Machtprobe im Norden der USA: Behörden wollen Fahrdienste zugunsten der Fahrer stärker regulieren. Wer hat die Oberhand, die Ride-Hailing Firmen oder der Stadtrat?
Es wäre ein interessantes Gedankenspiel, was passieren würde, wenn Fahrdienstanbieter wie Uber, Bolt, Lyft usw. nach etwas über zehn Jahren die Oberhand in einer Stadt wie z. B. Berlin gewonnen hätten. In diesen Jahren des App-Wachstums wäre die regulierte lokale Taxibranche dezimiert worden und könnte nicht mehr mit der unlauteren, kaum regulierten Konkurrenz mithalten, und Ride-Hailing-Apps würden die lokale Mobilitätslandschaft, in der nur noch wenige Taxis übrig sind, dominieren.
Märchen oder Alptraum? Schauen wir uns an, was im Städte-Pärchen Minneapolis/St. Paul, den „Twin Cities“ im US Bundesstaat Minnesota, passiert. Die Metropolregion ist mit 3,69 Millionen Einwohnern der 14.-größte Wirtschaftsraum in den USA. Dort drohen Uber und Lyft – normalerweise eingeschworene Konkurrenten – die „Twin Cities“ am 1. Mai zu verlassen, wenn der Stadtrat eine Verordnung nicht zurückzieht, die für App-Fahrer (meist junge Einwanderer) einen Mindestlohn von 14,50 US-Dollar (13,38 Euro) pro Stunde vorsieht, außerdem 1,40 Dollar pro Meile (0,86 Euro/km) und 15 Cent (0,14 Euro) pro Minute, abzüglich der Ausgaben der Fahrer für Benzin, Wartung und dergleichen.
Die Fahrdienstunternehmen betrachten ihre Fahrer seit langem als unabhängige Vertragspartner, die manchmal weniger als den Mindestlohn verdienen. In Stoßzeiten verdienen sie dann weit mehr, gerade durch das obligatorische „surge pricing“. Selbst, wenn man die Idee, jede Stunde einen Mindestlohn zu verlangen, akzeptiert, ist die Berechnung, die dazu führt (was wenig überrascht), umstritten. Zum einen werden Trinkgelder nicht berücksichtigt. Zum anderen spiegelt es nicht ausreichend wider, wie viele Fahrer gleichzeitig für Uber und Lyft arbeiten.
Angesichts der Drohung von Uber und Lyft, die „Twin Cities“ zu verlassen, arbeitet der Stadtrat von Minneapolis daran, die Verordnung zu ändern, die Fahrern von App-Fahrdiensten eine Gehaltserhöhung ermöglichen würde. Die Gehaltserhöhung wollen die Fahrdienstleister nicht akzeptieren. Die nächste Ratssitzung, in der auch die schwer umkämpfte Verordnung diskutiert werden soll, findet am 11. April statt.
Falls Uber und Lyft sich am 1. Mai tatsächlich aus dem Ballungsgebiet verabschieden würden, gäbe es dann genügend Taxis, um die gewaltig gestiegene Nachfrage zu bedienen? 2014 gab es noch 1.948 Taxis in den „Twin Cities“, was für über 3,6 Millionen Einwohner schon recht wenig war. Heutzutage dürften es kaum mehr als 500 Taxis sein, nachdem große Teile der Kundschaft auf Uber und Lyft umgestiegen sind. Jeremy Kramer, Kundendienstleiter bei Blue and White Taxi, sagte, dass seine Firma derzeit über etwa 250 Fahrzeuge und 280 Fahrer in der Region verfügt, und gab an, dass die Zahl der Bewerber gestiegen sei. „Im letzten Monat kamen viele Fahrer zur Tür herein. Wir haben im Moment eine große Warteliste, auch Uber- und Lyft-Fahrer. Warten wir ab, wie sich alles entwickelt“, sagte Kramer. „Wir wollen nicht zu viele Fahrer einstellen, weil wir wollen, dass die Fahrer, die für uns arbeiten, ein gutes Einkommen erzielen. Wir haben also etwas abwarten müssen, um zu sehen, was passiert. Ich habe das Gefühl, dass Uber und Lyft bluffen.“ St. Paul Yellow Taxi hat keine App, ist aber auf Flughafen-Shuttles für den Flughafen MSP spezialisiert. Gerade für die Flughafenbeförderung sind die Ride-Hailingdienste sehr beliebt.
Exkurs: Sind Neu-Regulierung und Gehaltserhöhung eine Ausnahme in den USA?
Sind solche regulatorischen Maßnahmen oder eine solche Gehaltserhöhung neu? Nicht nur in Minneapolis sind im letzten Jahrzehnt Konflikte und Meinungsverschiedenheiten zwischen Behörden und Fahrdiensten entstanden. Vor Minneapolis ergriffen bereits New York City und Seattle ähnliche Maßnahmen – und beide großen Anbieter blieben. In Austin, Texas, verschwanden 2016 die Apps, nachdem die Stadt strenge Regulierungsmaßnahmen ergriffen hatte – und kamen ein Jahr später zurück, nachdem ein neues Gesetz verabschiedet wurde, das die alte Regelung, die auch von App-Fahrern wie von Taxifahrern Fingerabdrücke verlangte, unwirksam machte.
Mit Ausnahme der Stadt Portland sind Uber und Lyft im gesamten Bundesstaat Oregon verboten, da ein staatliches Gesetz besagt, dass Privatfahrzeuge nicht als Taxis genutzt werden dürfen. Die meisten App-Fahrer kaufen in den Staaten ihr eigenes Fahrzeug. Das Gesetz wurde mehrfach in Frage gestellt und Gesetze zur Legalisierung von Fahrdiensten wurden wiederholt vor Gericht angefochten, es wurde jedoch kein Wort darüber gesagt, ob das Verbot in absehbarer Zeit aufgehoben wird.
Im Januar 2021 erließ Seattle eine Verordnung, die sicherstellt, dass Uber- und Lyft-Fahrer für ihre gesamte Arbeitszeit bezahlt und für alle arbeitsbedingten Ausgaben entschädigt werden. Fahrer erhalten 1,33 Dollar pro Meile (0,82 Euro/km) plus 0,57 Dollar (0,53 Euro) pro Minute. Für jede Fahrt, auch wenn der Kunde oder Fahrer storniert, müssen dem Fahrer mindestens 5 Dollar (4,61 Euro) gezahlt werden.
Im November 2023 verabschiedete der Bundesstaat New York eine landesweite Vereinbarung, die Uber-Fahrern einen Mindestverdienst von mindestens 26 Dollar (24 Euro) pro Stunde während der Arbeitszeit zugesteht, während sie einen Fahrgast abholen oder absetzen. In New York City erhalten Fahrer nun für alle 30 Stunden, die sie am Steuer verbringen, eine Stunde bezahlten Krankheitsurlaub zu einem Satz von 17 Dollar (15,70 Euro) pro Stunde.
Als Uber und Lyft sich im Bundesstaat New York im vergangenen November auf diese neuen Tarife einigten, versprachen sie gleichzeitig, 328 Millionen Dollar (302 Mio Euro) Rücklagen für Fahrer zu zahlen. Die New Yorker Generalstaatsanwältin Letitia James bezeichnete dies als die größte Einigung wegen Lohndiebstahls, die ihre Behörde jemals erzielt habe.
Zurück nach Minnesota:
Wie die Geier hatten sich die Menschen in Minneapolis und St. Paul auf die billigen und einfachen App-Fahrten gestürzt. Sollten Uber und Lyft mit ihren 10.000 bis 12.000 Fahrern tatsächlich abwandern, gäbe es kein Taxigewerbe mehr, das die Lücke schließen könnte. Dafür scheinen andere Fahrdienste bestrebt, den „Twin Cities“ zu Hilfe zu kommen. Der Stadtrat sucht außerdem nach einer landesweiten Regulierungslösung, die einer eigenen Verordnung ähnelt und die Dienstleistungen des örtlichen öffentlichen Verkehrsunternehmens erheblich verbessern soll.
Uber und Lyft machen zur Zeit erheblich Druck: Als Reaktion auf die Entscheidung des Stadtrats auf die Verabschiedung der städtischen Verordnung begrüßte Uber eines Morgens die Leser von Star Tribune mit einem großen Werbebanner am oberen Bildschirmrand mit der Aufschrift: „Sagen Sie es dem Rat der Stadt Minneapolis: Stehen Sie der berufstätigen Familie zur Seite! Schützen Sie Fahrdienstangebote in den Twin Cities!“ Und Lyft-Geschäftsführer Jeremy Bird fügte in einem Brief an den Stadtrat hinzu: „Diese angeblich fahrerfreundliche Verordnung ist in Wirklichkeit gegen die arbeitende Familie“. Uber und Lyft haben jedoch ein Geschäftsmodell aufgebaut, das auf der Unterbezahlung ihrer Fahrer basiert.
Ein interessanter Leitartikel in der Zeitung Chicago Tribune blickte auf den „Fall Minneapolis“ zurück: „Hätte man diesen Unternehmen erlauben dürfen, so absolut zu dominieren und Taxiunternehmen mit festen Tarifen verschwinden zu lassen? Das ist eine berechtigte Frage, und wir haben in der Vergangenheit missbilligend darüber geschrieben, dass den Mitfahrriesen in der Anfangszeit viele unfaire Vorteile gegenüber Taxiunternehmen eingeräumt wurden. Man muss kein Genie sein, um zu sehen, dass die staatlichen und städtischen Regulierungsbehörden von dem Versprechen zunächst niedriger Preise verführt wurden, nur um hilflos zuzusehen, wie die Preise stiegen. Aber der Uber-Mietwagen hat sich aus dem Staub gemacht, und man muss sich nun den Tatsachen vor Ort stellen – und verhandeln. Es ist nicht schwer zu erkennen, wer die Oberhand hat.”
Ein Leserbrief in derselben Zeitung fügte hinzu: „Erstens sind Mietwagenfahrten beliebt, weil sie einfach und günstig sind. Warum? Weil sie weniger reguliert sind als Taxis. Im Gegensatz zu Taxifahrern ist es nicht erforderlich, dass ein Fahrer im Besitz einer Chauffeurlizenz ist, und die von Uber und Lyft durchgeführten Hintergrundüberprüfungen von Fahrern kommen nicht annähernd an die Kontrollen heran, die die Taxibranche anwendet. Man muss nur das Internet durchforsten, um Vorwürfe wegen sexueller Übergriffe gegen Mietwagenfahrer zu finden. Darüber hinaus gibt es in der Mietwagenbranche grundsätzliche Versicherungslücken. Kurz gesagt: Mietwagenfahrten sind billiger, weil der Verbraucher weniger geschützt ist.”
Nicht jeder Einwohner von Minneapolis schwärmt von den Ridehailing-Diensten. Ein Anwalt: „Ich nutze fast ausschließlich Taxis und bevorzuge sie gegenüber Mietwagendiensten, da Taxis im Allgemeinen besser gewartet sind als die meisten Mietwagen und ich mich durch den umfassenderen Versicherungsschutz, den gewerbliche Versicherungspolicen der Taxibranche bieten, viel sicherer fühle. Vielleicht findet Minneapolis heraus, dass die bereits regulierte Taxibranche mit einer App den weitgehend unregulierten Fahrdienstanbietern vorzuziehen ist.”
Wenn – und das ist ein großes „Wenn“ – Fahrdienste wie die Taxibranche reguliert würden, wären sie gleichberechtigt. Vielleicht bevorzugen Bürger Fahrdienste, weil ihre Apps einfacher zu nutzen sind. Aber es ist ungewiss, was passieren würde, da die Mietwagenbranche die meiste Zeit ihres Bestehens weitgehend jenseits von Recht und Gesetz agiert hat.
Die marktbeherrschende Stellung von Uber und Lyft hat die Taxibranche – nicht nur in den USA – durch den Einsatz von Gig-Arbeitern zerstört. Daher ist es kein Wunder, dass die Taxibranche in Minneapolis auf rund 500 lizenzierte Fahrer geschrumpft ist. Auch in Chicago ist die Zahl der Taxis aufgrund des Wettbewerbs zurückgegangen, doch mittlerweile sind Chicagoer Taxis durch eine App wettbewerbsfähiger geworden, und die Taxifahrpreise sind mittlerweile oft niedriger als die der Mietwagen.
Laut einer einjährigen Studie über Fahrergehälter und -schutz, die vor Kurzem vom Arbeits- und Industrieministerium von Minnesota veröffentlicht wurde, verdienten Uber- und Lyft-Fahrer in Minneapolis im Jahr 2022 durchschnittlich 29,64 Dollar (27,32 Euro) pro Stunde. Allerdings sank nach Ausgaben wie Wartung, Reparaturen und Kraftstoff, den die Fahrer selbst bezahlen müssen, der Nettostundenlohn auf 13,63 Dollar (12,56 Euro) und lag damit fast zwei Dollar unter dem Mindeststundenlohn von 15 Dollar (Euro 13,83) in Minneapolis.
Nach der neuen Verordnung würden Fahrer einen Mindestlohn von 1,40 Dollar pro Meile plus 51 Cent pro Fahrminute erhalten. Den Fahrern würden außerdem 80 Prozent der Gebühren für stornierte Fahrten garantiert. Damit würden Fahrer aus Minneapolis zu den am besten bezahlten Fahrern in den USA gehören.
Laut Vertretern von Uber und Lyft hätte eine so plötzliche und starke Erhöhung der Löhne der Fahrer nur negative Auswirkungen auf die Fahrer. In einem Brief an den Stadtrat und den Bürgermeister erklärte Lyft, dass der vorgeschlagene Tarif pro Meile und pro Minute dazu führen würde, dass die Fahrer statt des angestrebten Mindestlohns von 15,57 US-Dollar (Euro 14,35) pro Stunde etwa 50 Dollar (46,09 Euro) pro Stunde erhalten würden. Dadurch würden die Gebühren für die Fahrgäste in die Höhe schießen, so das Unternehmen, und Mietwagenfahrten würden zum Luxus für diejenigen werden, die es sich leisten könnten. Dieser Schritt würde auch Geringverdienern sowie Menschen mit Behinderungen, die über keine bezahlbaren Transportmittel verfügen, und diese Gruppe wird in solchen Fällen immer gerne von den App-Firmen erwähnt, schaden, heißt es in dem Lyft-Schreiben.
Der Anstieg der Fahrgebühren aufgrund überhöhter Löhne, so Uber und Lyft, könnte wiederum tatsächlich zu einem Rückgang der Nachfrage insgesamt führen, was zu geringeren Einnahmen der Fahrer in der Region führen würde, meinen die Ride-Hailing-Firmen. Wer diese Machtprobe in Minneapolis gewinnt, wird sich am 11. April entscheiden. Sicherlich werden die Ride-Hailing-Unternehmen ihre Macht überall, wo sie die Mehrheit der Mobilitätsanbieter bilden, ausspielen und sich nicht zufriedengeben mit neuen Gesetzen und Verordnungen wie etwa das Plattformarbeitergesetz in Europäischen Ländern, die ihre bloße Marktmacht zugunsten ihrer Mitarbeiter und Kunden einschränken. wf
Fotos: Wim Faber
Solche Infos gehören in die Tageszeitung,
Und in zusammengefasster Version ins Taxi zur Info für die Fahrgäste.
Nur leider ist das den meisten Taxifahrern: innen garnicht bewusst oder es ist ihnen egal was U*** und die anderen machen.
Sie haben ja alle Anbieter Apps im Taxi.
Da fängt das Problem schon an.
Haben Sie denn eine solche Infos in Ihrem Taxi und zeigen Sie ihren Fahrgästen? Das wäre doch schon mal ein guter Anfang…
Eine regulierter Mindestpreis und Mindestlohn führt nur dazu das Uber und Lyft nicht mehr ihre 25% – 30 % von geleistete Fahrten Abziehen können . Wenn die an Menschen denken dann sollen die auch an Fahrer und deren Familen denken die unter geringerem Einkommen leiden . Uber und Lyft sollen dieses gelogene „wit denken an Menschen und wir denken an die Umwelt“ aufhören.
1.Wer an die Umwelt denkt lockt nicht absichtlich Menschen mit Biligpreisen ins ein Auto einzusteigen. Die Busse und die Bahn in Düsseldorf fahren leer hin und her . Warum ? Weil es unterbezahlte fahrer von Uber die nicht mal so angemeldet sind wie die Arbeiten hin und her fahren.
2.wer an die Menschen denkt bezahlt auch Menschen vernünftig. Wenn die Plattformen sich so ausdrücken dann gibt es nur eins für mich- Fahrer sind die Sklaven für Uber für die Menschen die billig fahren wollen .
Fahrer auf Schwarzarbeitbasis um günstige Preise anbieten zu können.
Regulierte Preise würden die Einnahmen von Uber senken gaaanz einfach weil dann kann man nicht mehr 25-30% von Fahrten kassieren .
Das Problem ist das es den Fahrgast nicht interessiert, er will nur günstig von A nach B kommen, ich rede mir jedesmal den Mund fusselig.
Für die Fahrgäste ist das einfach, keine Diskussion mit dem Fahrer, preis ist bekannt und Kreditkarte geht über die App.
Die meisten Taxis wollen immer noch keine Kreditkarte annehmen oder diskutieren mit den Fahrgästen, fahren Umwege, usw.,
Da ist es nicht verwunderlich wenn die Fahrgäste zu den privaten abwandern.