Autonom fahrende Robotaxis sind in der Wahrnehmung des europäischen Taxigewerbes bisher fast nur mit dem Bild im Kopf verknüpft, dass so etwas nur in Amerika oder in Asien möglich ist. Beim Deutschen Taxi- und Mietwagentag (DTMT) musste sich aber auch das Auditorium einer Sache bewusst werden – die autonome Technologie ist schon längst da!
Gleich mit dem ersten Panel „Autonomes Fahren“ setzen die Veranstalrer des DTMT ein dirckes Ausrufezeichen: Der allseits gegenwärtige Kampf gegen den unlauteren Wettbewerb der Plattform-vermittelten Mietwagen rückte zunächst in den Hintergrund und eine völlig neue Fragestellung trat in den Vordergrund. Was bleibt dem Taxigewerbe, wenn auch in Deutschland die Autos autonom fahren?

Der Mobilitätsforscher Professor Andreas Knie erforscht bereits seit geraumer Zeit die Mobilität der Zukunft. Sein Know-how fließt beispielsweise auch in die wissenschaftliche Auswertung der Hamburger Festpreis-Erprobung ein. In Erfurt bescheinigt Knie, dass insbesondere das autonome Fahren ein „Gamechanger“ sein wird. Er prognostizierte: Die Mobilität, wie man sie heute kennt, wird sich grundlegend ändern.
Deutschland liegt im internationalen Vergleich allerdings weit zurück, gerade weil hier aufgrund vieler Vorschriften und Regularien die Transformation nur langsam voranschreitet. Wenn es nach Professor Knie ginge, dann würde er sich ein proaktives Herangehen der Branche wünschen, um das enorme Marktpotenzial zu nutzen.
Das ist allerdings zum derzeitigen Zeitpunkt fast unmöglich, denn dem Taxigewerbe fehlt noch die Vision auf die Frage: „Wo ist unser Platz in einer autonom fahrenden Zukunft?“

Eine mögliche Antwort hatte Moias-Wachstumsmanager, Rainer Becker beim Deutschen Taxi- und Mietwagentag im Gepäck. In seinem Vortrag nannte er einige neue Details dazu, wie Moia sich den Betrieb seiner autonomen Fahrzeuge, allen voran dem ersten autonomen Wurf von Volkswagen, den VW ID. Buzz AD (AD=autonomous drive) vorstellt.
„Wir werden als Moia […] nicht mehr selber betreiben. Wir werden unsere Technologie nehmen […] und werden die Technologie an örtliche Betreiber abgeben, lizenzieren. Das heißt, örtliche Betreiber können sagen: ‚Ich möchte autonome Verkehrsleistungen anbieten‘ und wir werden diese Technologie übergeben und sie betreiben dann vor Ort diesen Service für ihre Kunden unter ihrer Marke, unter ihrer Rechnung.“
In Deutschland könnten also auch Taxiunternehmen, Zentralen oder auch Verkehrsbetriebe die autonomen Fahrzeuge betreiben. Wie wahrscheinlich dieses Szenario ist, bleibt allerdings erstmal offen. In den USA ist Moia mit Uber in Gesprächen. Wichtig, so Becker, ist, dass die Fahrzeuge nur eine Seite der Medaille sind, denn ein weiterer wichtiger Baustein ist die Plattform, welche die Autos verwaltet und managt, sowie natürlich die Buchungsmöglichkeit für die Fahrgäste. Dieser wichtige Aspekt, das sogenannte Enablement (möglich machen), darf nicht vernachlässigt werden und ist vermutlich auch, neben Fahrzeug und reiner Software, eine wichtige Einnahmequelle des Volkswagen-Konzerns.
Eine zentrale Erkenntnis der bisherigen Erprobung ist, worin der eigentliche Vorteil der autonomen Fahrzeuge liegt. Becker berichtet davon, dass dieses System über eine Flexibilität verfüge, die ihresgleichen suche. Spontane Großereignisse könnten ebenso unproblematisch bedient werden, wie beispielsweise Zugausfälle. Allesamt Argumente pro autonome Fahrzeuge, die letztlich dem Taxigewerbe vor Augen führen, was die Zukunft bringen kann.
In der Praxis ist beim Ausrollen der Technologie von Moia vorgesehen, dass sie die ersten Gespräche mit den Kommunen anbahnen und sie mit den lokalen Betreibern zusammenbringt. Aber auch bei der Öffentlichkeitsarbeit und mit verschiedenen Trainings beispielsweise von Ersthelfern will man bei Politikern und Bürgern Vertrauen aufzubauen und dabei helfen, Ängste und Vorurteile abzubauen. Als bislang einziger Anbieter von autonomer Mobilität strebt Moia in der EU die Zulassung der Fahrzeuge nach dem Verfahren der AFGBV (Autonome-Fahrzeuge-Genehmigungs- und-Betriebs-Verordnung) an, um eine Serienproduktion zu ermöglichen.

Ein weiterer Gesprächsslot war für Dr. Lea Decker von der Hamburger New-Mobility-Solution reserviert. Gemeinsam mit Ihren Kollegen entwickelt sie für die Stadt Hamburg Projekte in den Bereichen Mobilität, Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Zudem werden strategische Absichtserklärungen zwischen der Stadt Hamburg, öffentlichen Unternehmen, dem Bund sowie Wirtschaftspartner und der Wissenschaft koordiniert.
Für Frau Decker bietet das autonome Fahren für die Stadt Hamburg eine große Chance, die Mobilität zu erneuern und damit zugleich die Klimaziele zu erreichen. Sie betonte, dass Steuerungsinstrumente für Städte und Kommunen fehlen, um autonome Anbieter in das Verkehrssystem und das Stadtbild zu integrieren und mögliche negative Konsequenzen – wie beispielsweise die Zunahme des Verkehrs – zu regulieren.
Mit der autonomen Personenbeförderung geht voraussichtlich auch eine erhöhte Angebotsdichte einher. Für das Taxigewerbe sieht Frau Decker die Chancen in der Schaffung hybrider Angebote, die eine Kombination von klassischen und autonomen Diensten schaffen. Diese Angebote sollen insgesamt mehr Menschen ansprechen, was in einer Erhöhung des Fahrgastaufkommens resultiert.

In einem anschließenden Workshop war die Unsicherheit eindeutig zu spüren. Soll man das autonome Fahren als Bedrohung oder als Chance wahrnehmen? Während man sich einig war, das ganz besonders Nischenmärkte wie die Krankenbeförderung – zumindest zunächst – den Taxiunternehmern eine feste Einnahmequelle biete, fragten sich wiederum andere Teilnehmer, ob ein Taxibetrieb in der Lage ist, die autonomen Fahrzeuge, so wie es Becker angekündigt hatte, zu betreiben.
Auch wird sich der als unausweichlich betrachtete Transformationsprozess zunächst im städtischen Umfeld vollziehen, was die Situation auf dem Land zunächst noch entspannen wird. Wie schnell die Transformation vonstattengehen wird, ist letztlich eine Frage des Gesetzgebers. Er muss zunächst den regulatorischen Rahmen für die autonome Personenbeförderung schaffen.
Bei der Frage, wie sich der einzelne Taxiunternehmer positionieren kann, stand auch die Frage im Vordergrund, ob ein Taxiunternehmer überhaupt als Betreiber in Frage kommt. MOIA will seine Fahrzeuge nicht nur in Deutschland auf die Straße bringen, sondern hat auch beispielsweise in den USA seine Fühler ausgestreckt. Dort führt man Gespräche mit Uber, was letztlich nicht überraschend ist, denn für eine Markteinführung ist es sicherlich einfacher, mit großen Betrieben in Kontakt zu treten.
Wieviele Fahrzeuge ein Unternehmer betreiben muss, damit Moia auf einen Taxibetrieb zukommt, ist unklar, im Workshop kursierte die (unbelegte) Zahl von rund 200 Fahrzeugen. So große Taxibetriebe sind in Deutschland allerdings eine echte Seltenheit. Vielleicht aber kommen Taxizentralen als mögliche Betreiber infrage? Schließlich geht es ja nicht nur darum, die Fahrzeuge in Schuss zu halten. Weil die Technologie hinter den Fahrzeugen sehr komplex ist, erfordert sie viel Wissen und eine hohe IT-Kompetenz. Wissen, das zunächst erlernt werden muss und nicht mit dem Betrieb aktueller Flotten zu vergleichen ist.

Vielleicht ist aber auch der Fahrzeugpreis so hoch, dass nur wenige sich so ein autonomes Fahrzeug leisten können. Wie heißt es so schön – „Nichts Genaues weiß man nicht“. Und das ist genau der Punkt. Ohne die notwendigen Informationen kann man auch kein Szenario bauen und überlegen, ob das Taxigewerbe das leisten kann. Aber es gibt auch noch mehr unbekannte Faktoren. Beispielsweise ist noch unklar, in welche Betriebsform die Fahrzeuge eingestuft werden und ob eventuell eine Klassifizierung als Taxi möglich wäre, was gleichbedeutend mit einem Taxitarif ist
Auch die Haftungsfrage ist noch nicht geklärt. Möglicherweise will Volkswagen das Risiko verteilen und betreibt deshalb die Fahrzeuge nicht selbst, was die Frage nach der Versicherung aufwirft. Selbst da ist noch viel offen.
Wie geht man jetzt mir der Situation um? Entweder, das Taxigewerbe geht weiter in die Nische und setzt beispielsweise verstärkt auf den Zukunftsmarkt der Krankenbeförderung, oder das Taxigewerbe gibt jetzt Gas, bringt sich bei den Anbietern der autonomen Fahrzeuge ins Spiel und klärt erst einmal die grundsätzlichen Fragen. Allen voran: Kommt ein Taxiunternehmer, respektive eine Taxizentrale, überhaupt als Betreiber infrage? Die Antwort könnte am Ende des Tages „ja“ lauten. sg
Hinweis der Redaktion: Taxi Times war beim Deutschen Taxi- und Mietwagentag mit vier Redakteuren vor Ort und konnte deshalb alle, teils parallel stattfindenden Panels besuchen. Lesen Sie die ausführlichen Zusammenfassungen der Panels über die nachfolgend aufgeführten Links. ..
18.11.25: Übersicht über den Tag 1 des Deutschen Taxi- und Mietwagentags: Erfurt wurde zum Taxi-Mittelpunkt
19.11.25: Übersicht über den Tag 2 des Deutschen Taxi- und Mietwagentags: Freunde? Feinde? Überleben!
19.11.25: Panel „Tarifkorridor – Vor- und Nachteile“: Der Tarifkorridor hat viele Gesichter
20.11.25: Panel „Teilhabe und Daseinsvorsorge – Taxis noch inklusiver machen“: „Taxi für alle“ – wie wäre es mit „Rollitickets“?
25.11.25: Panel Rahmenbedingungen Krankenfahrten: „Gamechanger Krankenfahrten?“
26.11.25: Panel „Plattformen: Freund oder Feind“: Plattformkooperationen – Sackgasse oder ein neuer Weg?
27.11.25: Panel Von obskur bis allgegenwärtig – das ÖPNV-Taxi wächst“ Inkl. Workshop: „Linienverkehr und Taxi brauchen Paartherapie“
28.11.25: Panel Die Kleine Fachkunde: „Wie geht es weiter mit der Kleinen Fachkunde?“
28.11.25: Panel Mindestbeförderungsentgelte: Wo wir jetzt stehen: „MBE – das neue Zaubertool der Taxler“
Beitragsfoto: Der vollautonome ID. Buzz AD soll demnächst in den Realbetrieb gehen. Quelle Taxi Times







