Stockholms Taxigewerbe schlägt Alarm: Ohne konkrete staatliche Hilfsmaßnahmen können Unternehmer wie Zentralen die aktuellen Pandemiebeschränkungen wirtschaftlich nicht überleben. Das hätte weitreichende gesellschaftspolitische Konsequenzen.
Viele Branchen in Schweden sind von der Pandemie besonders hart getroffen worden, darunter auch das Taxigewerbe. Taxi Stockholm ist mit 870 Taxis die größte Taxizentrale in der schwedischen Hauptstadt. Deren Chefs Satish Sen (CEO) und Dimitrios Nikopoulos (Vorstandsvorsitzender) haben sich mit einer Warnung an die lokalen Medien gewandt. Das Taxigewerbe in Stockholm sei von der Pandemie hart getroffen, heißt es dort. Wenn nichts unternommen wird, läuft die Region Stockholm Gefahr, bald kein funktionierendes Sozialbeförderungssystem für Ältere und behinderte Bürger mehr zu haben.
Über die Taxizentrale werden jährlich fünf Millionen Fahrten mit Taxis und Minibussen durchgeführt. Zehn Prozent davon sind Sozialfahrten innerhalb des schwedischen Färdtjänst-Systems.
Seit Ausbruch der Corona-Pandemie vor zwei Jahren kämpfen Unternehmer und Fahrer gemeinsam, um durchzuhalten. Jetzt, wo die vierte Coronawelle ernsthaft da ist, sind die Taxler am Ende. “Um es deutlich zu sagen: Wenn politisch nichts unternommen wird, droht die Region Stockholm bald ohne ein funktionierendes System für Sozialfahrten zu sein,” warnen die beiden Unternehmer gegenüber den Medien.
Bisherige Fördermaßnahmen hätten dazu geführt, dass das Taxigewerbe im Allgemeinen überleben konnte, aber eben nicht mehr. “Bei Taxi Stockholm haben wir jetzt dreißig Prozent weniger Fahrer und zwanzig Prozent weniger Taxis. Wir mussten sehen, wie Fahrer arbeitslos wurden oder die Branche wechselten. Wir mussten sehen, wie wohlhabende Taxiunternehmer vor dem Bankrott standen, als Einschränkungen zu einem veränderten Mobilitätsverhalten führten. Das bedeutet, dass wir heute ein Geschäft haben, das funktioniert – das aber mehr Stress nicht übersteht.”
Das System stehe kurz vor dem Absturz und es müsse dringend gehandelt werden, sagen die Unternehmer. Aus der Erfahrung der vorangegangenen Wellen wisse man, welche Maßnahmen sich positiv auswirken können. “Kurzfristige Entlassungen funktionieren für unser Geschäft leider nicht, da wir nicht vorher genau wissen können, wann Kunden mit uns fahren möchten. Nicht alles ist planbar. Die Unterstützung, die wir aus politischer Sicht haben und die funktioniert, reicht leider nicht aus.”
Sen und Nikopoulos haben deshalb eine eindeutige Forderung an die Politik: “Jetzt sind schnelle Entscheidungen zur Einleitung zielgerichteter Maßnahmen wichtig, um den Zugang zur Mobilität für mehrere Zielgruppen nicht noch weiter erodieren zu lassen. Daher schlagen wir Folgendes vor: die Regeln der Arbeitslosenversicherung überprüfen, solange die Pandemie Unsicherheit schafft. Wir haben einen Lock-in-Effekt bei den aktuellen Regeln festgestellt, die es den Fahrern ermöglicht, in der Arbeitslosenversicherung zu bleiben, anstatt zu ihrem Taxi-Job zurückzukehren.”
Auch müssen Taxis von der Stockholmer Staugebühr (maximal 13,50 Euro pro Tag – auch für Taxis) befreit werden. “Taxis tragen nicht zur Staubildung bei, erleichtern aber denjenigen, die vom eigenen Auto auf öffentliche Verkehrsmittel verzichten möchten, die Entscheidung. Während der Pandemie mit deutlich reduzierten Einnahmen wirkt diese Steuer zusätzlich belastend für Taxifahrer und frisst das verdiente Tagesgeld auf.”
Auch würden die Unternehmer gerne die im Jahr 2020 für einige Monate gültige Senkung des Arbeitgeberbeitrags und der Beiträge für Einzelunternehmer und Handelsunternehmen wieder einführen. “Dies sind einige Vorschläge, von denen die gesamte Taxibranche in Schweden profitieren würde. Andernfalls besteht die Gefahr, dass das gesamte System für Taxifahrten und Sozialfahrten ausfällt – mit Folgen wie einer drastisch eingeschränkten Mobilität der Schwächsten.”
“Die 870 Taxifahrer von Taxi Stockholm haben weiterhin eine sehr schwache Rentabilität und werden durch die stark gestiegenen Kraftstoffpreise – besonders Diesel-Ersatz HVO – unter Druck gesetzt” sagen Sen und Nikopoulos. Die Abkürzung HVO steht für „Hydrotreated Vegetable Oil“, das ist eine Art von ‚Pflanzenöl-Diesel‘, den viele schwedische Taxiunternehmer nutzen, dessen Preis allerdings in den letzten Monaten stark gestiegen ist.
Müssten die Taxibetrieb Konkurs anmelden, hätte das weitreichende Konsequenzen: “Sie können den Betrieb später nicht automatisch aufnehmen, sondern müssen erneut eine Verkehrserlaubnis beantragen”, erläutern die Zentralenchefs. “Wenn nichts unternommen wird, riskieren wir auch, Hunderte von zusätzlichen Fahrern zu verlieren. Die Folge davon ist, dass neue Fahrer rekrutiert und ausgebildet werden müssen, was nicht im Handumdrehen erledigt ist –wenn es überhaupt möglich ist.”
Im Hinblick auf die halbe Million der vom Staat bzw. den Kommunen bezahlten Fahrten vom Färdtjänst-System geht der Appell ganz besonders an die Politik: ”Wir wollen auch in Zukunft Teil eines funktionierenden ÖPNV in der Region sein. Doch dafür sind jetzt schnelle und effektive politische Entscheidungen gefragt.” wf
Beitragsfoto Taxi Stockholm