetzt werden könne, um einen ruinösen Wettbewerb vor Ort zu verhindern.
Allerdings kritisierte das VG die Umsetzung des MBEs durch die Stadt Leipzig, da diese mit dem dreifachen ÖPNV-Tarif eine sachfremde Basis als MBE festgelegt hatte und forderte stattdessen einen konkreten Bezug des MBEs auf die wirtschaftliche Situation der Betroffenen. Eigentlich war man nun davon ausgegangen, dass weitere MBE folgen würden, allerdings zögerten viele Vertreter der Genehmigungsbehörden, da sie nicht diejenigen sein wollten, die sich eine Klatsche für ihre Interpretation der neuen gesetzlichen Regelung vor Gericht abholen.
Die Crux liegt also zum einen in der Festlegung des MBEs auf ein sinnvolles Maß und zum anderen in der differenzierten und damit hoffentlich gerichtsfesten Begründung für diese Entscheidung. Wer versucht, ein solches MBE einzuführen, kann sich wahrscheinlich schon beim Entwurf vorstellen, wie die Uber-Juristen bereits die Messer wetzen, um auch diesen Versuch vor Gericht zu zerreißen.
Der Genehmigungsbehörde der Stadt Heidelberg gebührt nun der Verdienst, sich dieser Herausforderung zu stellen. Am 25. Juni 2025 legte sie fest, dass Mietwagen in Heidelberg ab 1.8.2025 ein MBE in Höhe des jeweils gültigen örtlichen Taxitarifs ohne Wartezeit nach einem Pauschalabzug von 2,875 Prozent von diesem eindeutig errechenbaren Fahrpreis für jede Einzelfahrt vereinnahmen müssen. Ausgenommen sind lediglich Mietwagenfahrten, die von Mietwagen durchgeführt werden, die ausschließlich Krankenfahrten zu einer entsprechenden Entgeltvereinbarung mit einer Krankenkasse durchführen. Nur gelegentliche Krankenfahrten von Mietwagen, die auch anderweitig im Gelegenheitsverkehr eingesetzt werden, sind damit von dieser Ausnahmeregelung ausgeschlossen.
Die immerhin sechsseitige Begründung für diese einseitige Allgemeinverfügung, die Taxi Times vorliegt, erklärt dann differenziert, warum speziell für die Stadt Heidelberg eine solche Allgemeinverfügung notwendig ist und wie die Höhe des dort festgelegten MBEs für Mietwagen errechnet wurde. Hilfreich war dabei, dass gerade für die Stadt Heidelberg kürzlich gutachterlich Fakten nachgewiesen wurden, die belegen, dass Mietwagenunternehmen, die für Uber tätig sind, vor Ort massiv vom amerikanischen Mutterkonzern subventioniert werden – offensichtlich mit dem Ziel, die aktuell noch bestehende Marktstruktur nachhaltig zu zerstören. Allein durch ihre Einnahmen aus der Fahrgastbeförderung wäre für diese Unternehmen keine wirtschaftliche Existenz möglich (Taxi Times berichtete).
Es wird sich wohl kaum verhindern lassen, dass auch diese neue MBE-Realisierung nun von den Uber-Juristen angegriffen wird. Allerdings gibt die differenzierte Ausformulierung hier Anlass zur Hoffnung, dass diese Art der Umsetzung eines MBEs diesem Angriff wird standhalten können. Maßgeblich ist allerdings, dass bei der Umsetzung Zahlen zu regionalen Plattformen vorliegen, um die Begründung sturmfest machen zu können.
Wo also Genehmigungsbehörden nicht von vornherein den Kopf in den Sand stecken und sich durch Abwarten profilieren wollen, sollten sie lieber gestern als heute damit beginnen, sich durch entsprechende Zahlen aus den Unterlagen plattformbasierter Mietwagen gerichtsfest auszustatten – auch hier hat die Stadt Heidelberg ja schon beispielhaft gezeigt, wie das geht. Und wo in den Behörden selbst vielleicht die Power fehlt, wäre es schön, wenn die vielen politischen Beamten aus den vorderen Reihen, die sich in letzter Zeit für das Taxigewerbe stark gemacht haben, diese unteren Entscheider an die Hand nehmen und zum Erfolg führen. BVTM-Präsident Herwig Kollar lobt Heidelbergs Schritt: „Heidelberg macht hier vieles richtig und taugt damit als Vorbild auch für andere Städte. Mit der Allgemeinverfügung macht Heidelberg unlauteren Dumping-Angeboten wirksam den Garaus. Ich beglückwünsche unsere Mitglieder in Heidelberg zu diesem großen Erfolg und bedanke mich an dieser Stelle für die gute und enge Zusammenarbeit im Vorfeld dieser Entscheidung. Die Allgemeinverfügung, vor allem aber auch ihre fundierte Begründung, ist wirklich lesenswert. Ausdrücklich und intensiv setzt sich der Text mit dem Geschäftsmodell von Uber auseinander – und mit den Auswirkungen, die dies auf die öffentlichen Verkehrsinteressen in Heidelberg hat. Jede Stadt, in der Uber heute aktiv ist oder in der Uber in Zukunft aktiv werden könne, sollte sich das vor Augen führen.“
Parallel zum MBE veröffentlichte die Stadt Heidelberg die ebenfalls beschlossene Aufnahme der Option zur Vereinbarung von Festpreisen über einen Tarifkorridor in ihre Taxitarifordnung. Somit können bei Fahrten auf vorherige Bestellung mit vereinbartem Abfahrts- und Zielort abweichend zum Taxitarif Festpreise bei der Bestellung vor der Fahrt vereinbart werden. Der vereinbarte Festpreis darf dabei höchstens 20 Prozent nach oben und 7,5 Prozent nach unten von dem tarifgerechten Beförderungsentgelt abweichen.
In Heidelberg packt man es also an – je mehr Nachahmer sich nun schnell entscheiden, vielleicht sogar präventiv hier mit auf den Zug aufzuspringen, desto größer ist die Chance, dass sich diese Regelung in der deutschen Rechtsprechung nun, wie hier vorgegeben, etablieren kann.
rw
Beitragsbild: Remmer Witte
Danke Heidelberg!
falls diese Regelung rechtskräftig wird, werde ich als Konsequenz erst recht Uber und Bolt Taxis benutzen. E
s wäre besser, Taxis würden ihre Kosten senken, denn taxi fahren ist in der letzten Zeit deutlich zu teuer geworden. Wenn ich zu meiner Mutter fahre, ich wohne in Nürnberg, zahle ich mit einem Taxi 15 €, mit dem bolt taxi zahle ich zwischen 7 und 9 €.
Guten Tag Herr Haase, wenn es Mindestentgelte für Bolt und Uber gibt, ist es völlig okay, wenn Sie dann (auch weiterhin) Bolt und Uber nutzen. Wenn Sie dann allerdings daür 15 Euro Mindestpreis anstatt der bisherigen 7 und 9 € bezahlen müssen, können Sie mit einem guten Gewissen fahren, denn dann wird auch der Uber- und Boltfahrer von dieser Fahrt seine Famile ernähren können, ohne dass er aufstocken muss und Sozialversicherungsbetrug betreiben muss.
Sein Name ist Haase, er weiß Bescheid :-). Nichts verstanden, würde ich sagen. Allein schon, dass sie Uber & Bolt als „Taxi“ bezeichnen spricht Bände.
Das sind tolle Nachrichten!
Wir sollten auch weiterhin in anderen Städten darauf bestehen, dass Mindestpreise eingeführt werden.
Wenn Uber jede Konkurrenz zerschmettert, werden die Preise erst Recht wie in anderen Ländern explodieren.
Dass Krankenfahrten davon ausgenommen sind ist ein Witz. Dadurch ist man weiterhin ein Spielball der Kassen die durch Ihre asozialen Vergütungen die Unternehmer dränkt Ihre eigenen Verträge nicht ein zu halten. Bei den Vergütungen ist es den Unternehmen weiterhin nicht möglich Gewinne zu erwirtschften und Rücklagen zu bilden wie es der Gesetzgeber verlangt.
Für die Taxis ist das aber ein guter erfolg.
Ist die freie Wirtschaft in Europa frei? Wie kann man Menschen davon abhalten, sehr gute und günstige Verkehrsmittel zu nutzen? Ist das eine freie Wirtschaft oder schränkt sie die Wahlmöglichkeiten der Menschen ein, die täglich unter hohen Preisen leiden? Wirklich seltsam!?
Herr Kaake, das ist leider zu einseitig und zu kurz gedacht, was Sie da formulieren. Wenn ein Geschäftsmodell auf Ausbeutung der Arbeitskräfte und auf Sozialdumping beruht, dann muss der Staat eingreifen. Das ist dann eben keine Beraubung der Freiheit, sondern Verbraucherschutz.
Uber wird deutlich teurer als Taxis, wenn die Taxigewerkschaft abgeschafft wird. Wichtig ist, dass 25 Prozent der Uber-Einnahmen an die Uber-Besitzer in den USA gehen. Sie müssen nichts tun, wir müssen hart arbeiten, um sie in kurzer Zeit zu Weltmilliardären zu machen.