Taxi-Times-Auslandskorrespondent Wim Faber hat jüngst an mehreren internationalen Taxi-Veranstaltungen teilgenommen. Das erste war ein Geschäftsführertreffen in Marokko. Wenige Tage später folgte die Jahrestagung eines Handelsverbandes für individuelle Personenbeförderung in den USA. Anschließend ging es zurück nach Europa, zum Geschäftsführertreffen europäischer Taxiunternehmen in London. Wie in einem Reisebericht gibt Wim Faber in mehreren Teilen die Ideen und Entwicklungen im weltweiten Taxigewerbe wieder.
Tagebuch-Eintrag 1, Marrakesch, 11. bis 14. September: Es kommt nicht oft vor, dass in kurzer Zeit so viele verschiedene internationale Taxikonferenzen abgehalten werden und es gibt nichts Schöneres, als die Temperatur der Taxibranche in verschiedenen Ländern zu messen – nein, sogar auf drei Kontinenten. Mit vielen unterschiedlichen Stimmen, bei denen aber hauptsächlich die gleiche Melodie gesungen wurde: „Wo bekommen wir die Fahrer her, wenn die Nachfrage steigt?“
So auch beim ersten Directors’ Taxi Summit (Taxi-Gipfel der Geschäftsführer) im marokkanischen Marrakesch vom 11. bis zum 14. September. Im Mittelpunkt der Konferenz standen starke Praxisvorträge zu Themen wie Null Emissionen, europäische Profilierung, Selbstbestimmung für Frauen und Zusammenarbeit mit Uber.
„Wir freuen uns, dass Sie gekommen sind“, sagten Taxifahrer in Marrakesch begeistert, „weil es hier keine Touristen mehr gibt und dies unsere Hochsaison ist.“ Das schwere Erdbeben in der Nähe der Großstadt mit fast einer Million Einwohner gut eine Woche zuvor überschattete das Treffen. Etwa die Hälfte der registrierten Besucher entschied sich dafür, zu Hause zu bleiben, darunter auch einige Redner, die ihren Beitrag später per Videoschalte hielten.
Nach Angaben der Veranstalter hatte sich die Teilnehmerzahl (rund 80) halbiert. Die meisten Teilnehmer kamen aus Großbritannien, wo die Organisatoren Azmat und Jack von Dotted bereits mehrere spezielle Taxitreffen für die Taxi- und Mietwagenbranche organisiert hatten. Der Director’s Taxi Summit war ihr erstes großes internationales Treffen im Ausland – mit einer besonderen Mischung aus Bildung, Motivation und Präsentation.
Etwa zehn Teilnehmer kamen aus Europa, dem Nahen Osten und Asien. Die vier Praxisvorträge aus Dänemark, Deutschland, Ägypten und den USA waren ausnahmslos bemerkenswert stark. Der motivierende Teil – über Führung – wurde von Adrian Hayes gehalten, ehemaliger Militär, begeisterter Bergsteiger und Motivator im Bereich Teambuilding. Die Fachbeiträge – teilweise von Sponsoren mit starkem Fokus auf das Vereinigte Königreich – waren bemerkenswert und inspirierend – zwei Elemente, die bei klassischen Taxikonferenzen manchmal fehlen.
„Das Tolle am Taxisektor ist, dass man auf einen Knopf drückt und sofort sieht, dass etwas passiert“, sagte Carsten Aastrup, seit 1997 Geschäftsführer des dänischen Taxivermittlers Dantaxi. Durch die Kombination von Taxis und seit 2021 auch Bussen und Transportern von HB Care für den Sozialverkehr in einem Unternehmen kann Dantaxi – seit sechs Jahren im Besitz der Private-Equity-Gesellschaft Triton – ein breites Spektrum an Mobilität abdecken. „Die aktuelle Konstellation ist mit einem EBITDA von 17 Millionen Euro deutlich effizienter als eine genossenschaftliche Zusammenarbeit. Die hohen Investitionen am Anfang haben sich ausgezahlt.“ EBITDA steht für Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization (Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen auf Sachanlagen und Abschreibungen auf immaterielle Vermögensgegenstände) und ist vereinfach gesagt eine betriebswirtschaftliche Kennzahl, die den nachhaltigen operativen Cashflow vor Steuern eines Unternehmens beschreibt.
Dantaxi, das Taxiunternehmen mit 1.900 Taxis an neun Standorten in Dänemark, verfolgt eine grüne Agenda und strebt bis 2025 ein zu 100 Prozent emissionsfreies Fahren an- mit vielen unterschiedlichen E-Taximodellen. Das Unternehmen hat eine große Anzahl von Elektrofahrzeugen von Tesla, Mercedes und VW gekauft. Mittlerweile fahren etwa 550 der Taxis umweltfreundlich. Um politische Unterstützung zu gewinnen, verfolgte Dantaxi eine umgekehrte Strategie: Gemeinsam mit dem Stromkonzern E.ON investierte man in einen großen „Game Changer“: den Bau des größten Ladepunkts Skandinaviens, Danhub. An den fünf Ultraschnellladestationen (bis zu 300 kWh) können maximal 400 Taxis pro Tag geladen werden. „Wir haben die Initiative ergriffen und sehen, dass die Politik jetzt nachzieht“, sagt Aastrup zufrieden.
Gregor Beiner, Geschäftsführer des Münchner Taxiunternehmens MTZ, Vorstandsmitglied der bayerischen Gewerbevertretung TMV sowie im Bundesverband Taxi und Mietwagen e. V. (BVTM), gibt freimütig zu, dass Skandinavien bei der Elektrifizierung weit vor Deutschland liegt. Beiner selbst arbeitet in seinem Unternehmen schon seit mehreren Jahren an der Elektrifizierung. Doch er tanzt noch auf weiteren Hochzeiten: Zusammen mit seinem Kollegen von der Pariser Taxizentrale G7 leitet er seit drei Jahren den europäischen Taxi-Lobbyclub TaxisForSmartMobility (T4SM), „weil der Taxisektor in Europa nicht wirklich eine klare Stimme und ein klares Gesicht hat.“ Derzeit setzt er sich intensiv für eine europäische Plattformrichtlinie ein, die Scheinselbstständigkeiten von Plattformfahrern verbannen soll und Taxizentralen, die mit echten Selbstständigen zusammenarbeiten, nicht die Rolle von Arbeitgebern geben sollen.
Die ersten Plattformen, die vor zwölf Jahren auf den Markt kamen, haben die Taxibranche maßgeblich geprägt. Aber auch Mobilität ist ein bedeutender Wachstumssektor. „Im Jahr 2018 wurde für den gesamten Mobilitätssektor eine Marktgröße von rund 50,4 Milliarden US-Dollar geschätzt. Bis 2024 werden es bereits 120,2 Milliarden Dollar sein. Mit Hilfe billiger Scheinselbstständiger sind die Plattformen zu milliardenschweren Unternehmen herangewachsen. Die Taxibranche fordert von der Politik eine strengere Kontrolle, anstatt die Augen vor den Praktiken dieser Plattformen zu verschließen.“ Beiner verdeutlicht dies anhand einer Zahl für Berlin: „In den letzten fünf Jahren ist die Taxiflotte in Berlin von 8.300 auf 5.400 Taxis eingebrochen.“ Deshalb sei es wichtig, dem Taxisektor ein Gesicht zu geben – ein europäisches Gesicht. „Die meisten Politiker haben keine Ahnung, wie groß unser Sektor ist und wie wichtig unsere Rolle in der Stadt ist. Das ist ein wichtiger Hebel. So etwa in Österreich, wo der Mietwagen mit Fahrern, welche die Plattformen in diversen Ländern allzu oft nutzen, abgeschafft wurde. In Österreich gibt es nur noch Taxigenehmigungen und die damit verbundenen strengen Kontrollen. Doch jedes EU-Mitgliedsland reagiert anders auf die Auswüchse der Plattformen.”
Beispielsweise hat München kürzlich einen Tarifkorridor eingeführt, doch die Taxibranche wünscht sich vor allem einen Mindestpreis für Mietwagen, die bisher Preisdumping unterhalb der Taxitarife praktizieren. „Die europäische Art des Reisens wird zunehmend zur Uber-Art werden“, sagte Uber-CEO Dara Khosrowshahi einmal. „Uber dachte zunächst nicht, dass der Taxisektor so stark sei, aber Uber lernt jetzt von unserem europäischen Taxiweg. Eine Leistung für uns alle“, so Beiner.
Beiner vertrat außerdem taxi.eu, die europäische App mit neun angeschlossenen Ländern, aktiv in 160 Städten, mit 65.000 Taxis, verschiedenen Zahlungsmöglichkeiten und 205.000 Fahrern, die bereits 170 Millionen Fahrten gefahren sind. Leider bevorzugen immer noch zu viele Taxiunternehmen und Benutzer ihre eigene lokale App. Gerade wegen der wichtigen Rolle, die Taxis auf lokaler Ebene spielen, plädiert Beiner für einen multimodalen Ansatz und insbesondere für eine bessere Zusammenarbeit mit dem öffentlichen Verkehr. Allzu oft werden Taxis und Linienverkehr immer noch als getrennte Sektoren betrachtet, obwohl sie sich gegenseitig stärken könnten.
Die Geschichte der Ägypterin Reem Fawzy war aus einem ganz anderen Grund bemerkenswert. Mit ihrer touristischen Rim Group ist sie seit Jahren in allen Belangen des Tourismus in Ägypten und zunehmend auch im Ausland tätig. Zunächst B2B (Business-to-Business, von Firma zu Firma), zunehmend aber auch B2C (Business-to-Consumer, von der Firma zum Konsumenten), was dazu führte, dass sie 2006 in Kairo das erste Taxiunternehmen Ägyptens gründete.
Mit ansteckender Begeisterung sprach Fawzy über ihren Wunsch, Frauen nicht nur einen sicheren Transport (am besten von Frauen) zu ermöglichen, sondern ihnen auch einen Job als Taxifahrerin zu ermöglichen. „Nach der Revolution von 2011 war es für Frauen schwierig, eine geeignete Arbeit zu finden. Die Arbeitslosigkeit lag bei acht Prozent. Ihre Ehemänner wollten eigentlich nicht, dass ihre Frauen arbeiten. Und darüber hinaus galt die Arbeit eines Taxifahrers als gefährlich. Dann habe ich 2015 Pink Taxi gegründet. Als eine Form der Selbstbestimmung, und um Frauen einen sicheren Transport zu ermöglichen.“
Die Begeisterung war zunächst nicht groß, aber fünf Frauen schlossen sich dem Programm an und nach und nach kamen weitere hinzu – mit einer Berufsausbildung sowie finanziellen und anderen Anreizen. Im Jahr 2016 gab es bereits 102 Fahrerinnen und 52 Taxis, eine Buchungszentrale folgte. Allmählich wuchs der Respekt der Männer vor Taxifahrerinnen. Vor allem nach Corona begannen Eltern, Pink Taxis zu buchen, um ihre Kinder sicher zur Schule zu bringen. Für Taxifahrerinnen wurde eine spezielle Fahrschule geschaffen, die Sicherheitsmaßnahmen in Taxis wurden um GPS-Tracking und einen Notrufknopf erweitert. Inzwischen strebt Reem Fawzy die Marke von 1.000 Taxis an. Davon hat sie bereits die Hälfte geschafft. Sie ist auch damit beschäftigt, das Konzept in den Nachbarländern auszurollen.
Die Konferenz in Marrakesch war sicherlich eine gute Bühne, um diesem Ziel näherzukommen. wf
Teil 2: Marrakesch mit einem Ausblick auf Ubers neue Strategie
Teil 3 USA: Wie sich das amerikanische Taxigewerbe aus seiner Kleinteiligkeit löst
Teil 4: USA: In den USA seien die Taxiregeln zu streng, findet ein Vertreter der IATR.
Teil 5 London: Beim ERTA-Treffen kommen die Chefs großer Europäischer Taxizentralen zusammen. Unter anderem berichtete die Pariser Zentrale G7, warum man die Quote der Taxifahrerinnen steigert.
Fotos: Wim Faber