Noch im September beginnt in Norwegen ein Anhörungsverfahren über die Deregulierung des Taximarktes. Die Pläne der konservativen Høyre, der rechtspopulistischen Fortschrittspartei sowie der Venstre sehen dabei eine Freigabe vor, die viel weiter geht als die Forderungen der EU-Aufsicht „ESA“. Das sei eine rein politische Gestaltung, die mehr auf Ideologie als auf Fakten beruhe, heißt es vom norwegischen Taxiverband ‚Norges Taxiforbund‘. Noch nie hätten Deregulierungen von Taximärkten die erhofften positiven Effekte für den Kunden gehabt. Gegenwind ist wohl auch von den Regionalparlamenten zu erwarten.
Die Regierungskoalition aus drei Parteien, bestimmt von Konservativen und Rechtspopulisten unter Mitwirkung der sozialliberalen Venstre, begründet ihren Vorschlag – der selber noch nicht schriftlich ausgearbeitet wurde – mit den Forderungen der EU-Behörde ESA. Sie ist für die Überwachung der Absprachen zwischen EU und Norwegen zuständig und forderte eigentlich „nur“, den Marktzugang für neue Firmen zu erleichtern. Dieser sei durch geforderte Sprachkenntnisse, eine vorherige Mindestaufenthaltsdauer in Norwegen von fünf Jahren sowie die zahlenmäßige Begrenzung der Taxis durch die Kommunen für „europäische Mitbewerber“ unzulässig eingeschränkt. Aber die norwegische Regierung möchte wohl den Anlass für einen „großen Wurf“ nutzen und gleichzeitig auch eine Reihe anderer Bestimmungen, wie die Tarifpflicht sowie den „Zentralenzwang“ kippen.
Ausreichend Spielraum innerhalb der EU-Gesetze
‚Norges Taxiforbund‘ zweifelt jedoch bereits die Argumentation der ESA grundsätzlich an, die bisherigen norwegischen Anforderungen an Taxi- oder Mietwagenunternehmer stünden im Konflikt zur europäischen Niederlassungsfreiheit. Das teilte Atle Hagtun, Pressesprecher des Verbandes gegenüber Taxi Times mit. Die EU erlaube nämlich selbst ihren Mitgliedstaaten, das Taxigewerbe in nationalen oder kommunalen Normen zu regulieren. Mit der gleichen rechtlichen Begründung könne auch der EFTA-Staat Norwegen an seinen Regeln zum Berufszugang, welche auch die Standards der Überprüfung der Taxi-Unternehmer durch die Polizei sicherstellen sollen, festhalten, meint der Taxiverband.
Diese Haltung erscheint vor allem nach dem Urteil des EuGH, dass „für Dienste der innerstädtischen Personenbeförderung“ weiterhin die kommunalen und nationalen Gesetze anzuwenden sind, gut begründet. Roar Refseth, Direktor des norwegischen Taxiverbandes, weist außerdem darauf hin, dass die norwegischen Gesetzgeber genügend Spielraum hätten, die Rahmenbedingungen der EU zu erfüllen, ohne den Markt vollständig zu deregulieren.
Taximärkte folgen nicht dem Lehrbuch – im Gegenteil
Befürworter der über die Forderungen der ESA hinausschießenden Freigabe von Konzessionen und Tarifen bedienen sich altbekannten Behauptungen. Der Taximarkt Norwegens funktioniere nicht gut genug und eine erhöhte Konkurrenz führe zu einer Senkung der Preise und eine Erhöhung der Qualität, so dass der Kunde am Ende profitiere. Die Abschaffung einiger Regeln würde also die angeblichen Missstände beseitigen.
Hagtun weist darauf hin, dass der Taximarkt sich aber nicht selbst reguliert und beruft sich auf Erfahrungen aus der Entwicklung in Oslo, wo eine teilweise Deregulierung nur negative Effekte gehabt hätte. Aber auch Deregulierungen in anderen Ländern hätten das gleiche gezeigt, sagt Refseth. Es gäbe ausreichend Erfahrungen aus anderen Ländern und begleitende Untersuchungen bei Deregulierungen hätten gezeigt, dass die unterstellten Gesetzmäßigkeiten von Angebot und Nachfrage und zur Preisbildung auf Taximärkte nicht zuträfen, begründet Øystein Trevland, Leiter des Verbandes, die Position des Gewerbes. Das Gegenteil sei der Fall, in allen Fällen sei es durch eine Marktfreigabe zum Preisanstieg, zu einem Wirrwarr der Tarife und einem rapiden Verfall der Qualität gekommen.
Ubers Lobbyismus auch ein Problem für Norwegen
Die ESA wurde 2014 aktiv, als sie eine Beschwerde über Norwegens Taxigesetze erhalten hatte und drohte Norwegen mit einer Klage. Uber nahm seinen Betrieb in dem skandinavischen Land Ende 2014 auf. Uber hatte UberPOP in Norwegen am 30. Oktober 2017 nach jahrelangem, illegalen Betrieb eingestellt und kündigte an, sich künftig mit den verbliebenen UberBlack und UberX an Recht und Gesetz zu halten. Drei Tage vorher lief die von der ESA gesetzte Frist zu Gesetzesänderung fruchtlos aus.
Seit längerem sind dort auch Lobbyisten für Uber tätig und arbeiten daran, dass die Gesetzgeber Lizenzen freigeben und die beruflichen Anforderungen für den gewerblichen Personentransport abschaffen. Insbesondere die Pflicht für Taxis und Mietwagen, sich einer Zentrale anzuschließen, ist – noch – ein erhebliches Hemmnis für Uber. Diese Regelung wollen aber die Taxi-Unternehmer behalten, weil sie die schnelle Versorgung in dem unwegsamen Land und die Sicherheit für den Kunden erhöht und dem Gewerbe aus kleinen Unternehmen zu mehr Effizienz und Qualität verhilft.
Schließlich wurde eine „Shared-Economy-Kommission“ innerhalb der Regierung geschaffen, die sich die Förderung der ‚Gig Economy‘ zum Ziel setzte, ohne sie zu hinterfragen. Trevland nennt sie die „Uber-Kommission“, denn sie setze sich nur aus Uber-Anhängern zusammen und besitze keine fachliche Kompetenz.
Nach der Anhörung, die nun von September an durchgeführt wird, müssen die Antworten zunächst ausgewertet werden, bevor sich der Storting, das norwegische Parlament, erneut zur Beratung der Ergebnisse zusammensetzt. Mit einer Verabschiedung eines neuen Gesetzes ist nicht vor nächstem Frühjahr zu rechnen, aber es sei noch ungewiss, ob es dafür eine Mehrheit geben wird, sagte Hagtun gegenüber Taxi Times. Nicht nur die Arbeiterpartei und die Grünen könnten dagegen stimmen, auch die Christliche Volkspartei ist noch unentschlossen. Und die Regionalverwaltung von Troms hat gerade erst die bestehende Begrenzung der Lizenzen durch ein neues Gesetz bestätigt und die nationale Regierung gebeten, von der Deregulierung Abstand zu nehmen. prh
Korrektur 05.09.: In der ersten Version hieß es in der Einleitung, dass das Parlament im September über den Vorschlag beraten würde, korrekt ist aber, dass Regierung und Verkehrsministerium zunächst eine Anhörung durchführen, und den Entwurf im nächsten Frühjahr dem Parlament, dem Storting, zur Abstimmung vorlegen wird.
Beitragsbild: Øystein Trevland, Norges Taxiforbund, Foto Atle Hagtun, NT